Tierschützer Ric O'Barry über Delfin-Morde in Die Bucht

21.10.2009 - 08:50 Uhr
Ric O´Barry
Drei Freunde
Ric O´Barry
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Der Tierschutz-Aktivist Ric O’Barry berichtet im Interview von seiner Liebe zu Meeressäugern, der Verlogenheit der meisten Tiertrainer und der Delfinjagd in Japan.

Der Mann hinter der geheimen Mission, die Die Bucht dokumentiert, ist der ehemalige Delfintrainer und heutige kämpferische Aktivist Ric O’Barry. Dieser Mann hat es mit Klagen, Gerichtsprozessen, Gefängnis, Überwachung und sonstigen Gefahren aufgenommen, um ein Versprechen einzulösen, das er vor langer Zeit gegeben hat: Delfine aus der Gefangenschaft zu befreien, egal wo und egal welche Anstrengungen dafür notwendig sind. Im Interview berichtet er von diesen Anstrengungen.

Waren Sie überrascht, als Sie hörten, dass Louie einen Dokumentarfilm in Spielfilmlänge über die Geschehnisse in der Bucht drehen wollte?
Ich war schockiert, weil ich dachte, ein Film würde das Ganze zu sehr veranschaulichen. Aber das Unglaubliche daran ist, dass Louie und Fisher Stevens es geschafft haben, großartige Unterhaltung daraus zu machen. Sie haben das wirklich toll gemacht. Die Zuschauer lachen, sie weinen, und dann verlassen sie das Kino und fragen „Was kann ich tun?“. Ich bin begeistert, denn je beliebter und erfolgreicher dieser Film wird, desto unpopulärer wird die Delfinjagd in Japan. Ich glaube wirklich fest daran, dass wir kurz davor sind, die Jagd auf Delfine und möglicherweise alle Waltiere zu beenden.

Sie sprechen im Film darüber, was in Ihnen vorging, als Kathy in Ihren Armen starb. Gab es schon vor diesem Ereignis Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass es ethisch nicht so einfach zu vertreten war, was Sie taten?
Ja, ich machte mir schon während der Dreharbeiten zu Flipper erste Gedanken. Aber ich habe Scheuklappen aufgesetzt, wie man das in unserer Branche nennt. Ich war jung, und ich hatte einen glamourösen Job. Ich fuhr einen Porsche, und alles war ganz einfach. Ihr Tod brach mir aber buchstäblich das Herz. Nach Bimini zu gehen, war auf eine Art sicherlich der Akt eines Verrückten, aber es war auch ein Akt aus tiefster Überzeugung.

Was denken Sie über Delfintrainer, die zu Orten wie Taiji reisen, um Delfine für Shows und Aquarien zu kaufen?
Viele Trainer rechtfertigen das im Sinne der „Forschung und Bildung“. Aber ich glaube einfach nicht, dass diese Menschen nicht wissen was sie tun, wenn sie in der Bucht von Taiji im Wasser stehen und diesen traumatisierten Tieren in die Augen blicken. Ich kann mir vorstellen, warum die Fischer es tun – für sie ist es Tradition, und sie glauben tatsächlich, dass es keinen großen Unterschied zwischen Delfinen und Fischen gibt. Aber die Trainer, mit denen ich noch in Kontakt bin, haben einen Weg gefunden, auf diesem Auge blind zu sein. Sie reden gern darüber, wie es ist, den Delfinen neue Tricks beizubringen. Aber über die Jagd und das Schlachten wollen sie nicht sprechen.

Viele Menschen werden überrascht sein zu hören, dass die Delfinjagd in Japan ganz legal ist. Warum ist das so?
Es gibt ein internationales Verbot, Wale kommerziell zu töten. Dieses Verbot gilt aber nicht für Kleinwale und somit nicht für die Jagd auf Delfine. Natürlich spielt die Größe eigentlich keine Rolle – Delfine sind Wale, und sie leiden wie Wale. Unglücklicherweise verschläft dies die Internationale Walfangkommission, und wie sie auch im Film sehen, befindet sie sich unter dem Einfluss korrupter Juristen und Politiker. Auf diese Weise kommt bei ihren Konferenzen sehr wenig zustande.

