Als The Dark Knight vor zehn Jahren in die Kinos kam, sollte Christopher Nolans Comic-Blockbuster nicht nur das modernde Superhelden-Kino für immer verändern, sondern ebenfalls die vier riesigen Buchstaben IMAX einer breiteren Masse an Kinozuschauern vorstellen. Die größtmöglichen Bilder ("Images MAXimum") existierten zwar schon lange, wurden jedoch überwiegend im Kontext von Tierfilmen und Naturdokumentationen wahrgenommen. Wer faszinierende Unterwasserwelten in bestmöglicher Qualität im Kino sehen wollte, hat sich sicherlich schon einmal in einem IMAX-Saal wiedergefunden. The Dark Knight schrieb mit seinen aufwendigen IMAX-Szenen in einem Hollywood-Film ein kleines Stück Filmgeschichte, wenngleich den Wettlauf um die nächste Kino-Sensation schlussendlich die durch Avatar - Aufbruch nach Pandora salonfähig gewordene 3D-Technologie gewann. Aufbruch zum Mond beweist dennoch, wie viel - mitunter ungenutztes - Potential in den überlebensgroßen IMAX-Bildern steckt.
IMAX-Filme sind nicht gleich in IMAX-Kinos gezeigte Filme
Zuerst wäre jedoch die Frage, was überhaupt ein IMAX-Film ist. Selbst wenn gerne mit IMAX-Postern der Start in einem entsprechenden Lichtspielhaus beworben wird, existiert immer noch ein großer Unterschied zwischen Filmen, die wirklich mit IMAX-Kameras gedreht wurden, und jenen, die lediglich in einer für IMAX-Kinos nachträglich optimierten Version gezeigt werden. In den meisten Fällen ist letzteres der Fall, wie ein Blick auf die Liste der echten IMAX-Filme enthüllt, von denen ein Großteil wiederum nur mit einzelnen Szenen aufwartet, die im entsprechenden Format gedreht wurden. Prominente Beispiele wären die Eröffnungssequenz von The Dark Knight oder der erste Flug mit dem Millennium Falcon in Star Wars 7: Das Erwachen der Macht. In den vergangenen zehn Jahren wurde vor allem dann in den aufwendigen wie kostspieligen Dreh mit IMAX-Kameras investiert, wenn es darum ging, das Spektakel in seiner ganzen Pracht einzufangen und ein besonderes Gefühl für die Größe des filmischen Raums zu schaffen.
Diese Tendenz ist bei Damien Chazelle ebenfalls zu erkennen, immerhin hebt er sich die IMAX-Bilder für die wohl spektakulärste Szene seines Films auf. Ohne den Vorlauf wäre der alles verändernde Augenblick im Finale jedoch keinesfalls möglich. Aufbruch zum Mond arbeitet zwei Stunden lang auf eine Änderung der Perspektive hin, genauso wie Neil Armstrong (Ryan Gosling), der über den gesamten Verlauf des Films hinweg nach einem neuen Blickwinkel sucht und diesen schließlich am einsamsten Ort des Universums findet. Zuvor gestaltet sich Aufbruch zum Mond jedoch als intimes Drama, das sich mit den stillen, den kräftezehrenden Facetten einer Reise beschäftigt, die am Ende als eines der bedeutendsten Ereignissen in die Geschichte der Menschheit eingehen sollte. Der Weg dorthin war jedoch ein langer, ein steiniger, der von Damien Chazelle mit 16-mm-Aufnahmen illustriert wird, die nicht nur Nostalgie und Retro-Charme versprühen, sondern vor allem von Zerbrechlichkeit und Ungewissheit zeugen.
Wie Aufbruch zum Mond die Kraft von IMAX-Bildern nutzt
Bereits in der ersten Szene des Films sehen wir Neil Armstrong, der bei einem Testflug, eingeengt in die klapprige Hülle einer X-15, die nebelige Wolkendecke durchbricht und schließlich die Atmosphäre verlässt. Warnsignale und ein ständiges Vibrieren begleiten den nervenaufreibenden Prolog, der uns kein ruhiges Bild beschert, sondern lediglich Bruchstücke eines kompletten Bildes erahnen lässt und damit den perfekten Einblick in das zerrissene Innenleben des zukünftigen Astronauten gewährt. Der Verlust seiner Tochter Karen verfolgt jenen Mann, der später einen großen Schritt für die Menschheit vollbringen soll, aber insgeheim noch einen viel größeren für sich selbst. Bevor es jedoch so weit ist, kämpft er nicht nur damit, seine X-15 zu stabilisieren, sondern auch sein eigenes Leben. Immer weiter zieht er sich zurück und wandelt als Fremder durch die Welt, ohne je den Perspektivenwechsel zu finden, den er sich erhofft. Nur der Mond scheint als ultimativer Ausweg auch der einzige Weg zurück zu dem Menschen zu sein, die er liebt.
Natürlich dramatisiert Damien Chazelle sein Biopic, sodass die erste Mondlandung in mehrerlei Hinsicht als Höhepunkt des Films fungiert. Diese Freiheiten seien ihm jedoch gegönnt, da das filmische Konzept dahinter hervorragend aufgeht und schließlich im phänomenalen Wechsel zum IMAX-Format seine Krönung findet. Nach all den Sorgen, den Schmerzen und dem Verlust, stabilisiert sich Aufbruch zum Mond als Film selbst, indem er die streckenweise verwackelten 16-mm-Aufnahmen gegen statische IMAX-70-mm-Bilder tauscht, sobald sich die Klappe der Mondlandefähre öffnet und die in einem silbernen Licht strahlende Mondoberfläche offenbart. Als würde uns der Druckwechsel sprichwörtlich auf das graue Gestein schleudern, reißt die Leinwand auf und zeigt uns auf maximaler Fläche etwas Fremdes und trotzdem unheimlich Vertrautes. Vergessen ist das raue Filmkorn. Stattdessen überwältigen kristallklare Bilder, die die Kälte des Weltraums erahnen und für einen Moment die Zeit stillstehen lassen. Dann hat Neil Armstrong wortwörtlich seine neue Perspektive und das IMAX-Kino ein weiteres packendes Aushängeschild gefunden.
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