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Blutdurst, Brutalität, Prüderie?

02.01.2015 - 13:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Exodus: Götter und Könige20th Century Fox
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Als ich das Kino nach dem Bibelepos "Exodus" verließ, war das Erste, was ich hörte, folgendes Zitat aus dem faltigen Mund einer Seniorin: "So haben wir uns den Film nicht vorgestellt: viel zu blutrünstig!" Eine wahre Aussage oder überspitzt?

Brutalität in Film und Fernsehen ist seit jeher Streitthema. Nicht nur hinsichtlich der Altersfreigaben mussten sich Filmfans und Kinogänger oftmals einer höheren Macht beugen und sich mit entschlackten Versionen zufrieden geben. Mittlerweile ist ein richtiges Budget-Thema daraus geworden, denn als Studio achtet man akribisch darauf, einen Streifen mit PG-13 (in Deutschland: FSK 12) in die Lichtspielhäuser zu bringen und R-Rated Filme (in Deutschland: keine Jugendfreigabe), um auch jüngere Kinogänger um ihr Taschengeld zu bringen. Was aus kommerzieller Sicht als logische Rechnung aufgeht, steht dem Missmut von Fans und Cineasten gegenüber. Zuletzt war der Action-Blockbuster Expandables 3 davon betroffen.

Aber ist Brutalität nicht manchmal angebracht oder sogar genau richtig? Vor allem Bibelfilme – um an dieser Stelle auf Exodus: Götter und Könige einzugehen – sollten meiner Meinung nach unbeschönigt dargestellt werden. Vermutlich hatte die im Eingang zitierte Seniorin noch Bilder aus dem Religionsunterricht in der Grundschule vor ihrem geistigen Auge. Dass aber ein ganzes Volk versklavt wurde und deren Kinder brutal abgeschlachtet wurden, was einer Euthanasie gleich kam, ist eine Tatsache. Geschichte wiederholt sich und schon immer wurden Menschen auf Grund ihrer Herkunft getötet. Da macht natürlich auch die Bibel keine Ausnahme, Heilige Schrift oder nicht, und das muss den Menschen klar sein. Mal davon abgesehen, dass der Film nicht auf der Religionsschiene fuhr, passt der brutale Tenor zur Historie per se. Begeistert hat mich vor allem die Tatsache, dass während der Schlacht auch Blut an den Klingen der Krieger klebte. Klingt trivial, bringt aber den Zuschauer auf den Boden der Tatsache zurück: es starb ein Mensch und nicht nur eine Puppe.

Brutalität als Stilmittel

Gewalt und Berserkerei dient aber nicht nur dazu, den Blutdurst der so genannten "Gorehounds" zu stillen, sondern gilt auch als eigenes Stilmittel, das – richtig eingesetzt – eine unfassbare Wirkung entfalten kann. Jeder geneigte Tarantino-Fan weiß, wie wirkungsvoll man dieses Stilmittel einsetzen kann. Dabei geht es nicht um sinnloses Gemetzel zur Belustigung der Zuschauer (was natürlich auch mal sein darf, siehe Peter Jacksons grandioser Braindead), sondern zur Untermauerung bestimmter Szenen und Handlungen einzelner Figuren. Außerdem kann eine gut gesetzte Splatter-Szene einem ganzen Film deutlich mehr Wucht verleihen und ihn sogar aufwerten. Im richtigen Genre sind abgetrennte Köpfe oder blutige Innereien das Salz in der Suppe, das nicht nur die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht erhalten soll. Was Brutalität dennoch nie sein darf, ist verherrlichend. Dazu anzustiften, seinen Mitmenschen Schmerzen zuzufügen ist niemals korrekt. Schon gar nicht dann, wenn sich die Handlung in einem realen Rahmen bewegt – was auch meistens der Grund für die FSK ist, einen Film hoch einzustufen. Oder wieso hat die Alien-Quadrologie eine Freigabe ab 16, Tarantino-Filme aber generell ab 18 Jahren? Deswegen sehe ich Torture-Porn-Filme á la Saw auch kritisch und mit vor allem Unwohlsein. Hier ist der Film auf die Gewalt an sich ausgelegt und dient nicht zur Verdeutlichung ungerechter Missstände.

Brutalität im Fernsehen

Als Mitarbeiter einer Redaktion bekomme ich immer wieder Briefe und Reaktionen zu lesen, die behaupten, dass Fernsehen sei zu brutal. Allen voran sind immer wieder Krimireihen wie Tatort oder SoKo genannt. Ja, ich weiß, das Durchschnittsalter der Autoren der Leserbriefe wird ungefähr 102 Jahre sein, aber sind Menschen in diesem Alter so verklärt, dass ein fast schon obligatorischer Mord in einem Krimi zu brutal ist? Sind wir da als "Jungspunde" etwa durch die Medien abgestumpft? Boulevardzeitungen titeln damit, dass der letzte Tatort so und so viele Leichen zu bieten hatte (was für Pazifisten und Moralapostel ein optimaler Aufhänger ist), im Umkehrschluss sind auf der selben Seite echte Leichen zu sehen, die tatsächlich umgekommen sind und keine fiktiven Figuren waren. Jetzt stellt sich die Frage: Wieso ist der Tatort zu brutal, während uns die Nachrichten manchmal nicht minder Gewaltätiges präsentiert? Ab wann sind wir gegen Gewalt mehr resistent, als andere? Und – für uns Filmfans – sagt der Bodycount etwas über die Qualität des Streifens aus?

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