Sie machen – jenseits aller ethischen Bedenken – auch darauf aufmerksam, dass Delfinfleisch ein ernsthaftes Gesundheitsproblem darstellt. In Japan ist es immer noch im Handel, obwohl es schwer mit Quecksilber verseucht ist.
Wir wissen mittlerweile, dass Delfinfleisch eigentlich Gift ist. Es enthält mehr Quecksilber als der Fisch, der in der japanischen Stadt Minamata zur Erkrankung vieler Menschen geführt hat – eine der in dieser Angelegenheit schlimmsten Vorfälle der jüngeren Geschichte. Dennoch weiß die japanische Bevölkerung nichts von dieser Gefahr. Ich hoffe sehr, dass dieser Film schafft, worin japanische Zeitungen und Fernsehsender bisher versagt haben: Ans Licht zu bringen, dass die japanische Bevölkerung seit Jahren belogen wurde. Die Japaner haben ein Recht auf diese Information. Es gibt zwar aus Japan noch keine medizinischen Studien über die Auswirkungen des Verzehrs von quecksilberverseuchtem Delfinfleisch. Wir haben jedoch Menschen getroffen, die angaben, ihr Gedächtnis oder ihr Gehör verloren zu haben. Das ist sehr beunruhigend.

Was muss passieren, damit die Delfinjagd beendet wird?
Zunächst einmal ist die Delfinarienindustrie allein in den USA ein Zwei-Milliarden-Dollar- Geschäft. Die Verbindung zwischen Delfinfang für Delfinarien und den Treibjagden ist der Hauptgrund für diese brutale Praktik. Die Lösung ist aber auch in Japan selbst zu suchen, in der Bevölkerung. Mir wurde gesagt, dass Druck von Außen – „gaiatsu“, wie die Japaner es nennen – helfen kann.

Welche Art von „gaiatsu” könnte helfen?
Kein guter Gedanke ist es, Japan oder japanische Waren zu boykottieren. Hier geht es nicht um Japan oder die japanische Kultur. Die Mehrheit der Japaner, mit denen wir gesprochen haben, ist gegen den Delfinfang und hat noch nie von der Korruption gehört, die dafür verantwortlich ist, dass immer noch quecksilberverseuchtes Delfinfleisch verkauft wird. Auf unserer Website www.SaveJapanDolphins.org rufen wir dazu auf, die japanische Botschaft zu kontaktieren und einen Stopp der Delfinjagd zu verlangen. Wir denken auch, dass die USA, insbesondere Präsident Obama, den Druck auf die Japaner erhöhen kann. Seit Nixon behaupten alle US-Präsidenten gegen den Walfang zu sein, getan haben sie aber nichts dagegen. Sie haben den Status Quo einfach aufrecht erhalten. Die meisten Politiker in unserem Land wissen nicht, dass sich das größte Blutbad an Delfinen jedes Jahr in Japan wiederholt. Daher haben wir die Hoffnung, dass dieser Film sie nun wachrüttelt.

Macht der Film eine Rückkehr nach Taiji für Sie nicht noch riskanter?
Gefährlicher als jetzt kann es nicht mehr werden. Ich kann die Stadt nur verkleidet betreten. Ich habe sogar schon einmal ein Kleid, Perücke und Lippenstift getragen, um sie auf die falsche Fährte zu locken. Wenn man in Japan erst einmal verhaftet wurde, ist man für immer aus dem Spiel. Daher ist es sehr wichtig, dass sie keinen Grund finden, mich zu verhaften. Aus diesem Grund sind die Fischer auch die ganze Zeit mit der Kamera hinter uns her, wie man im Film sieht. Sie hoffen auf diese Weise etwas zu filmen, was der Polizei Anlass für eine Verhaftung geben könnte. Eine noch größere Gefahr ist allerdings die Yakuza, die in Japan ihre Finger bei Wal- und Fischfang im Spiel hat. Ich habe in Taiji viel Zeit damit verbracht, mir Ärger vom Leib zu halten. Es ist ein richtiges Spion-gegen-Spion-Spiel, das dort vor sich geht.

Nach allem, was Sie in ihrem Kampf für die Delfine durchgemacht haben – Gefängnis, lebensgefährliche Situationen: Sind Sie immer noch zuversichtlich?
Ich kann Ihnen sagen, es fällt mir wirklich schwer, Die Bucht anzusehen. Und zwar nicht wegen dem, was die Zuschauer sehen, sondern wegen dem, was sie nicht sehen. All die Geburten, Tode, Gefängniszellen, Gerichtssäle – all das, was zwischen den Szenen passiert, die man dort auf der Leinwand sieht. Aber für mich hätte es nichts Aufregenderes geben können, als in Sundance acht Mal stehende Ovationen zu bekommen, und die Menschen buchstäblich aufspringen zu sehen und fragen zu hören „Was können wir tun?“. Das Wichtigste ist, dass es wirklich Licht am Ende des Tunnels gibt. Ich denke, die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir mit dieser Bucht ein Ende machen. Und wenn wir das schaffen, ist es ein großer Schritt in Richtung Verbot des gesamten Walfangs. Wenn Menschen helfen wollen, sollen Sie bitte auf www.SaveJapanDolphins.org gehen.

Mit Material von drei-freunde Filmverleih.

Die Bucht läuft am 22.10.09 in den deutschen Kinos an.

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