Der Doctor und ich

10.09.2014 - 10:29 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Pew Pew Pew
BBC
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Aus Lachen wurde Liebe und aus Liebe wurde Frust. Ich hadere mit Doctor Who und hier steht weshalb. Enthält Spoiler zu Deep Breath und Robot of Sherwood.

Es ist jetzt einige Jahre her, dass ich zum ersten mal Doctor Who gesehen habe. Es war ein Sonntagnachmittag, an dem ich in Unterhose auf der Couch saß und durch das Fernsehprogramm zappte. Plötzlich war da so ein seltsamer Typ auf dem Bildschirm, der vor einer Art Mülltonne mit Pickeln und Teleskop-Auge stand. Ich habe mich schlapp gelacht. Als die Mülltonne mit mäßiger CGI abhob und hysterisch "EXTERMINIEREN!!!" von sich gab, während sie mit Laserstrahlen um sich schoss, rief ich nach meiner damaligen Partnerin und wir lachten gemeinsam und hämisch über diese seltsamen Bilder. Ein paar Wochen später bestellten wir unsere ersten T-Shirts mit blauen Polizei-Boxen darauf.

Ich war süchtig. Ich konnte die nächste Folge nicht erwarten und verschlang alles, was ich in die Finger bekommen konnte. Nach den damals erhältlichen Staffeln 1 und 2 des 2005er Doctors ließ ich mir in der Videothek den Film von 1996 besorgen. Ich begann mit der allerersten Staffel Doctor Who von 1963. Ich war trotz des holprigen Erstkontakts Fan geworden. Was mich an Doctor Who fasziniert, sind die unendlichen Möglichkeiten. Die Vielfalt, die dadurch entsteht, dass der Doctor sich um neu interpretierte, historische Wehwehchen genauso kümmern kann, wie um interstellare Krebsgeschwüre, bietet so viel Potential für gute Geschichten. Den militanten Pazifismus der Doctoren 9 und 10 fand ich damals sehr erfrischend. Der Doctor ballert nicht mit einer Laserkanone durch ein feindliches Raumschiff, bis alle Gegner tot sind, sondern gibt ihnen die Wahl von ihrem schädlichen Verhalten abzulassen und richtet dann ihre eigenen Waffen gegen sie, sollten sie das nicht tun. Seit den ersten Staffeln der Neuauflage ist viel passiert. Doctor Who wird jetzt mit einem deutlich höheren Budget produziert, wodurch richtig miese CGI, wie in meiner ersten Folge (Dalek hieß die übrigens) meist ausbleibt. Der Doctor hat mittlerweile vier mal sein Gesicht gewechselt und auch die erzählten Geschichten sind andere. Letzteres lässt mich mit der Serie hadern.

Atmosphärischer Wandel

Ich kann den Punkt des Umschwungs sehr genau festmachen. Mit dem Wechsel des Hauptdarstellers von David Tennant zu Matt Smith reichte auch der Executive Producer Russel T. Davis den Staffelstab an Steven Moffat weiter - und ich war begeistert darüber. Moffat schrieb unter Davis einige meiner Lieblingsepisoden. Silence in the Library ist mir ob seiner dichten Atmosphäre sehr gut im Gedächtnis geblieben und Blink wird auch von vielen anderen ZuschauerInnen als beste Doctor Who-Episode überhaupt gehandelt. Was wir mit Moffat als Showrunner und Hauptautor bekamen, war dann allerdings eher ernüchternd. Beispielsweise hatte sich die ganze Optik der Serie geändert. Exemplarisch dafür stehen die Daleks. Bei Russel T. Davis sahen sie alt aus. Die hatten schon Kriege gesehen, deren Grausamkeiten wir uns nicht mal vorstellen konnten. Sie waren rostig und tödlich. Steven Moffat führte Apple Daleks aus glänzendem Plastik ein. Sie sind brandneu und haben iCloud. Moffat verschob die Atmosphäre der ganzen Serie von Tatooine zum Inneren von Prinzessin Leias Rebellenkreuzer. Vom Baumarkt zur Spielzeugabteilung. Von abgegriffenem, nacktem Holz zu rotem Klavierlack.

