Tatort: Kälter als der Tod - Ein deftiger Einstand

17.05.2015 - 20:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Kälter als der Tod
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Tatort: Kälter als der Tod
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Deftig geht es zu in Frankfurt, so deftig, dass das neue Team um Margarita Broich und Wolfram Koch dagegen fast ein bisschen langweilig wirkt. Aber das kommt dem Tatort entgegen.

Ein Fassbinder-Verweis im Titel, Riefenstahl auf dem Chefsessel: Nach dem furiosen Zitategewitter Tatort: Im Schmerz geboren glänzen Drehbuchautor Michael Proehl und Regisseur Florian Schwarz auch in ihrem neuen Krimi Tatort: Kälter als der Tod mit Filmreferenzen. Trotzdem kann der erste Fall des neuen Duos aus Frankfurt nicht als zweiter Aufguss eines besseren Films abgetan werden. Das sollte er auch nicht. Selbst Murot, dessen einzige Tatort-Konstante die Unvorhersehbarkeit bleibt, wurde durch den vergleichsweise zurückgenommenen Tatort: Wie einst Lilly eingeführt, bevor der filmische Spieltrieb die Oberhand gewann. Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) haben nun keinen Tumor im Kopf und sind auch sonst eher unspektakuläre Krimigesellen. Proehl und Schwarz gelingt mit ihnen die notwendige Gratwanderung: Zwischen der Bekanntmachung der neuen Kollegen und der Kostprobe ihrer kommenden Einsätze.

Tatort: Kälter als der Tod

Nun heißt ein guter Tatort - und Kälter als der Tod ist mit Abstrichen ein ziemlich guter Tatort - nicht, dass hier ein mehrere Filme langes formales Krimifeuerwerk auf uns zukommt. Die nächsten beiden Fälle werden von Sebastian Marka und Hermine Huntgeburth inszeniert, sie könnten und sollten vielleicht in eine vollkommen andere Richtung gehen. Klar scheint mit Blick auf das Personal hinter den Kulissen jedenfalls, dass Janneke und Brix die Fälle übergreifende Handschrift eines Lars Kraume oder Niki Stein erst einmal verwehrt bleiben wird. Kraume hatte bei allen Krimis mit dem Duo Steier (Joachim Król) und Mey (Nina Kunzendorf) mindestens das Drehbuch verfasst und Stein nahm bei den ersten Einsätzen von Sänger (Andrea Sawatzki) und Dellwo (Jörg Schüttauf) eine ähnliche Rolle ein.

Anders als die Veteranen aus Frankfurt werden Janneke und Brix in ihrem ersten gemeinsamen Tatort indessen nicht über ihre Gegensätze definiert. Stattdessen testet der Chef (der tolle Roeland Wiesnekker mit einem schrecklichen, nur für einen billigen Gag taugenden Rollennamen) erstmal ihre Teamfähigkeit und siehe da: Weder Konkurrenz noch Misstrauen, beide stehen füreinander ein, ob mit Pizza oder ohne. In Tatort: Kälter als der Tod bilden die beiden Neulinge nämlich das ruhige Auge eines Sturms aus Betrug, Gier, Inzest und allerhand anderen "dunklen Abgründen der Menschen". Am Beginn stehen eine ermordete Familie und ein Bild an der Wand. Eine Todesanzeige nebst Bauernhof wird uns gezeigt, dann ein Fuß, der reglos aus einem Schrank hervorlukt. Wie in Tatort: Im Schmerz geboren drängt sich die Vergangenheit in diesem Krimi mit Gewalt auf, nur diesmal in einer spontanen Eruption, ohne Kalkül.

Mit der eiskalten Schwester der toten Mutter, ihrem sexsüchtigen Ehemann, einem cinephilen Stalker-Postboten und einem dementen Nachbar mit Verbaldurchfall staffiert Autor Proehl seinen Krimi aus. Dazu gesellt sich die Überlebende Miranda Kador (Emily Cox), ihr Name so geheimnisvoll wie ihre Herkunft. Sie bildet für Janneke und Brix nach und nach eine Brücke in die Vergangenheit, wenn die Kommissare plötzlich durch die Rückblenden spazieren. Ein Gimmick ist das, genau wie die eingeblendeten SMS, aber einer, der das übliche Verhör-Schema auflockert. Dermaßen deftig fällt das Figurenkabinett insgesamt aus, dass es gut und gern einer frühen Derrick-Folge entflohen sein könnte. Mit dem kleinen Zeh steht dieser Krimi in den 70ern, wenn ihm auch - trotz Zooms, trotz Split-Screen, trotz blutroter Entladung im Finale - die letzte Radikalität abgeht. Das Schöne an diesem Tatort und seinem neuen Team ist, dass Janneke und Brix harmonisch und zielorientiert zusammenarbeiten, dass sie Tricks in der Hinterhand haben und all das, aber schlussendlich viel davon ins Leere geht. So einfach darf man es den Neuen dann doch nicht machen.

Mord des Sonntags: "Glaub mir, die letzten 12 Jahre bist du die große Liebe meines Lebens geworden."

Zitat des Sonntags: "Ich will aber nicht, dass das Schöne von uns so nahe am Tod liegt."

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