Britische Filme erobern den Oscar & die Welt

17.02.2011 - 08:50 Uhr
The King's Speech
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Der britische Film scheint so lebendig wie nie. The King’s Speech ist der große Favorit für den Oscar und begeistert (nicht nur) die amerikanischen Zuschauer. Stehen wir vor einer britischen Invasion im Filmgeschäft?

In den 60er Jahren wurde Amerika von lauter Beat-Gruppen musikalisch erobert, die alle eins gemeinsam hatten: Sie stammten von der Insel, waren vom beschaulichen Großbritannien über den großen Teich gekommen und stürmten die Charts. Beatles, Rolling Stones, Kinks… sie alle formten die British Invasion, die in die Musikgeschichte eingehen sollte. Sie rüttelten die verkrustete amerikanische Rockmusik auf, inspirierten dortige Bands und verkauften Millionen Platten.

Der Trend
Seit einigen Jahren scheint sich im Filmgeschäft ein ähnlicher Trend anzukündigen. Vor zwei Jahren feierte die britische Filmindustrie den größten Sieg, den sie jemals beim Oscar davontragen konnte. Slumdog Millionär von Danny Boyle wurde mit acht Oscars ausgezeichnet, darunter jenen für den besten Film. Kate Winslet ging mit dem Preis als beste Darstellerin nach Hause und viele weitere Preise gingen an britische Filmschaffende. Britannia war cool, scheffelte Geld und stellte die amerikanische Konkurrenz in den Schatten. Erinnert sei auch an Stolz und Vorurteil, Abbitte, An Education, Die Queen, die alle mit mehreren Oscar-Nominierungen bedacht wurden.

Dieses Jahr könnte sich das Phänomen wiederholen. The King’s Speech – Die Rede des Königs darf sich mit 12 Oscar-Nominierungen berechtigte Hoffnungen auf einige der Statuetten machen, darunter besonders die für den Hauptdarsteller Colin Firth. Konkurrenz macht dem sehr britischen Film unter anderem erneut der Brite Danny Boyle, der diesmal mit der britischen Ko-Produktion 127 Hours ins Rennen geht. Erneut scheinen die Briten unschlagbar und erneut könnte ein britischer Film den Oscar-Abend von David Fincher verderben.

The British are coming
Britische Filme sind seit Jahrzehnten regelmäßig Gäste bei den wichtigen amerikanischen Preisverleihungen oder sahnen überraschend an den dortigen Kinokassen ab. Doch als große Wende beim Erfolg des britischen Kinos wird ein Film gesehen, der heute fast vergessen scheint. Die Stunde des Siegers erzählte die wahre Geschichte von einem jüdischen und einem schottischen Läufer, die bei den olympischen Spielen 1924 gegen die Vorurteile ihrer Umwelt aufbegehrten. Der Film gewann 4 Oscars und bildete den Startschuss für das New British Cinema, das die Insel in den 80er und 90er Jahren immer wieder in die Schlagzeilen der Filmmagazine brachte. Dazu gehörten so unterschiedliche Filme wie The Killing Fields – Schreiendes Land, Local Hero, Was vom Tage übrigblieb und The Crying Game – Die Frau des Soldaten.

Das britische Kino war auch in den folgenden Jahren immer mal wieder präsent, etwa durch Der englische Patient, doch selten war die Dominanz so gehäuft zu spüren, wie beim Oscar 2009 und womöglich auch dem von 2011. Dabei sind die beiden führenden Filme auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Slumdog Millionär ist ein vibrierendes Filmerlebnis, sehr modern, sehr poppig und die indischen Slums sind genau das Gegenteil von den königlichen Herbergen aus The King’s Speech – Die Rede des Königs. Doch wenn wir näher hinschauen, sind beides Filme, die den Außenseiter zum Helden erheben, der eine bei Wer wird Millionär, der andere bei einer Rede an das britische Volk zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Es sind, mit anderen Worten, Geschichten, die die Academy liebt und vielleicht erzählen die erfolgreichen britischen Filme der letzten Jahre die besseren Hollywood-Stories.

The British are leaving?
Doch Großbritannien ist kein Friede-Freude-Eierkuchen-Land mit einer paradiesischen Filmindustrie. Wurde das New British Cinema noch wesentlich durch die Politik von Margaret Thatcher angeheizt, stehen die Erfolge von The King’s Speech – Die Rede des Königs unter dem Zeichen einer konservativen Wende in der Politik. Doch als verheerend für die Industrie könnte sich die Anfang 2010 gefällte Entscheidung der Regierung erweisen, das UK Film Council abzuschaffen. Dieses Gremium, 2000 eingeführt durch die Labour-Regierung, half bei der Finanzierung von The King’s Speech – Die Rede des Königs, Happy-Go-Lucky, Man on Wire, Bright Star – Meine Liebe. Ewig. und vielen mehr. Über 160 Millionen Pfund gingen seit der Gründung an rund 900 Filme.

Trotz aller Erfolgsmeldungen bei den Oscars und an den Kinokassen, ist die Zukunft des britischen Kinos keineswegs so rosig, wie sie auf dem ersten Blick erscheinen mag. Die Sparmaßnahmen der Regierung, denen das UK Film Council zum Opfer gefallen ist, machen Sorgen. Wir können nur hoffen, dass die britische Regierung nicht vorhat, eine neue Blüte ihrer eigenen Filmindustrie im Keim zu ersticken.

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