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99 Homes - Kritik & Analyse

18.04.2016 - 00:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
99 Homes FilmanalyseNoruz Films
Leider erscheint 99 Homes nur auf DVD. Das sei ein Skandal, meint Wolfgang M. Schmitt jun. in seiner Filmanalyse und stellt den Film und das Werk des Regisseurs Ramin Bahrani vor.

Der amerikanische Regisseur Ramin Bahrani gehört zu den wichtigsten Filmemachern der Gegenwart und es ist eine Schande, dass er in Deutschland kaum wahrgenommen wird. Seine ersten drei Filme erhält man in Deutschland noch nicht einmal auf DVD und sein neuer Film, der mit Andrew Garfield und Michael Shannon hochkarätig besetzt ist, wurde zwar auf ein paar Filmfestivals, unter anderem in München, gezeigt und bejubelt, doch hat sich kein Verleih gefunden, der diesen Film in den deutschen Kinos präsentieren wollte. Warum auch? 99 Homes - Stadt ohne Gewissen wäre ja schließlich eine Geschichte, die uns alle angehen würde, da zeigt man doch lieber das hundertste pseudo-emanzipatorische Drama aus einem islamistischen Entwicklungsland, bei dem wir mit altväterlicher bzw. mütterlicher Weisheit und mit wohlwollendem Blick einen Fortschritt beklatschen können, den wir etwa im 18. Jahrhundert mit dem Aufkommen des bürgerlichen Trauerspiels vollzogen haben.

Wir lieben die Ferne, weil uns ein Film wie 99 Homes zu nahe geht – vielleicht sind wir sogar zu stark involviert, weniger als Betroffene denn als Täter. Wer von uns hat schon gegen die moderne Sklaverei, genannt Zeitarbeit, demonstriert? Wer hat nicht klammheimlichen den zynischen Westerwelle-Satz „Leistung muss sich wieder lohnen“ beklatscht? Wer tritt nicht lieber nach unten, um den eigenen Abstieg zu verhindern? Und wen haben wir 1998 nochmal gewählt? 99 Homes zeigt uns jetzt die Auswirkungen eines liberalen Kapitalismus, der hart arbeitende Menschen obdachlos und, was noch schlimmer ist, heimatlos macht. Während wir in der großartigen Wirtschaftskomödie The Big Short in die Hinterzimmer der Mächtigen blicken konnten, zeigt uns Ramin Bahrani – wie in all seinen wunderbaren Filmen – die Betroffenen, doch ohne dabei in eine linksliberale Betroffenheit zu verfallen.

Dieser Film sagt einem nicht: „Helft den Armen!“, „Unterstützt die ‚Tafeln‘!“, sondern ändert das System, denn ansonsten kann man nur kollaborieren oder kapitulieren.

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