Andrzej Wajdas Drama über Massenmord in Katyn: Vergangenheitsbewältigung oder Kitsch?

17.09.2009 - 08:50 Uhr
Die Angehörigen bangen um die Opfer von Katyn
Pandastorm Pictures
Die Angehörigen bangen um die Opfer von Katyn
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Die Geschichte des Massakers von Katyn wurde von Andrzej Wajda nach langem Warten verfilmt. Auf der Berlinale 2009 vorgestellt, lief er wochenlang erfolgreich in Polen. Endlich hat sich auch ein deutscher Verleih gefunden. Höchste Zeit, sich das Thema einmal genauer anzusehen.

Der polnische Historienfilm Das Massaker von Katyn wurde in Polen von bisher 3,7 Millionen Menschen gesehen. Obwohl er im Jahr 2008 auf der Berlinale uraufgeführt und im selben Jahr als Bester Fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert wurde, kennt ihn in Deutschland nach wie vor fast niemand.

Das emotionale Zentrum von Das Massaker von Katyn ist der Massenmord (hier ein Artikel in der Welt zu den Geschehnissen), welcher kurz nach Kriegsausbruch, im April 1940, in den Wäldern Ostpolens nahe Smolensk vom russischen Militär verübt wurde. Die in Kriegsgefangenschaft geratenen Offiziere der polnischen Armee und auch unzählige Zivilisten – namentlich die intellektuelle Elite des Landes – wurden systematisch hingerichtet. Das Schicksal der bis zu 20.000 Opfer blieb lange geheim, wie auch das Verbrechen an sich: Die kommunistische Nachkriegspropaganda lastete das Geschehene der deutschen Wehrmacht an. Bis Gorbatschow im Jahr 1990 die sowjetische Alleinschuld an Katyn eingestand, galt die Wahrheit über den Massenmord als ein sehr schmerzhaftes, aber bestens gehütetetes nationales Geheimnis.

Der polnische Altmeister Andrzej Wajda, dessen Vater wahrscheinlich auch in Katyn umkam, fühlte sich dazu prädestiniert, diesen Film zu drehen. Als ein furchtloser Chronist der polnischen Geschichte brachte er schon mit Werken wie Asche und Diamant, Der Mann aus Marmor oder Der Mann aus Eisen wichtige Zeitzeugnisse polnischer Geschichte in die Kinos. Er verarbeitet in diesem Film ein gesellschaftliches und persönliches Trauma, indem er möglichst viele Aspekte der historischen Geschehnisse porträtiert. Vor allem zeigt er das Schicksal der Offiziersfamilien – der Ehefrauen, Kinder, Geschwister, die nicht wissen, dass der verschollen gewähnte Angehörige schon seit langem per Kopfschuss getötet in den Wäldern um Katyn vergraben liegt. Zudem richtet er den Blick auch auf das Leben in der Okkupation und im Kommunismus, wo die Leute versuchen, zwischen Widerstand und Kollaboration ihr Leben weiterzuführen. Andrzej Wajda zeigt die Choreographie eines Massenmordes in einer 20-minütigen Schlusssequenz genauso gnadenlos wie die zeitliche Erweiterung des Verbrechens: das Leben mit der Lüge über die Täterschaft.

Die emotionale Wirkung, welche dieser Film in Polen entfaltet, ist von außen kaum nachzuvollziehen. Nicht zuletzt die Verpflichtung von bekannten und beliebten polnischen Serienschauspielern unterstützt die emotionale Wirkung des Films. Auch die bisher beispiellose historische Aufarbeitung des Themas fand bei den Kritikern, beispielsweise beim polnischen Internetdienst onet positive Resonanz. Ekkehard Knörer bemängelte jedoch, dass die emotionale Nähe des Machers und die Wucht patriotischer Gefühle dem Film nicht gutgetan haben. Die Bilder wirken auf Wolfgang Höbel vom Spiegel pathetisch, als ob die Protagonisten in jedem Moment wissen, dass sie historischen Ereignissen beiwohnen. Im Übrigen versucht der Film sehr viel, was die taz gerne durch eine stringentere Story ersetzt gesehen hätten.

Die Berliner Zeitung resümiert, dass der Film als historisches Lehrstück über einen wenig bekannten Teil der Geschichte in jedem Fall funktioniert. Über den Rest kann der Zuschauer – wie so oft – streiten. Letztlich wird die Meinung der Kinobesucher – Eure Meinung – entscheiden. Das Massaker von Katyn läuft ab 17. September im Kino. Bei Interesse schaut doch einfach in unser Kinoprogramm.

Schaut euch hier den Trailer zu Katyn an:

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