Das Kino entdeckt unsere Deutschen

27.03.2009 - 15:00 Uhr
Ulrich Tukur als John Rabe
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Ulrich Tukur als John Rabe
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Hilde, Romy, John Rabe … Biopics vermitteln Nationalstolz: Wer könnte noch auf die Leinwand?

Das deutsche Kino entdeckt seine deutsche Helden: Seit der Fußball-WM ist es wieder on vogue, eine Deutschlandfahne zu schwenken, seit den TV-Event-Filmen wie Dresden, Die Flucht oder Kinder des Sturms wandelt sich das Bild vom Täter zum Opfer und seit Hilde über die Diva Hildegard Knef und John Rabe über einen deutschen Oskar Schindler in China erschließt sich auch das Kino das Potenzial deutscher Helden.

In der nächsten Zeit erwarten uns Leinwand-Dramen über Robert Bosch, Hildegard von Bingen, Johann Wolfgang von Goethe, Albert Schweitzer und Romy Schneider. Derart viele Biopics über deutsche Persönlichkeiten gab es selten. Lange Zeit galt es als irgendwie suspekt, deutsche Nationalhelden auf der großen Leinwand zu präsentieren, hatte doch die nationalsozialistische Filmindustrie genau darauf ihr besonderes Augenmerk gelegt: Emil Jannings als Robert Koch, Horst Caspar als Friedrich Schiller oder Paul Hartmann als Graf Otto von Bismarck haben sich von der NS-Propaganda instrumentalisieren lassen, Geschichte in Führerkult und Chauvinismus umgedeutet.

In anderen Ländern gelten da andere Sitten: In Großbritannien sehen sich sogar lebende Ikonen auf der Leinwand (Die Queen), in Frankreich und Italien traf es François Mitterrand und Silvio Berlusconi ebenso. In den USA wird die eigene Geschichte geradezu geplündert, ob Musiker, Politiker oder Wissenschaftler: Hollywood zeigt kaum Berührungsangst mit den nationalen Heiligen. Meistens sind diese US-Helden besonders patriotisch, spiegeln den Sieg des Einzelnen über das System, den typischen Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär wider.

In unserem Land ist das nicht so einfach: Deutsche als Heroen haben für die große Leinwand andere entdeckt, etwa Tom Cruise einen Stauffenberg oder Steven Spielberg einen Schindler. Und die deutschen Persönlichkeiten, die jetzt für die Leinwand vom deutschen Kino wieder auferstehen, haben nicht etwa für ihr Land gekämpft, sondern gegen es rebelliert, haben es verlassen oder gar nicht hier gelebt: Robert Bosch, John Rabe, Marlene Dietrich, Romy Schneider oder Albert Schweitzer. Sie alle waren außerhalb Deutschlands berühmter und anerkannter; hier wurden sie geschmäht oder waren unbekannt. Wieder einmal erträumt sich also das deutsche Kino seine Helden und wünscht sich, die Geschichte wäre anders verlaufen.

Über wen ließen sich also deutsche Biopics drehen, die das Land in der jüngsten Zeit geprägt haben? Nena zum Beispiel. Wenn Notorious B.I.G., Ray Charles, Johnny Cash & Co. die Leinwände erobern, wieso nicht auch die vierfache Mutter aus Hagen, die die Neue Deutsche Welle in die Welt hinaustrug. Oder Nina Hagen: Die Ufo-verrückte Quietsch-Göre, die aus der DDR flüchtete, um dem Punk zu frönen und das sogar im sonnigen Süden der USA. Aber nicht nur Musiker könnten die Leinwände füllen. Wie wäre es mit einer Biographie über Alice Schwarzer, der “Mutter aller Frauen” und ihrem Kampf gegen das Patriarchat? Einer Komödie über Aufstieg und Fall des Star-Komikers Harald Schmidt? Ein Sportler-Drama über Boris Becker, vom Wimbledon-Sieg bis zur legendären Besenkammer-Szene? Und natürlich Angela Merkel. Was wäre das für ein Film … von der pommerschen Landpomeranze zur mächtigsten Frau der Welt, aber bitte nicht gespielt von Veronica Ferres.

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