People Are Strange - Cowboy Bebop

03.09.2012 - 08:00 Uhr
Cowboy Bebop
moviepilot / TV Tokyo
Cowboy Bebop
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Ein Anime-Serie hat es diesem moviepilot-User angetan. Wer allerdings unbesiegbare Muskelpakete erwartet, sei vorgewarnt. Hier ist alles wohldosiert. Lest selbst!

Spike Spiegel und Jet Black mussten oft genug erfahren, dass leben bedeutet nicht immer zu gewinnen. Auf ihrem Raumschiff, der „Bebop“, vegetieren die beiden Kopfgeldjäger Tag für Tag vor sich hin, bis sie unfreiwillig Gesellschaft bekommen von dem intelligenten Hund Ein, der glücklosen Glückspielerin Faye Valentine und dem quirligen Hacker-Kid Ed. Chronisch abgebrannt und verfolgt von Pech, wächst unter den Crew-Mitgliedern der „Bebop“ eine fragile Kameradschaft, die unter ständigen Streitereien immer wieder droht auseinander zu brechen. Erst viel zu spät beginnen alle zu realisieren, wie sie die Kopfgeldjagd füreinander zur Ersatzfamilie werden ließ. Die „Bebop“ war ihr Schicksal.

Es ist eine Underdog-Ballade der verrauchten Jazz-Bars, Hintergassen und der einsamen Seelen, die ihr Glück in den Tiefen des Weltraums suchen oder es dort irgendwann verloren haben. Die Menschheit hat das All erobert, die Sehnsüchte sind dieselben wie auf der Erde geblieben. Das Universum im Jahre 2071 wird bevölkert von tragischen Existenzen. Ganoven und Gesetzlosen aller Couleur, die Halt und Substanz in ihrem Leben suchen, abgeschottet in ihrer eigenen Welt leben oder sich nicht von ihrer Vergangenheit lösen können und damit zu Spiegelbildern der „Bebop“-Crew werden. Die Jagd unserer Antihelden auf diese Personen und die flüchtigen Begegnungen mit ihnen, schaffen Szenen tiefgehender Einblicke in die wahren Gefühle von Spike, Jet und Faye. In Emotionen, welche die drei voreinander unter großspuriger Kaltschnäuzigkeit stets versuchen zu verbergen. Doch die selbst errichteten Fassaden zeigen bald erste Risse und es kommt der Moment, an dem sich jeder auf der „Bebop“ der Frage stellen muss, was für ihn von Wert im Leben ist.

Während ihrer Reise sehen Spike, Jet und Faye viele Menschen gewaltsam sterben, schuldige wie unschuldige, aber trotz all ihrer persönlichen Macken bleiben sie bis zum Schluss ihrem Gewissen treu. Denn in jedem Verlust steckt eine Erkenntnis, in jeder Niederlage ein Sinn. Besonders die kleinen, zwischenmenschlichen Momente werden dadurch an Bedeutung gewinnen. Doch die Kopfgeldjäger müssen erst viele Rückschläge hinnehmen um über sich hinaus zu wachsen und zu Selbsterkenntnis zu gelangen. Vordergründig handeln die Storys von Weltraum-Piraten und Gangster-Syndikaten, im Kern ist es aber eine Geschichte von Einzelgängern, die ihre eigene Verbindung zum Rest der Menschheit finden müssen.

Dass man seinen Lebenssinn aber nicht ohne Stil zu suchen braucht, beweisen die etlichen musikalischen und filmischen Vorbilder und Einflüsse der Serie, denen mannigfaltig Tribut gezollt wird. Beispielsweise wurde der Name einer der spannendsten Episoden, „Pierrot Le Fou“, von Jean-Luc Godards gleichnamigem Spielfilm (Deutscher Titel: Elf Uhr nachts) übernommen und die Folgen „Honky Tonk Women“, „Sympathy For The Devil“ und „Wild Horses“ teilen sich ihre Titel mit den Songklassikern der „Rolling Stones“. Das sind aber lediglich ein paar der offensichtlichsten Huldigungen, die man entdecken kann.

So wundert es wenig, dass der brillante Soundtrack eine weitere Hauptrolle einnimmt, die ihren selbständigen Teil zur Handlung beiträgt. Von Jazz über Blues bis Elektro-Pop, die Bandbreite der über 30 Original-Songs von Komponistin Yoko Kanno und ihrer Band „The Seatbelts“ ist genauso abwechslungsreich wie die Geschichten die dazu erzählt werden. Man kann sicher sein, dass kaum eine neue Folge enden wird, ohne dass nicht mindestens ein weiterer Ohrwurm im Kopf hängen geblieben ist. Gänsehaut-Songs wie „Rain“ und „Blue“ vertonen perfekt die innere Zerrissenheit und Verwundbarkeit der Protagonisten und machen aus dem Soundtrack ein Meisterwerk.

Auch den Zeichnungen, die teilweise eine kunstvolle Symbiose mit Kannos Musik eingehen, merkt man in seinen detailreichen, in Atmosphäre schwelgenden Bildern an, wie viel Leidenschaft von sämtlichen verantwortlichen Künstlern in das Projekt gesteckt wurde.

Dabei beginnt alles wenig emotional, als Reihe futuristischer Gaunerstücke, bei denen es zunächst keinen Episoden überspannenden Handlungsbogen zu geben scheint. Doch ganz beiläufig erhalten wir immer weitere Hintergrundinfos über dieses Universum, bis sich alle Teile irgendwann zu einem vollständigen Mosaik zusammenfügen, in dem jeder unserer glorreichen Hallunken seine Bestimmung hat.

Wer hier unbesiegbare Muskelpakete erwartet, die mit einem einzigen Faustschlag ganze Mehrfamilienhäuser zum Einsturz bringen, dem werden andere Serien sicherlich mehr zusagen. Nicht dass für genug Action in Form von Martial-Arts-Kämpfen, Raumschiff-Gefechten und Bleigewittern a la John Woo gesorgt wäre. Aber sämtliche Actionszenen sind wohldosiert, drängen die Charaktere nie an den Rand und die Macher achten darauf, dass ihr Kosmos trotz schräger Momente und Figuren glaubwürdig bleibt. Dabei verwischen sie die Grenzen zwischen Science-Fiction, Western und Film-Noir und haben merklich Spaß mit den Regeln und Klischees der Genres zu spielen.

Dieses Chop Suey aus Gegensätzen, explosiver Action und stillen Charaktermomenten, Humor und Dramatik, ist das, was cowboy-bebop zu einem zeitlosen Anime-Klassiker macht, der wie gutes Essen nicht einfach konsumiert, sondern genossen werden muss.

„You’re Gonna Carry That Weight“ heißt es am Ende des Herzschlag-Finales. Und es ist wahr: Für die „Bebop“-Crew und uns selbst heißt es in vielerlei Hinsicht Abschied nehmen, aber so schmerzhaft und ungewiss die Zukunft auch werden wird, man ist bereit diese Last zu tragen, solange man sich nur zu jeder Sekunde bewusst bleibt, wofür man sie tragen will.


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