Erzählerischer Wandel

Was Moffat aber mit den Geschichten trieb und gerade in der aktuellen, 8. Staffel ins Absurde treibt, ist leider noch schlimmer. Fangen wir aber bei Moffats erster Staffel als Showrunner an. In Staffel 5 geht es um einen immer wiederkehrenden Riss. Während oder am Ende beinahe jeder Episode taucht dieser gleichförmige, hellleuchtende Riss irgendwo auf. Es gibt nur wenige Erläuterungen in einer der ersten Folgen der Staffel dazu. Ab und an bekommen die ZuschauerInnen unheilvolle Andeutungen. Im Staffelfinale platzt dann die Bombe: Die Tardis ist explodiert und hat das Universum kaputt gemacht! Grundsätzlich keine schlechte Idee, aber die Umsetzung und Auflösung kommen wie der Kasper aus der Kiste. Was seitens des Plots keinen Sinn ergibt, wird mit Pseudo-Physik-Gebabbel gerade gebogen. Über diese Schwächen kann ich damals hinwegsehen, weil so viele tolle Ideen in der Staffel stecken. Roboter-Römer und venezianische Vampire sind einfach saucool und die Folge Vincent and the Doctor hat mir ob des genial gespielten Vincent van Gogh großen Spaß gemacht.

Springen wir zur 8. Staffel. Moffat hat seine Fähigkeit für großartige Bilder ausgebaut. Ein T-Rex im viktorianischen London und ein Typ, der einen Löffel zu einer Messerstecherei bringt, gehen auf Tumblr weg wie warme Semmeln. Moffat hat nur keine Ahnung, was er mit diesen Ideen anstellen soll. Der Dinosaurier wird buchstäblich verbrannt und bleibt eine konsequenzlose Fußnote. Dafür ist die Episode Deep Breath, in der er auftaucht, deutlich zu lang für das Bisschen an Handlung. Moffat ergeht sich in käsigen Dialogen zur Natur des Doctors, die Fans der Serie schon hundert mal gehört haben und ignoriert grundsätzliche Erzähltechniken wie Show, don't tell. Gerade bei einer Fernsehserie sollte es damit doch keine Probleme geben. Moffat zeigt aber nicht, sondern erklärt durch die Münder der Figuren und wenn er doch mal zeigt, dann muss es schon auf die Zwölf sein, damit es auch ja alle verstehen. Subtilität gibt es bei Moffats Geschichten nicht. Ihr erinnert euch an den Riss aus Staffel 5? Das gleiche Muster gibt es hier wieder. An jede Folge wird eine Gartenszene geschnitten, in der sich die soeben umgelegten Bösewichte versammeln. Das wirkt wie ein Fremdkörper, der einfach angepappt wird, nicht wie ein sich organisch einfügendes Element. Scheinmysteriös und faul würde ich das nennen. Man könnte auch Lazy Storytelling dazu sagen.

Sinn und Unsinn

Überhaupt hat Moffat ein riesiges Problem mit stimmigen Handlungen. Seine Enden strotzen nur so vor Deus Ex Machina. In der Folge Robot of Sherwood hebt ein Raumschiff aus einer mittelalterlichen Burg ab, das nach einem Absturz mit dem Gold der Bürger von Sherwood repariert worden ist. Der Doctor erklärt, dass das Schiff noch nicht bereit sei und explodieren würde, wobei halb England von der Landkarte gesprengt würde. Als Auflösung bietet uns Moffat einen goldenen Pfeil, der an die Außenhülle des Schiffs geschossen wird und ihm damit genügend Gold zuträgt, dass es wenigstens die Atmosphäre verlassen kann. Legen wir beiseite, dass Gold nicht unbedingt gute aerodynamische Eigenschaften hat und Clara eine ungeübte Schützin, sowie die Entfernung, die der Pfeil zurücklegt, vollkommen übertrieben ist, bleibt dennoch die absurde Auflösung des Konflikts. In der Burg stand ein riesiger Kübel mit flüssigem Gold, in dem der menschliche Bösewicht ersäuft und die Roboter fliegen ohne los, obwohl sie wissen könnten, dass sie explodieren? Wieso? Wieso müssen die Roboter das erbeutete Gold erst in Form gießen und damit Platinen reparieren, wenn es am Ende reicht einen Pfeil an die Außenhülle zu stecken, um die Antriebsleistung zu verbessern? Das macht alles recht wenig Sinn.

Wiederkäuer

Als ich diese Folge sah, fühlte ich mich verarscht. Nicht Transformers 4-verarscht, aber vielleicht Carrie (2013)-verarscht. Moffat legt uns hier nämlich exakt die gleiche Prämisse vor, wie in Deep Breath, die wir ja gerade mal zwei Wochen zuvor sehen durften. "Roboter stürzen mit Raumschiff auf der Erde ab und beuten Menschen aus, um es zu reparieren" ist nicht der einzige Plot, den man in Sherwood Forrest oder im viktorianischen London erzählen kann. Nicht bei Doctor Who. Wieso standen der Doctor und die Roboter überhaupt im Konflikt? Der Doctor legt es nicht darauf an irgendwelchen Individuen aufs Fressbrett zu hauen und die Roboter könnten Hilfe gebrauchen. Zwei mal innerhalb von drei Episoden bietet uns Moffat die gleiche Auflösung des gleichen, unmotivierten Konflikts. BOOM! Weg sind die fiesen Roboter! Das ist langweilig und eigentlich nicht die Art des Doctors. Die Figuren, die dort geschrieben werden, wirken ohnehin häufig unplausibel und karikaturhaft. Sie sind abgrundtief böse oder super gut. Manche sind so überdreht, dass sie einfach nicht mehr zugänglich sind für mich. Ich mag Peter Capaldi als Doctor eigentlich ganz gerne, aber vieles was er sagt oder tut, wirkt so aufgesetzt, dass es mir die Immersion in Scherben vor die Füße wirft.

Oh Boy, das klingt alles so negativ und ich blicke tatsächlich etwas ernüchtert auf die letzten Jahre Doctor Who. Ich bin immer noch Fan der Serie und versuche mittlerweile so viele der 696 Episoden der klassischen Serie nachzuholen, wie es geht. Das würde ich nicht tun, wenn ich Doctor Who nicht mögen würde. Ich bin allerdings der schlechten Geschichten der letzten Staffeln überdrüssig. Wenn ein großer Konflikt am Ende durch den Kasper aus der Kiste aufgelöst wird, ist das kein überraschendes, originelles Geschichtenerzählen, sondern Faulheit. Wenn Konflikte vollkommen unmotiviert entstehen, dann auch. Die Beliebigkeit der Geschichten nervt mich. Ich habe kein Problem mit Ultraschall-Schraubenziehern, genmanipulierten Killercyborgs, die alles Leben im Universum vernichten wollen und Steinstatuen, die zum Leben erweckt werden, wenn man nicht hinsieht. Ich habe ein Problem mit mies geschriebenen Geschichten und einem Universum, das in sich selbst nicht stimmig ist. Ich habe ein Problem mit Beliebigkeit beim Erzählen, die jede Spannung zerstört. Ich habe ein Problem mit Figuren, die unglaubwürdig sind und wie Cartoonfiguren sprechen. Ich möchte, dass das Potential von Doctor Who mit Geschichten genutzt wird, die ihre ZuschauerInnen nicht für blöd halten und gleichzeitig halbwegs plausibel sind. Ich glaube, das ist bei einer Produktion dieser Größenordnung nicht zu viel verlangt.

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