Eine angenehme Anreise, einen entspannten Tag Ruhe vor dem Sturm, und eine Metropole, die für 10 Tage dem Kinowahn verfallen ist. Was will man mehr? Richtig, endlich selbst Filme sehen! Also streichen wir schnell die Ruhe vor dem Sturm, und schieben direkt den neuen PTA "Phantom Thread" ins Programm. Wenn man schon einmal in der Hauptstadt ist, dann muss man es auch nutzen, dass einem alle Filme im Original serviert werden. Ein gelungener Einstieg.
Mit Isle of Dogs eröffnete Wes Anderson die diesjährige Berlinale, und auch auf meinem Plan stand das neue Werk des Ausnahmeregisseurs an erster Stelle, und Anderson liefert wie immer ab. Leider in gewohnter Manier, sodass sich das Abenteuer des jungen Ataris Kobayashi und den liebevollen Vierbeinern zwar stets unterhaltsam anschauen lässt, und der Detailreichtum wahrlich umwerfend auf den Zuschauer einschlägt, aber eben der ganz große Wurf, sowie der Mut zu kreativen Wandlungen ausbleiben. Das mag nun kritischer klingen als ich es mag, aber obwohl ich Isle of Dogs als einen der besseren Filme Andersons halte, so bleibt der fade Beigeschmack, dass hier deutlich mehr drin gewesen wäre. Der politische Unterton, und der große Einfluss der japanischen Kultur hätten es zumindest angeboten.
Noch am gleichen Abend kam es bereits zum ersten großen Highlights meines Berlin-Urlaubs, denn auf dem Programm stand die Weltpremiere der neuen Restaurierung von Der Himmel über Berlin. Mit dabei: Wim Wenders höchstpersönlich, sowie mehrere Überraschungsgäste, allen voran der Engel Bruno Ganz, sowie niemand geringeres als die Legende Nick Cave. Stolz pries Wenders diese Version des Films als die beste, die je ein Publikum zu Gesicht bekommen hat, dass sie die erste sei, die es vermag, das Original unverfälscht wiederzugeben. Perfekt also, um dieses gigantische Stück Filmgeschichte zum ersten Mal in der namensgebenden Stadt zu erleben. Ein wunderbarer Sog aus fließenden Gedanken, und eine philosophisch meditative Reise über den Dächern, und in den Straßen von Berlin. Das Bild von Wenders und Cave, die nebeneinander den Film bestaunten, und hin und wieder miteinander flüsterten, und alte Erinnerungen auffrischten, hat sich für zukünftige Sichtungen dieses großartigen Films in mein Gedächtnis eingebrannt. Ein magischer Abend, den es so nur auf der Berlinale geben kann.
Den Tag darauf eröffnete die Western-Komödie von David Zellner und Nathan Zellner mit Robert Pattinson und Mia Wasikowska in den Hauptrollen. Eine charmant witzige Irrfahrt durch den wilden Westen, die wunderbar unterhält, doch der es an Feinschliff fehlt. Es kommt kein richtiger Fluss auf, und besonders gegen Ende zündet nicht jeder Einfall der Brüder, weshalb der Film leicht ins Absurde abdriftet, und leichte Längen aufkommen. Dennoch ein kleiner Geheimtipp für den nächsten Western-Abend.
Kurz darauf musste ich dann auch das erste Mal für dieses Jahr in den Berlinale Palast. Die Weltpremiere von Dovlatov galt im Vornherein als mein Highlight des diesjährigen Programms, und auch wenn es der Film nicht schafft, mich komplett abzuholen, so schafft es ein Aleksey German Jr. stets einen Film zu drehen, der sich einzigartig anfühlt. Wir begleiten den Schriftsteller Sergei Dovlatov durch seine alltäglichen Strapazen als kreativer Dichter und Denker, dessen Talente vom Staat nicht geschätzt werden. Seine Frustrationen, sowie die seiner gleichgesinnten Kameraden, fängt German in klaustrophobischen Kamerafahrten ein, sodass man als Zuschauer schnell mitleidet, und sich genauso einen Ausbrauch aus diesem strikten Regime herbei ersehnt. Ein eindringliches Appell an die Notwendigkeit der künstlerischen Freiheit, dass trotz depressiven Grundton nie die notwendige Liebe, sei es familiär oder in der Gemeinschaft der Dichter und Schriftsteller, außer Acht lässt. German beweist hier bravurös sein Fingerspitzengefühl, und es würde mich wundern, wenn er in Zukunft nicht noch ganz großes abliefern wird.
Zum Abschluss des Tage gab es dann noch mit Our Madness einen weiteren besonderen Film über die Odyssee einer Patientin, die aus einer psychiatrischen Klinik ausbricht. Teils genialer Trip, teils aber auch chaotisch. João Viana dreht hier zwar einen sehr persönlichen Film, doch leider verwehrt er oft dem Zuschauer Zugang zu seinen Gedankenwelten, sodass Szenen teilweise wie aus der Luft gegriffen wirken. In seinen besten Momenten ist Our Madness eine atemberaubende Reise in den Kopf einer verstörten Frau, welche das Leid von afrikanischen Sklaven intensiv erfahren lässt. Leider sind diese Momente stark begrenzt, und die Geschichte zu verkopft, um mehr aus diesem Film zu entnehmen. Das vorab angepriesene Q&A mit Cast und Crew blieb ebenfalls aus, da man vor lauter Nervosität von der Bühne flüchtete. Schade, denn Insiderwissen wäre hier spannend gewesen.