Blockbusterrecycling - Kino in der Wiederholungsschleife

07.09.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Blockbusterrecycling - Kino in der Wiederholungsschleife
Sony Pictures/Paramount/moviepilot
Blockbusterrecycling - Kino in der Wiederholungsschleife
58
13
US-Filmstudios haben eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Sommerblockbuster, die im Spätsommer nochmals ins Kino gebracht werden, kassieren doppelt. Die Bilanzen freut’s, Filme wie World War Z oder Das ist das Ende machen es vor.

Darf ich vorstellen, der neueste Clou* (*Hirnfurz) aus Hollywood: Spätsommerliches Sommerblockbusterrecycling. Die Idee dahinter: Filme, die im Sommer gut abschnitten, aber einspieltechnisch kurz vor einer wichtigen Marke stehen geblieben sind, nochmals für ein bis zwei Wochen ins Kino zu bringen. Die paar Milliönchen, die dadurch gesammelt werden, machen den Braten zwar nicht fetter, aber zaubert den Buchhaltern und Marketingfritzen dank den schönen, vollen Zahlen ein Lächeln auf die Lippen.

Ein Aufreger der Woche über einen vermeintlichen Dienst am Filmfan, der sich als kosmetischer Bilanzierungstrick entpuppt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Filme World War Z, Star Trek Into Darkness und Das ist das Ende.

Re(cycling)-Release
Beginnen wir mit World War Z, einem der medial meist gebeutelten Filme des Jahres. Zumindest vor Kinostart. Nichtsdestotrotz generierte der 190 Millionen Dollar teure Film allein in den USA 198,8 Mio. $ (weltweit kam er auf stolze 532 Mio.). Nur die 1,2 Milliönchen für die psychologisch wichtige 200er Marke fehlten noch. Also nutzten sie den oben erwähnten Verleihkniff und brachten den Film am Ende der offiziellen Sommerblockbustersaison (dem Labor Day am 1. September) nochmals für eine Woche in die Kinos (via). In Zahlen ausgedrückt: Der Film lief in seiner zehnten Woche noch in 239 Kinos, wurde anschließend aber landesweit um 1008 neue Kopien aufgestockt. Mit Hilfe dieses Boosts generierte der Film an seinem elften Wochenende (und insgesamt 1247 Kopien) nochmals Einnahmen von über 1,2 Millionen Dollar, die er eine Woche später mit der identischen Kopienanzahl sogar auf 1,6 Mio. erhöhte (Quelle). Die Taktik von Paramount Pictures ging somit auf und der Film überquerte die 200 Millionen-Zielgerade mit Leichtigkeit.

Das ist das Ende fehlten noch 3,2 Millionen Dollar bis zur goldenen 100, was Sony Pictures dazu veranlasste, sich ein Beispiel an Paramount zu nehmen. Das Studio kündigte eine Re(cycling)-Release an, der gestern (6. September) erfolgte. Mit geschätzt 2000 Kopien wurde der Film wieder in die Kinos gebracht, nachdem er zuvor nur noch auf 34 US-Leinwänden zu sehen war. Auch Sony dürfte das einen kleinen, aber feinen Geldsegen bringen. Groß genug, die Statistikaufzuhübschen.

Ein Dienst am Kinopublikum?
Natürlich finden die Verantwortlichen für solche zahlenpolierende Verleihstrategien prächtige Umschreibungen wie “Wir sind stolz, den Film zurück in die Kinos zu bringen, für alle, die bislang nicht die Chance hatten, den Film im Kino zu sehen – oder ihn gesehen und lieben gelernt haben und ihn nochmals auf der großen Leinwand erleben möchten” (Rory Bruer, Sony Pictures) oder “Paramount Pictures gibt Kinofans die Chance, zwei unserer Sommerblockbuster nochmals im Kino zu sehen.” (Pressemitteilung, Paramount Pictures)

Ob es ein Dienst am Kinopublikum ist, Blockbuster Wochen oder Monate nach ihrer ursprünglichen Veröffentlichung nochmals in die Kinos zu bringen, zu einem Zeitpunkt, als man gerade anfing, sich von der Schwemme an überzüchteten Big Budget Produktionen zu erholen, bleibt fraglich. Denn umgekehrt betrachtet erfolgten die Re-Releases nur wenige Wochen vor ihren Blu-ray- und DVD-Veröffentlichungen…

Alles eine Frage der Verleihpolitik
Aber warum die ganze Aufregung? Schließlich sind uns solche Praktiken nicht neu. Beispielsweise 3D-Konvertierungen, die wieder ins Kino gebracht werden. Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung durchbrach erst letztes Jahr dank seiner 3D-Konvertierung die 1 Milliarde Dollar Marke und Titanic erreichte ebenfalls 2012 mit seiner Konvertierung als zweiter Film überhaupt die 2 Milliardegrenze (nach Avatar – Aufbruch nach Pandora). Technisch aufgepimpte Klassiker sind uns ebenso vertraut (IMAX-Konvertierung von Jäger des verlorenen Schatzes) wie verlängerte Versionen oder Recuts, die wieder in die Kinos gebracht werden (Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel Directors Cut). Von den diversen anderen Ausreden ganz abgesehen, wie und warum Filme nochmals in die Kinos kommen sollten.

Der nächste Schritt in der Evolutionsleiter der wiederkehrenden Verleihpolitik bestünde wohl darin, nicht bloß den reifen Früchten eine Ehrenrunde zu gönnen, sondern auch den Faulen. Warum nicht auch gescheiterte Blockbuster wie Lone Ranger oder After Earth – Monate nachdem die Negativschlagzeilen längst in die (digitale) Altpapiersammlung wanderten – wieder in die Kinos bringen? Wieder und wieder, bis auch diese annähernd schwarze Zahlen schreiben. Oder es entwickelt sich eine Wiederholungsmentalität wie im Fernsehen. Wenn man die Ausstrahlung um 20.15 Uhr verpasst hat, programmiert man den Recorder eben auf die Wiederholung nach Mitternacht. Wenn ich World War Z im ersten Anlauf nicht schaffe, dann warte ich einfach auf die zweite Kinoauswertung. Dass auf diese Weise auch die letzten Lücken in den ohnehin überfüllten Kinostartlisten gestopft werden und zwangsläufig kleine und mittlere Filme verdrängt werden, muss uns nicht kümmern, denn diese wird es ohnehin nicht mehr lange geben. Wenn die Hollywood-Studios in diesem Sommer etwas gelernt haben, dann dass sie bloß genügend Sommerblockbuster, eingepfercht auf engstem Terminraum, raushauen müssen, damit auch ein Dutzend Blockbusterflops die rekordverdächtigen Jahresgewinne nicht trüben können.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News

Themen: