1666 – Das "neue Assassin's Creed", auf das wir immer noch warten

26.04.2016 - 10:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
1666: Amsterdam
Patrice Désilets
1666: Amsterdam
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Patrice Désilets hat endlich die Rechte an 1666 – einem Spiel, das dem Game Director zufolge das "neue Assassin's Creed" werden sollte. Doch wieso kam es eigentlich bislang nicht dazu?

Der Assassin's Creed-Macher hat die Rechte am eingestellten 1666 – diese Meldung schob sich heute in die News-Spalten zahlreicher Websites und dürften damit verwunderte Stirnfalten in die Gesichter vieler Spieler gegraben haben. Denn um das Projekt war es lange ziemlich still. Wirklich aufmerksam auf sich machte es zuletzt vor ein paar Jahren, als sein Schöpfer Patrice Désilets verriet, dass es das "nächste Assassin's Creed" werden sollte.

Aber was hinderte den Titel bislang daran, dieses Erbe anzutreten? Und was für ein Spiel hätten wir da wohl in freudiger Erwartung auf unsere Festplatten geschaufelt? Zwar versteckt sich nicht hinter jeder dieser Fragen auch eine Antwort, doch lohnt es sich trotzdem, den Spuren zu folgen, die 1666: Amsterdam hinterlassen hat.

Die Geschichte nimmt mit dem Ende von Désilets Karriere bei Ubisoft ihren Anfang. Nachdem er als Creative Director dabei half, mit Assassin's Creed die wichtigste Serie des Publishers aus dem Quellcode eines Prince of Persia-Ablegers zu stampfen, kehrte er ihm Mitte 2010 den Rücken, um sich kurz darauf THQ zuzuwenden.

Sein Weggang sollte nicht nur in einem Rechtsstreit zwischen Ubisoft und THQ  münden, sondern wurde außerdem von allerlei Gerüchten begleitet. Désilets sei angeblich unglücklich darüber, mit welchem Tempo sein früherer Arbeitgeber neue Ableger der Assassin's Creed-Reihe in die Händlerregale drücken wollte. Sein Freund und Kollege Jean-Francois Boivin beteuerte  hingegen, er genieße lediglich eine kreative Pause, über die er schon lange gesprochen habe.

Assassin's Creed

Désilets selbst beschrieb seinen Ausstieg bei Ubisoft im Oktober 2010  wiederum mit folgenden Worten:

Wie ihr wissen dürftet, habe ich vergangenen Mai die schwere Entscheidung getroffen, Ubisoft nach 13 wundervollen Jahren zu verlassen. Ich habe das Gefühl, dass es für mich an der Zeit war, neue Möglichkeiten zu verfolgen und zudem das Leben außerhalb der Spieleindustrie auszukosten.

Aber er sehne sich schon danach, an neuen Spielen zu arbeiten, "doch aus verschiedenen Gründen und besonders aus Respekt vor denen, die mir meine erste Chance in der Industrie gegeben haben, werde ich bis zum Sommer 2011 keine Projekte in Angriff nehmen." Nun kehre er in seinen "ihm auferlegten kreativen Winterschlaf" zurück und freue sich weiter über die Zeit mit seiner Familie. 2013  wurde jedoch bekannt, dass er sich von Ubisoft abwendete, da er sich vergeblich um mehr kreativen Einfluss bemühte.

So dauerte es etwas, bis Désilets als Leiter des Entwicklerstudios THQ Montreal die Arbeiten an 1666: Amsterdam aufnahm. Wie er in einem Interview mit Gamereactor  ausführte, stand allerdings erst einmal eine andere Aufgabe ganz vorne auf seiner To-do-Liste:

Also, bei der Geschichte von 1666: Amsterdam musst du verstehen, dass ich im Juni 2011 angefangen habe, daran zu arbeiten – als ich zu THQ Montreal dazugestoßen bin. Und ich war allein, wir mussten ein Team aufbauen. Also haben wir in den ersten sechs Monaten versucht, ein Team zu bilden.

Daraufhin habe ein Prototyp des Spiels gefolgt und dann – dann geriet Publisher THQ in immer größere finanzielle Schwierigkeiten und musste letztlich Insolvenz anmelden. Bei der anschließenden Zerschlagung schnappte sich gerade Ubisoft das Studio in Montreal. Damit war auch Désilets plötzlich wieder ein Teil des Konzerns, den er doch verlassen hatte.

Assassin's Creed 2

Wenig überraschend lief das unerwartete Wiedersehen nicht besonders gut. Im Mai 2013  bestätigte der französische Publisher Meldungen, denen zufolge sich Désilets erneut von ihm getrennt habe. Der Assassin's Creed-Macher widersprach der eher nüchternen Darstellung vehement. Er sei gekündigt worden. Und mehr noch: Zwei Security-Mitarbeiter hätten ihn aus dem Gebäude geführt – ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich von seinem Team zu verabschieden oder seine persönlichen Gegenstände mitzunehmen:

Das war nicht meine Entscheidung.

