Der erste Krimi der Erfurter Tatort-Kommissare war eine mittlere Katastrophe, der zweite verleitet zu wenig mehr als einem gelangweilten Schulterzucken. Tatort: Der Maulwurf wartet mit einigen fähigen Charakterdarstellern wie Oliver Stokowski, Franziska Petri und Christian Redl auf, nur um diese für die vollkommen uninteressanten Ermittler beiseite zu drängen. Aber selbst wenn sich Charismabomben durchs Drehbuch palavern würden, auch sie würden mit einer Ansammlung von W-Fragen abgespeist, unterbrochen von einem gelegentlich angedeuteten, sogleich im kreativen Sauerstoffmangel erstickten Konflikt.
Im großen Finale werden Streicher aufgeboten, da schwillt das Drama auf der Tonspur an, als würden hier tragische Schicksale zum unvermeidlichen Endkampf aufeinander treffen. Für ein paar Minuten fühlt man sich in einem anderen Film über Gier, die aufrechte Menschen zerfrisst, und Rachegelüste, die es ihr gleichtun. Für kurze Zeit. Denn immer wenn sich hier ein Film zu entfalten versucht, ein frei atmender sozusagen, der seine Wendungen aus sich selbst heraus entwickelt, ja sogar Atmosphäre aufbaut, immer dann stürzt einer dieser Kommissare ins Zimmer und fragt Fragen, weil Fragen fragen alles scheint, was ihm im Innersten zusammenhält. Dabei ist die Jugendlichkeit von Funck (Friedrich Mücke), Schaffert (Benjamin Kramme) und Grewel (Alina Levshin) gar nicht das grundlegende Problem des Erfurter Tatorts, mögen die Kritiker auch noch so gern über "Milchgesichter" herziehen, was die Ansammlung altgedienter Darsteller in den Nebenrollen regelrecht herausfordert. Auch die Jahre auf dem Buckel schützen vor Fadheit nicht, woran uns jeder Stunden-Ausflug nach Konstanz gemahnt.
Die Geschichte rund um einen Knacki, der bei einer Beerdigung ausbüchst, und einen entehrten Ex-Cop, der seine Unschuld mit dem denkbar ungeeignetsten Mittel beweisen will, findet sich in jedem Krimi-Baukasten und das ist kein Vorwurf. Der gewissenlose Lemke (Werner Daehn), seine unterkühlt-mysteriöse Femme fatale mit dem unglamourösen Namen Schuricke (Petri), der verzweifelte Konzack (Stokowski) und der Mentor schlechthin (Redl) - alles verlässliches Figurenmaterial eines kurzweiligen Krimiabends. Auch so ein Ensemble braucht Kitt, braucht Kommissare, die an Türen klingeln und Flüchtenden hinterherrennen. Genau hier finden sich in Tatort: Der Maulwurf stets nur Leerstellen, an denen die Rädchen des Plots frei liegen. Da hält der Kommissar eine Rede über das Befolgen von Befehlen, geht aus dem Raum, kommt zurück und widersetzt sich diesen. Reihen sich Sätze wie "Also dann ist sie jetzt entführt worden?" und "Was hat er mit ihr vor?" im Sekundentakt aneinander, bis der letzte Tropfen Natürlichkeit aus den Dialogen gewrungen wurde.
Begleitet uns eine Binsenweisheit wie "Wir alle machen Fehler. Wichtig ist, daraus zu lernen" in den Abspann, passt das ganz hervorragend zum nichtssagenden Grundkonzept des Erfurter Tatorts. Den jungen Hauptdarstellern ist angesichts ihrer charakterlich nicht einmal verkrüppelten, weil in den Ansätzen zu wenig entwickelten Figuren kaum die Verantwortung zuzuschieben. Wenn sich Mückes Funck nicht gerade charakterlich inkonsistent verhält, darf er sich mit einen Nachbarsflirt über die Laufzeit retten. Trostloser sieht es mit Kumpel-Cop Schaffert aus, der dem Vernehmen nach zu viel redet, aber jedes drehbuchtechnische Lebenszeichen vermissen lässt. Tatsächlich kommt Levshins dankbarerweise vom Prakti-Status befreiter Kommissarin Grewel die beste Ermittler-Szene dieses Tatorts zu, wenn sie einen albanischen Häftling mit Zigaretten und dürftigen Sprachkenntnissen zum Plaudern verleitet. Fast so etwas wie ein Eigenleben erahnt man da.
Mord des Sonntags: Rauchen ist tödlich.
Zitat des Sonntags: "So ein beschissener Alptraum."
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