Spuk in Hill House: Ein Plädoyer für das umstrittene Finale der Serie

23.10.2018 - 14:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Spuk in Hill HouseNetflix
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Mit Spuk in Hill House landete Netflix einen Überraschungshit. Oft kritisiert wird aber das Finale der Horrorserie - zu unrecht, steht es doch ganz im Zeichen seiner gebrochenen Charaktere.

Mit dem Horror-Genre und mir ist das so eine Sache. Einerseits ist diese Filmgattung geradezu prädestiniert dafür, sich intensiv mit Ängsten, Traumata und überhaupt (zwischen-)menschlichen Erschütterungen zu befassen, wirklich konsequent aber geschieht das zumindest für meinen Geschmack und speziell bei Produktionen aus jüngerer Vergangenheit oft lediglich in Ansätzen. Als Beispiel dafür kann Ari Asters Hereditary herhalten, der sich in seiner ersten Hälfte anschickt, von innerfamiliären Erdbeben zu erzählen, dann jedoch in übernatürlichen Hokuspokus flüchtet. Ganz aufgeben will ich das Genre aber trotzdem nicht, worin mich jetzt dankbarerweise Netflix' Spuk in Hill House bestätigt. Der Grusel-Schocker klebt ungewöhnlich stark an seinen Figuren und will auch im Finale partout nicht von ihnen ablassen. Statt diesen Umstand allerdings gebührend zu feiern, hagelt es vielerorts Kritik an - ausgerechnet - der letzten Episode mit dem Titel Eine bleierne Stille. Vor Spoilern sei im Folgenden natürlich gewarnt!

Spuk in Hill House - Eine Horrorserie mit Happy End?

Spuk in Hill House endet damit, dass die Kinder von Hugh und Olivia Crain im mysteriösen roten Zimmer versammelt sind, welches sich nun als ewige Projektion ihrer Träume bzw. als Hort seelischen Friedens entpuppt und so seine Bewohner unumgänglich an sich bindet. Wer es einmal betreten hat, kann nicht mehr hinaus, was einerseits symbolisch, im Fall des Todes aber auch wörtlich zu verstehen ist. So opfert sich Vater Hugh diesem Ort, damit seine verbliebenen Nachkommen weiterleben können. Luke, Steve, Shirley und Theo kommen gebrandmarkt davon und erhalten die Chance, noch einmal von vorne anzufangen. Ruth Franklin von Vulture  ist das alles nicht böse genug. Sie fordert insbesondere mit Rücksicht auf die literarische Vorlage: "Go big or go home" (auf Deutsch: "Ganz oder gar nicht") - und demonstriert damit ein ziemlich festgefahrenes Genre-Verständnis.

Spuk in Hill House

Tatsächlich ist das Finale von Spuk in Hill House eine im besten Sinne ambivalente Angelegenheit. Die Familie Crain besteht zu diesem Zeitpunkt aus mittlerweile zwei Mitgliedern weniger und bereits dieser Umstand hält mich strikt von einer Bezeichnung wie Happy End oder Ähnlichem ab. Der Preis, den die Beteiligten zahlen, erweist sich unterm Strich einfach als zu hoch. Hugh bleibt zwar freilich nicht allein, denn er ist endlich wieder bei seiner Olivia sowie den zahlreichen weiteren Toten, die in Hill House beheimatet (oder bei pragmatischer Betrachtungsweise: gefangen) sind. Diese Romantik indes ist eine äußerst morbide, die ihrem Wesen nach im Diesseits keinen Platz findet.

Spuk in Hill House nimmt sein Publikum genauso ernst wie seine Charaktere

Auf der anderen Seite dürfen die vier übrigen Crains nun zwar das Beste aus ihrer Zukunft machen, doch bis dahin war es ein denkbar langer Weg. Sie alle haben ihr Leben lang gegen innere Dämonen gekämpft, ihr Pfad des Leids schien sogar vorgezeichnet. Um (den später drogensüchtigen) Luke und (die später Suizid begehende) Nell vor der grausamen Welt außerhalb von Hill House zu bewahren, wird Olivia daher von einem Geist des Hauses dazu animiert, ihre eigenen Kinder "vorsorglich" zu töten, bevor sie als Erwachsene an der Welt verzweifeln. Dieser ebenso verstörenden wie mutigen Pointe zufolge ist das reale Leben mitunter also schrecklicher und unerbittlicher als jedes Spukhaus, das wir uns vorstellen können. Harmlosen Geister-Eskapismus jedenfalls gönnen die Macher um Mike Flanagan niemandem, im Gegenteil animieren sie zum (unangenehmen) Blick in den Spiegel.

Spuk in Hill House

Mit der Tür zum roten Zimmer öffnet sich indes zugleich die Pforte zur Erkenntnis und Versöhnung. Die Kinderpsychologin Theo ist derart berührungssensibel, dass sie stets Handschuhe trägt, hat ironischweise aber auf sämtlichen Ebenen große Probleme, Nähe zu Menschen zuzulassen. Erst nach den Geschehnissen von Hill House gelingt es ihr, sich ihrer Freundin zu öffnen. Steve ließ sich vor Jahren sterilisieren, worüber er mit seiner Frau nun endlich ehrlich sprechen kann. Shirley hingegen verdrängte bislang, ihren Ehemann auf einer Konferenz betrogen zu haben und gibt der Wahrheit schließlich Vorrang. Hier zeigt sich Spuk in Hill House von einer bewundernswert erwachsenen Seite, welche uns vor Augen führt, dass (seelische) Heilung einzig über die Hürde der Ehrlichkeit führt. Können wir diese aufbringen, darf - in jeder erdenklichen Welt - auf Vergebung gehofft werden. Von einer Art seriellem Therapeutikum zu sprechen, wäre an dieser Stelle sicher nicht verkehrt.

Am Ende führt Spuk in Hill House wortreich Gegensätze zusammen und lässt uns wissen, dass Liebe und Angst - mithin die zwei wohl einnehmendsten Emotionen überhaupt - den Verzicht auf Logik gemein haben. Diese Tatsache ist ihrerseits ein bisschen gruselig, steckt aber auch voll von jener Sorte Schönheit, die allein irrationale Dinge für sich beanspruchen können. So viel erbauliche Melancholie mit einsamen Häusern und verletzlichen Figuren sähe ich gern öfter im Horror-Genre - diesen Herbst finde ich sie nicht etwa im Kino, sondern bei Netflix.

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