Quizduell - Die appsolute Farce

17.05.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Quizduell - Die appsolute Farce
ARD/moviepilot
Quizduell - Die appsolute Farce
54
19
Von der Erfolgs-App zur ver-appelten Quizshow zur app-soluten Farce. Was sich in dieser Woche im Vorabendprogramm der ARD abspielte, ähnelte einem Autounfall. Man wollte nicht hin-, konnte aber auch nicht wegsehen.

Da beweisen die Konservativen ARD einmal etwas Experimentiergeist und zeigen sich gewillt, sich den neuen Medien nicht mehr vollends zu verschließen, da passiert das Unglaubliche. Das Unvermeidliche. Die Technik versagt! Hackerangriffe, Datenlecks und überlastete Server machten aus Quizduell, einem ambitionierte Live-Quizshowkonzept mit interaktiver App-Erweiterung, eine “half scripted, half improvised” Mediensatire, wie sie Aaron Sorkin nicht hätte besser schreiben können, und brachten Moderator Jörg Pilawa ins Schwitzen. Ein Aufreger der Woche über ein unfreiwillig authentisches Sinnbild über das rückständige Verhältnis zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und dem Neuland namens Internet.

App-laus
Was als interaktive Quizshow Revolution geplant war, entwickelte sich zum Debakel. Es sollten vier Kandidaten im Studio gegen die Nutzer der beliebten Smartphone-App “Quizduell” antreten – dem „Team Deutschland“. Doch bereits in der ersten Show am Montag kam es zur Blamage: Die Server waren gnadenlos überlastet. Die App-Nutzer – Jörg Pilawa sprach noch am Anfang der Show stolz von 187.000 Usern, die die eigens für die TV-Variante angepasste App runtergeladen hätten – schauten gezwungenermaßen in die Röhre, denn nichts anderes blieb ihnen übrig, der Second Screen verweigerte schließlich seinen interaktiven Dienst. Noch am gleichen Abend sprach Pilawa live von einem einzelnen Hacker, der weltweit 15.000 Server lahmgelegt hätte. Darüber hinaus entdeckte Heise.de eine gravierende Datenlücke, die ermöglicht, dass mit einfachen Mitteln vertrauliche Daten der App-Nutzer abgegriffen werden können. Die ARD wurde von dem Technikportal darüber informiert, aber ob die Schwachstelle im Zuge des Serverchaos auch wirklich geschlossen wurde, darüber hüllte sich der Sender in Schweigen.

Die dubiose Hackererklärung wurde bereits am Dienstag relativiert und man zeigte sich ungewöhnlich selbstkritisch bei der ARD. Nicht alle Ausfälle gingen wohl auf das Konto der vermeintlichen Hackers, sondern die Server brachen auch unter den eigenen Erwartungen zusammen. Die Quizduell-Macher wollten möglichst umfangreiche Daten aus den Servern ziehen. Bundesland, Geschlecht, Alter, je mehr Statistik, desto besser – was aber zu Lasten der Performance ging. Kurzum: Die ARD wollte mal wieder Quoten sehen. Die Daten von fast 200.000 User warteten nur darauf, AGB-gerecht gemolken zu werden. Wenn schon der feuchte Traum jedes ÖR-Senderchefs und Gremiums auf sich warten lässt – irgendwann jeden Rundfunk besteuerten Haushalt per Quotenmessgerät zu erfassen – so hätten sie wenigstens auf diese Weise ihrem Traum etwas näher kommen können. Wenn es denn geklappt hätte.

PR für ein App-el und ein Ei
Als sich aber schließlich herauskristallisierte, dass die Server das ambitionierte Vorhaben einer Live-Online-TV-Quizshow vorerst nicht mitmachen würden, improvisierten Pilawa und Co. im Studio eine klassische Quizshow zwischen den vier Kandidaten und dem Livepublikum vor Ort, die als Team Deutschland Ersatz fungierten. Zumindest bis sich herausstellte, dass auch die Abstimmgeräte im Studio ihren Dienst verweigerten. Da stieß selbst die professionelle Fassade eines souveränen Quizonkels wie Pilawa an ihre Grenzen, der ansonsten mit viel Selbstironie und Improvisationstalent das Debakel vor einer peinlichen Katastrophe bewahrte. Doch hier zeigte er auch launische, teils sogar verbitterte Seiten. Ein Moderator aus Fleisch und Blut, es geschehen noch Wunder.

Dilettantismus oder der beste PR-Coup aller Zeiten, was auch immer für diese unfreiwillig amüsante Premierenwoche verantwortlich zeichnete und damit für ansprechende Quoten sorgte, es war vermutlich das Beste was dem Quizduell passieren konnte. Fast wünschte ich mir, die Server würden auch in der zweiten Woche ihren Dienst versagen. Denn langweilig wurde es wahrlich nicht. Einem Jörg Pilawa dabei zuzusehen, wie dieser von der Regie einen Offenbarungseid nach dem anderen ins Ohr geflüstert bekommt, der zwischen Selbstironie und Gereiztheit taumelnd das Wasser aus der sinkenden Titanic schöpft und manchmal seinen Frust auch an den Studiogästen auslässt, das hat wahrlich Unterhaltungswert und voyeuristischen Charme. Endlich mal ein TV-Format, das offen und ehrlich zeigt, wie es denn wirklich um die neuen Medien in den alten ÖR-Sendergemäuern bestellt ist und etwas Authentizität erkennen lässt. Wenn auch unfreiwillig.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News