Verboten schöne Liebe und verboten schlechte Titel

06.08.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Universal International/moviepilot
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Und noch ein Skandal - dieses Mal aus einer Zeit, als der Teufel noch eine Frau war, Jugendliche zwar in den Krieg, jedoch nicht in die Liebe ziehen durften - und die Übersetzungen deutscher Filmtitel fast noch schlimmer war als heute.

Jeden Samstag stellen wir euch einen Kommentar vor, zum Beispiel zu Filmen die ehemals die Gemüter bewegten, früher schockierten und euch auch heute noch begeistern - und wenn diese Filme (oder Serien, Personen, News oder Gästebücher) dann auch noch einen brandneu aufscheinenden, oder seit Jahren als heimliche Perle vor sich hin schimmernden, ebenso begeisterungswürdigen Kommentar aufweisen - dann ist das ein Kommentar der Woche!

Der Kommentar der Woche
Viele Skandale von früher heben heute nicht mal mehr eine Augenbraue - den Filmen, die sie verursacht haben, tut dies jedoch keinen Abbruch, wie FilmFan92 mit Teufel im Leib beweist.

"Stürmische Jugend" - ein weiteres Beispiel dafür, dass die Deutschen keine eigenen Filmtitel vergeben sollten. Aber egal.

Anfang der 1920er Jahre schrieb Raymond Radiguet einen (scheinbar) teils autobiographischen Roman, in dem sich ein Minderjähriger, verkörpert von Gérard Philipe, in die ältere Krankenschwester Marthe, gespielt von Micheline Presle, verliebt. Kurze Zeit später starb Raymond Radiguet, in Vergessenheit geriet er nicht, da der Roman seinerzeit (und die Verfilmung mehr als 20 Jahre später ebenfalls) einen Skandal auslöste. Eine Beleidigung der tapferen Soldaten, die an der Front standen und für ihr Heimatland kämpften, ließen viele Stimmen verlauten. Eine Unsitte, dass ein Minderjähriger (wohlgemerkt, der Altersunterschied der Darsteller betrug lediglich vier Monate) von einer erwachsenen Frau verführt wird.

Naja, Zeiten ändern sich und der "Skandal", den dieser Film ausgelöst hat, ist nur noch auf dem Papier (oder in dem Falle, im Internet) nachzulesen. Ansonsten ist "Teufel im Leib" erstaunlich gut gealtert. Die romantische Beziehung ist dank der starken Hauptdarsteller, zwischen denen eine äußerst stimmige Chemie entsteht, und der teils überzogenen, stürmischen Liebe für einander (Eifersucht, Tränen und unbeantwortete Liebesgeständnisse inklusive) greifbar und lebendig, wenn auch nicht immer zu 100% schlüssig. So bleibt die Frage, wieso Francois an der Anlegestelle nur aus der Ferne beobachtet, anstatt seiner großen Liebe ebendiese Gefühle zu gestehen.
Auch einige Eifersuchtsanfälle (auf beiden Seiten) kommen und enden zu plötzlich, aber das ist möglicherweise der Romanvorlage geschuldet, welche ich leider nicht gelesen habe.
Wirklich schaden, tut das dem Film aber nicht, denn im Großen und Ganzen ist "Teufel im Leib" eine schöne Liebesgeschichte.

Das Setting des 1. Weltkrieges bildet zudem einen interessanten Kontrast zur "wundervollen Liebe" der Beiden. So wird gejubelt, getanzt und getrunken, wenn ein Waffenstillstand ausgemacht wurde. Der Glaube an das baldige Ende des Krieges sorgt für Euphorie und lachende Gesichter, während Francois und Marthe in der jubelnden Menge in Trauer versinken, wohlwissend, dass das Ende des Krieges, das Ende ihrer Liebesbeziehung bedeutet.

Technisch weiß der Film ebenfalls zu überzeugen, so ist schon der erste Szenenwechsel, mit Hilfe eines Spiegels und Silhouetten, bravourös.
Der zweimal (exakt gleiche?) verwendete Kameraschwenk (das erste Mal während der Sexszene), der um das ganze Bett herum verläuft und am Ende das Kaminfeuer einfängt, welches dann langsam abbrennt, bis es schließlich völlig aus ist, weiß zu begeistern. Warum diese Sexszene allerdings verrucht sein soll und zur hohen Altersfreigabe des Filmes führte, kann ich nicht sagen. Möglicherweise hat Arte eine geschnittene Fassung des Films gezeigt?

Wie dem auch sei. "Teufel im Leib" ist romantisches Kino, allerdings nicht zum Wohlfühlen. Auch wenn anfangs leichte, charmante Kost geboten wird, entwickelt sich der Film immer mehr zum Dramatischen, bis der traurige Schlusspunkt gesetzt wird. Nicht mehr so skandalträchtig wie früher, aber kaum merklich gealtert und ein perfektes Beispiel für die großartige Kinokunst der Franzosen.
Chapeau!

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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