Peter Jordan rettet dem Polizeiruf die Haut

06.07.2014 - 20:15 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Polizeiruf 110 - Abwärts
ARD/MDR
Polizeiruf 110 - Abwärts
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In ihrem zweiten Polizeiruf tauschen Brasch und Drexler den aufgeputschten CSI-Look gegen einsame Winterlandschaften. Entsprechend unterkühlt bleibt auch die Beziehung der beiden Magdeburger.

Feuer gefangen haben Brasch (Claudia Michelsen) und Drexler (Sylvester Groth) zum Abspann von Polizeiruf 110: Abwärts noch nicht. Werden bei anderen Sonntagskrimi-Teams spätestens im dritten Fall Currywurst oder Bettdecke geteilt, kämpfen sich die beiden Magdeburger in ihren zweiten Fall noch nicht einmal in die Nähe eines Small Talks vor dem Kaffeeautomaten. Immerhin behindern sie sich bei den Ermittlungen um einen totgeschlagenen Jugendlichen in einer Straßenbahn nicht gegenseitig. Dabei hält der Krimi zunächst durch unerwartete Storypfade bei Stange, die so schnell eingeschlagen und wieder verlassen werden, dass einem gar nicht die Zeit bleibt, deren Sinnigkeit zu hinterfragen. Was auch besser so ist.

Erschlagen liegt Danilo Rink in der Straßenbahn. Bei der Polizei ist er kein Unbekannter, also trifft sich Drexler mit dem Sozialarbeiter Ruhler (Peter Jordan), nichtsahnend dass dieser in die Angelegenheit verwickelt ist. Aber wollte Ruhler nur den jungen Lukas (lukas-schustrl) schützen oder hat er selbst zugeschlagen? Bei ihren Ermittlungen treffen Brasch und Drexler auf eine zerrüttete Familie nach der anderen. Dabei haben sie daheim alle Hände voll zu tun: Braschs Neonazi-Sohn will im Knast nichts von ihr wissen und Drexlers Tochter wird von ihrem Freund rausgeschmissen. Glücklicherweise handelt es sich bei diesen thematisch allzu handlichen Einblicken in die Privatsphäre der Ermittler um Streiflichter, nicht in sich abgeschlossene Handlungsstränge. Der Krimiplot bleibt Herausforderung genug für Polizeiruf 110 – Abwärts, eine Herausforderung, die nicht immer sorgfältig gemeistert wird.

Obwohl der Krimi mit dem Totschlag in der Tram ins Rollen kommt und Erwartungen an einen weiteren Tatort/Polizeiruf über Zivilcourage, rücksichtslose Teenager und alltägliche Gewalt gleich mit, schlägt das Buch von Regisseur Nils Willbrandt (Polizeiruf 110: Zwei Brüder) zügig einen Haken. Da hört also Sozialarbeiter Ruhler nebenan zu, wie Brasch und Drexler die Kumpels des Toten separat verhören. Nicht etwa in aufregend schattig beleuchteten Räumlichkeiten inklusive Einwegscheibe und Videoobservation. Per Laptop (1) halten sich die beiden Komissare in ihren leicht versifftem 70er Jahre-Abstellräumen auf dem Laufenden. Die geschickt gestaltete Parallelmontage ist eine der besseren Szenen eines Films, der in späteren Abschnitten vermehrt ins Freie flüchtet und auf Stimmungsbilder setzt. Sie bildet aber auch eine akkurate Zusammenfassung der Beziehung der beiden Kommissare. Brasch und Drexler ermitteln in Polizeiruf 110 – Abwärts eher neben-, denn miteinander. Selbst wenn sie eine Person gemeinsam verhören, fehlt ihnen die Team-Strategie. Drexler lässt einen Zeugen nicht im Auto rauchen, Brasch lockt ihn mit einer Zigarette raus. Informationen werden geteilt, die Stärken der Ermittler kommen jedoch eher trotz und nicht wegen des Kollegen zum Vorschein. Die forsche Brasch und der introvertierte Drexler machen verbal durchaus was her, das wird nur viel zu selten im Team ausgekostet.

Ruhler jedenfalls flüchtet während des Doppelverhörs und damit kommt Peter Jordan erst richtig ins Spiel. Der Darsteller, in Tatort-Landen als nordisch trockener Vorgesetzter von Cenk Batu in Hamburg bekannt, zieht den Straßenbahntotschlagsplot mit sich in die eisige Landschaft Sachsen-Anhalts. Als Ex-Bundeswehrsoldat ist Jordan eine ungewohnte Härte zu eigen, je mehr Wunden und Prellungen seine Figur sich im Verlauf des Polizeirufs zuzieht. Denn Ruhler hat sein eigenes Trauma zu verdauen, weshalb der geneigte Zuschauer immer dann mit den Füßen scharren dürfte, wenn sich das Drehbuch einer der vielen Familienbaustellen zuwendet. In den weiten Winterlandschaften und kahlen Hallen, die Kameramann Michael Schreitel einfängt, scheint jeder auf sich selbst gestellt, nicht zuletzt Ruhler, der Schuld irgendwann nur noch in Gewalt umzusetzen weiß. Neben den Rabeneltern, die nichts von ihren Kindern wissen wollen, wirkt er trotzdem wie ein Vorzeigevater, nur eben einer, der auch mal zur Knarre greift. Starke Schauspieler wie Jordan und eine audiovisuelle wie inhaltliche Trostlosigkeit heben Polizeiruf 110 – Abwärts immer mal wieder über den Durchschnitt, bevor ein halbgarer Gangstersubplot das überbordende Buch wieder in die entgegengesetzte Richtung zieht. Für die Zigarette im Auto sollte öfter Zeit bleiben.

(1) Bis zu diesem Polizeiruf habe ich die Variante das Laptop entweder noch nie gehört oder gekonnt ignoriert. Wieder was gelernt.

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