Seriencamp - So war das erste Münchener Serienfestival

20.10.2015 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Das SERIENCAMP in München
Laura Mae Cuntze
Das SERIENCAMP in München
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Letzte Woche fand in München das erste Seriencamp statt. Das internationale Festival für Serien und TV-Kultur präsentierte kostenlose Vorführungen von Serien aus der ganzen Welt. Was es dort noch so zu entdecken gab, könnt ihr hier nachlesen.

Es ist ein trüber und regnerischer Herbsttag in München. Vor dem Eingang der Hochschule für Fernsehen und Film in München ist am Samstagmorgen zwar weit und breit noch keine Horde von Serien-Liebhabern zu sehen, dafür sorgt eine Schar streitender Krähen für Gänsehaut-Stimmung. Genau die richtige Atmosphäre für die Deutschlandpremiere der 9. Staffel von Doctor Who, die ich mir für meinen Serienfestival-Auftakt ausgesucht habe.

Fernsehserien gewinnen international und auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Was die Festival-Kultur angeht, fristeten sie allerdings lange ein Nischendasein. Das scheint sich in letzter Zeit zu ändern. Neben dem internationalen Film- und Fernsehfestival in Köln, der Cologne Conference , hat es im vergangen Jahr auch auf der Berlinale  Serien-Weltpremieren gegeben. Am Wochenende fand nun im München zum ersten Mal das Seriencamp  statt, ein internationales Festival für Serien und TV-Kultur, das Episoden zu Serien aus den verschiedensten Genres und Ländern zeigte. Ob Zombie-Horror mit The Walking Dead, skandinavisches Drama mit Jordskott, deutscher Webspaß von Christian Ulmen mit Mann/Frau oder Cartoonserien wie Rick and Morty, eigentlich war für jeden Geschmack etwas dabei.

Genial - Binge Watching in Kinosesseln

Nachdem ich mir also zwei Episoden Doctor Who einverleibt und vergeblich versucht hatte, die Security davon zu überzeugen, mich auf dem Nachbau des Königssessels aus der HBO-Serie Game of Thrones Platz nehmen zu lassen, besuchte ich als nächstes ein Panel zum Thema Webserien. Wie können Webserien in Zukunft mehr Aufmerksamkeit bekommen? Was ist überhaupt Binge Watching? Wie wichtig sind die Soundtracks einer Serie für die Publikumsbindung? Diese und viele andere Fragen wurden in den verschiedenen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Fragerunden thematisiert. Die Veranstalter haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem Austausch über Serien auch außerhalb von Internetforen eine Plattform zu geben und den Dialog zwischen Serienmachern und Publikum zu beflügeln. Zwar waren die Panels durchweg interessant und unterhaltsam, der Austausch fand jedoch hauptsächlich zwischen verschiedenen Akteuren der Branche statt, nämlich Studierenden, Journalisten und Serienmachern. Ich bekam zumindest das Gefühl, dass das Festival diesmal noch nicht sehr viele gänzlich private Serienfans anlocken konnte.

Hat das Seriencamp eine Zukunft?

Festivalleiter Malko Solf erzählte mir, dass die Idee für ein internationales Serienfestival schon vor einigen Jahren entstanden sei und er sich immer gewundert habe, warum noch niemand ein reines Serienfestival in Deutschland mache. Als er dann auf die Suche nach Sponsoren gegangen sei, habe er offene Türen eingerannt. Neben der HFF ist Sky Deutschland der wichtigste Partner des Festivals. Auf die Kritik der Kommerzialität und Werbelastigkeit des Festivals antwortete Solf augenzwinkernd, dass es sich doch um eine charmante Form von Werbung handele. Die Vorbereitung des Festivals dauerte laut Solf rund ein Jahr. Allerdings sei es wegen der relativ geringen Anzahl helfender Hände vor allem in den letzten Monaten extrem stressig geworden. Trotzdem solle es eine zweite "Staffel" des Seriencamps geben, sofern in Zukunft weitere Sponsoren gefunden werden können. Bisher sei die Rückmeldung durchweg positiv gewesen. Ob die Screenings im nächsten Jahr wieder kostenlos sein werden, ist ungewiss. Das Problem mit den Gratis-Karten, so Solf, sei die Unverbindlichkeit. Zwar seien viele Vorstellungen ausgebucht gewesen, aber viele Leute hätten ihre Karten dann nicht abgeholt.

Highlights auf dem Serienfestival

Zum Schluss verriet Malko Solf mir noch, was sein persönliches Highlight des Festivals ist: der Fokus Israel. Die beiden israelischen Serien Fauda, was sich mit "Chaos" übersetzen lässt, und Betoolot, zu Deutsch: "Sirenen", thematisieren auf fiktionale Weise die Gewalt des Nahostkonfliktes. Dass es Sinn macht, den israelischen Serienmarkt im Auge zu behalten, sieht man schon an der US-Thrillerserie Homeland. Diese ist nämlich eine Neuauflage der isralischen TV-Serie Hatufim. Ob Fauda und Betoolot jemals in Deutschland zu sehen sein werden, ist unklar. Aber genau hier könnte in Zukunft ein großer Gewinn deutscher Fernsehfestivals liegen: Nicht nur Previews und Premieren sind für Serienfans interessant, sondern auch vielversprechende ausländische Produktionen, die hierzulande vielleicht niemals auf der Mattscheibe landen. Mein eigenes persönliches Highlight war die Weltpremiere der neuen Staffel von Der Tatortreiniger. Im Fernsehen läuft die 5. Staffel der NDR-Serie voraussichtlich Ende des Jahres, beim Seriencamp durften aber schon die ersten drei Folgen vor der Erstausstrahlung gezeigt werden. Und das war wirklich ein Erlebnis. Denn, wo ich vorher nur mit ein paar Freunden kichernd vorm Fernseher gesessen habe, saß ich nun in einem prall gefüllten Kinosaal, umgeben von begeisterten Bjarne Mädel-Fans.

Bilanz des ersten Seriencamps in München

Sollte ich meinen Eindruck des internationalen Festivals für Serien und TV-Kultur in einem Wort zusammenfassen, wäre das "Optimismus". Optimismus gegenüber der Zukunft des Festivals und gegenüber der Situation von Fernsehserien allgemein. Die Panels waren von der Freude über die steigenden Bedeutung von Qualitätsserien und der Hoffnung für die Möglichkeiten neuer Erzählformen, wie der Webserie, beseelt. Aber auch die Einstellung gegenüber Serien aus Deutschland scheint sich im Angesicht des Mutes von Produktionen wie Weinberg und Der Tatortreiniger langsam zu verbessern.

Wart ihr schon mal auf einem Festival nur für TV-Serien? Was haltet ihr von der Idee?

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