Ubisofts Handeln ist gegenstandslos und ohne rechtliche Grundlage. Ich habe vor, Ubisoft energisch für meine Rechte, mein Team und mein Spiel zu bekämpfen

Einige Tage danach  informierte Ubisoft-CEO Yves Guillemot Investoren darüber, dass 1666 für unbestimmte Zeit auf Eis liege:

Nachdem wir mehr als zwei Monate mit Patrice diskutiert haben, konnten wir unsere Vorstellungen im Hinblick auf die Projektentwicklung und das Team-Management nicht in Einklang bringen. Folglich hat unsere Zusammenarbeit geendet, und wir haben [die Arbeiten an] 1666 für unbestimmte Zeit unterbrochen.

Désilets löste seinerseits Mitte 2013 das Versprechen ein, gegen Ubisoft zu klagen. Er forderte insgesamt 400.000 US-Dollar und das Inkrafttreten einer Vertragsklausel, die ihm erlauben sollte, die Rechte an 1666 zu kaufen – falls das Projekt unter gewissen Bedingungen gecancelt wird. Das dürfte auch Ubisofts Markenschutzantrag erklären, über den wir letzte Woche berichteten .

Ohnehin schien sich der französische Publisher an den vielen Freiheiten zu stoßen, die THQ dem Game Director ursprünglich einräumte. Die von Désilets bei Gericht eingereichten Unterlagen schildern ein Treffen zwischen ihm und Guillemot, bei dem der Konzernchef festgestellt habe, dass Désilets zu großen kreativen Freiraum bekam, und es für Ubisoft daher problematisch werden würde, ihn unter Kontrolle zu halten. Passend dazu bezeichnete der ehemalige THQ-Boss Danny Bilson den Vertrag des Assassin's Creed-Machers gegenüber VG24/7  rückblickend aus Ubisofts Sicht als "unerhört vorteilhaft".

Ich verstehe, dass der Vertrag an Ubisofts Standards gemessen für den Macher um einiges vorteilhafter war, als es Ubisoft – wie ich denke – lieb war.

1666 schien auf ewig in der Schwebe festzuhängen. Aber gestern verkündete Désilets plötzlich freudig via Twitter , dass sich er und Ubisoft endlich einigen konnten:

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Der Game Director zieht seine Klage zurück, im Gegenzug überlasst ihm der Publisher die Rechte an seinem Herzensprojekt. Ungewiss bleibt die konkrete Zukunft von 1666 vorerst trotzdem. In einer Pressemitteilung, die Désilets zitiert, steht:

Ich werde mich nun voll und ganz der Entwicklung von Ancestors: The Humankind Odyssey widmen, meinem kommenden Spiel mit Panache Digital Games.

So weit die Entwicklungsgeschichte, die noch immer darauf wartet, zu Ende geschrieben zu werden.

Assassin's Creed Brotherhood

Entsprechend wenig wissen wir über 1666: Amsterdam. Ein paar Hinweise streute Désilets im bereits erwähnten Gespräch mit Gamereactor aber doch ein. Unter anderem erzählte er davon, wie gerne er Zeit als narratives Werkzeug einsetzt. Da liegt es nahe, dass auch dieses Projekt ein historisches Setting mit einem Twist vor uns ausbreitet. Und die jüngst veröffentlichte Artwork-Ansammlung gibt dem Szenario ja zumindest einen übernatürlichen Anstrich.

Zudem verwies er auf Der Philosoph , ein Werk des Künstlers Rembrandt van Rijn, der in der namensgebenden niederländischen Hauptstadt verstarb. Das Bild diene uns als Clou.

Ich sage mal: Rembrandt hat 1666 noch gelebt und starb 1669.

Ob der Maler vielleicht eine ähnliche Rolle wie Leonardo da Vinci in Assassin's Creed 2  spielt? Deutet die Jahreszahl im Titel womöglich auf den Zweiten Englisch-Niederländischen Seekrieg hin, den die beiden Nationen 1666 ausfechteten? Oder hängt sie mit der Pest zusammen, die damals in Amsterdam  wütete?

Ebenso vielsagend äußerte sich Désilets zum Gameplay. Die Pre-Production, in der es darum ging, die Spielmechaniken festzumachen, sei nicht einfach gewesen, da er weder ein Spiel mit einem akrobatisch veranlagten Schwertkämpfer noch einen Shooter entwickelt habe. Stattdessen habe er etwas anderes versucht, um die Grenzen [des Mediums] zu verschieben.

Wir wissen, wie man eine Figur gestaltet, die verrückte Dinge in einer Menschenmenge anstellt und sich duckt und versteckt – so, wie wir es noch nie konnten. Wir wissen, wie man coole Kamerafahrten einbaut. Wir wissen, wie man Emotionen in den Gesichtern von NPCs erzeugt – in dieser Hinsicht wurde alles schon mal gemacht. Jetzt geht es darum: Ok, was willst du mit all diesen technischen Werkzeugen aussagen?

Bleibt zu hoffen, dass uns Désilets diese Frage nun doch noch mit 1666 beantwortet.

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