Wie Streaming-Dienste DVDs überflüssig machen

31.10.2011 - 08:50 Uhr
Auch Brad Pitt fragt sich: Haben die Silberscheiben ausgedient?
Universum Film
Auch Brad Pitt fragt sich: Haben die Silberscheiben ausgedient?
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In den USA gehen die großen legalen Streaming-Portale in Angriffsstellung. Netflix, Hulu und Amazon heißen die Konkurrenten. Ob ihnen die Zukunft gehört, ist dabei längst nicht sicher.

Vor einer Weile erschütterten massive Verluste an der Börse den DVD-Verleih- und Streaminggiganten Netflix. Doch wenn ihr davon nichts mitbekommen habt, ist das verständlich. Hierzulande warten Filmfans seit Jahren vergeblich auf ein deutsches Netflix. Dabei sind die Turbulenzen des Unternehmens mit über 20 Millionen Abonnenten Ausdruck einer großen Ungewissheit. Das legale Streaming von Filmen und TV-Serien über das Internet scheint die Zukunft zu sein. Doch so richtig weiß niemand, welche Streaming-Formen dauerhaft bezahlbar sind und sich bei den Kunden durchsetzen. Deshalb ist es in diesem ersten Artikel über die Streaming-Problematik an der Zeit, sich verschiedene aktuelle Modelle genauer anzuschauen.

Klassische Mittelsmänner
Bleiben wir bei Netflix. Als Online-Videothek begann das Unternehmen vor ein paar Jahren und verbuchte durch seine große Auswahl und vor allem durch seine Flatrate-Angebote einen extrem schnellen Aufstieg. Konkurrent Blockbuster ging mit seinem Videotheken-System hingegen Pleite. Seit einer Weile bietet Netflix auch Streaming-Flats an. Im Sommer schockierte das Unternehmen seine Kunden mit einem Preisanstieg von 60%. Allerlei fatale Fehlentscheidungen folgten und Netflix büßte an der Börse massiv an Wert ein. Dabei war der Preisanstieg notwendig, um die steigenden Kosten für die Film-Akquise zu stützen. Außerdem wollte Netflix seine Kunden dazu bringen, vermehrt vom DVD-Verleih auf Streaming umzusteigen. Schließlich spart das die immensen Versandkosten. Doch auch hier lehnte ein Großteil der Kunden dankend ab.

Die Netflix-Krise erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem sich andere Streaming-Portale darum bemühen, dem Vorreiter Marktanteile wegzuschnappen. Im Juni 2010 startete Hulu seinen Premiumdienst Hulu+. Auch dieser basiert auf einer Flatrate. Für knapp 8 Dollar im Monat können die Abonnenten aus einer Datenbank mit unzähligen Serien und Filmen wählen. Der Vorteil von Hulu für die Zukunft ist dabei, dass der Service im Gegensatz zu Netflix großen Studios wie Fox, NBCUniversal und Disney nahe steht. Einen Haken gibt es allerdings. Die hohen Kosten für die Rechte an den Filmen und insbesondere an den aktuellen Serien führt dazu, dass es auch bei Hulu+ teilweise Werbeunterbrechungen gibt.

Ein dritter, nicht zu unterschätzender Konkurrent auf dem Markt neben etablierten wie Apple und Google ist Amazon. Bei Amazon Instant Video können die von Streaming-Angeboten nur so gesegneten Amerikaner beispielsweise Iron Man für knapp zehn Dollar herunterladen oder für deutlich weniger digital ausleihen. Amazon Prime-Kunden haben für ihre sowieso schon fällige jährliche Gebühr von 79 Dollar seit ein paar Monaten sogar unbegrenzten Zugriff auf 5000 Filme, Serien und Dokus. Einige technische Einschränkungen mindern den Eindruck. So läuft das Instant Video-Angebot nicht auf der PS3 und die gekauften Videodateien lassen sich nicht brennen und auf DVD-Playern wiedergeben. Unter diesem Gesichtspunkt sind $9.99 für den drei Jahre alten Iron Man kein Schnäppchen.

Do it Yourself
Das ein oder andere Studio führt derweil Feldversuche mit eigenen Streaming-Angeboten durch. Immerhin haben die eigentlichen Produzenten der Filme abgesehen vom Handel mit den Rechten am Gewinn von Netflix und Co. keinen großen Anteil. Vielmehr dürfte der Leih- und Streamingservice eine direkte Konkurrenz zum DVD- und Blu-ray-Verkauf darstellen. Da ist es kein Wunder, dass hier und da Tests unternommen werden, die in Erfahrung bringen sollen, was passiert, wenn Mittelsmänner wie Netflix einfach umgangen werden. Deren Grad an Cleverness variiert allerdings gewaltig.

Beispiel Nr. 1: Zur Veröffentlichung von Transformers 3 auf DVD und Blu-ray bot Paramount den Film direkt auf der eigenen Homepage zum Streaming an. Für 3,99 Dollar hatten die Besucher 48 Stunden Zeit, sich dem Werk von Michael Bay zu widmen. Ein Dollar mehr sorgte für HD-Qualität. Zwar waren auch hier die Gerätschaften für die Wiedergabe arg eingeschränkt, doch der Preis (weniger der Film) macht das Angebot attraktiv.

Beispiel Nr. 2: Universal wählte für seine ersten Streaming-Gehversuche gleich einen aktuellen Kinofilm. Der Plan: Am Tag des Kinostarts von Aushilfsgangster mit Ben Stiller und Eddie Murphy können Nutzer den Film exklusiv online streamen. Und das zum günstigen Preis von 60 Dollar! Kein Kommentar.

Der Ausreißer
Ein Angebot für all jene, die nicht auf ihre Silberscheiben verzichten, aber die Vorteile von Streaming-Angeboten ganz reizend finden, könnte UltraViolet darstellen. Ganz frisch im Oktober gelauncht, ermöglicht es UltraViolet, eine digitale oder analoge Kopie eines Films zu kaufen und auf diesen dann von überall aus Zugriff zu haben. Die “teilnehmenden” Filme sind an einem Logo auf der Hülle zu erkennen. Der Service basiert auf einer Cloud, so dass die eigene DVD-Sammlung auch digital vorliegt. Der erste Film, mit dem dies in den USA getestet wurde, war Kill the Boss. Green Lantern und andere werden folgen. Die Grundidee „einmal besitzen, überall abspielen“ kommt den Studios stärker als Leihservices entgegen, schließlich wird der Kauf der Filme angeregt.

Hier in Deutschland können wir derzeit von UltraViolet und Konsorten nur träumen. Hier heißt es abwarten, bis Services wie Lovefilm oder Maxdome mit ihren Datenbanken überhaupt ansatzweise an das Blockbuster-, Arthouse- und Klassiker-Mischmasch eines Netflix herankommen. Selbst Netflix visiert den europäischen Markt erst einmal via Großbritannien an. Auch in Deutschland nutzbare Alternativen wie Mubi sorgen da nur bedingt für Abhilfe. Während also hierzulande das Rechtegeflecht große Streamingangebote verhindert, wird in den USA darüber entschieden, wie und wo wir in Zukunft Filme schauen.

Könnt ihr euch Streaming-Angebote wie Netflix in eurem Alltag vorstellen?

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