Oscar 2015 ohne People of Colour & Frauen

17.01.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Warum sind die Nominierungen der Oscars so Weiß und männlich?
Studiocanal
Warum sind die Nominierungen der Oscars so Weiß und männlich?
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Die Oscar-Nominierungen 2015 stehen fest. Sie könnten kaum enttäuschender ausfallen, wenn wir sie aus einer Perspektive der Vielfalt betrachten: Weder People of Colour noch Frauen wurden nominiert. Das spricht eine deutliche Sprache und regt mich auf.

Die Nominierungen für die Verleihung der 87. Academy Awards stehen fest und die Bekanntgabe liefert gleich zwei gute Gründe, sich über sie aufzuregen. Denn bei den Nominierungen wurde vielleicht das europäische Arthouse-Kino umarmt, auf der Liste finden sich aber keinerlei People of Colour  und in den Kategorien Drehbuch sowie Regie keine Frauen. Von Vielfalt kann somit nicht im Geringsten die Rede sein. Wer jetzt noch behauptet, die Academy hätte kein Race - und kein Gender-Problem, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen. Aber was erwarten wir von einer Institution, die selbst zu 94% Weiß ["Weiß" und "Schwarz" werden im Folgenden groß geschrieben, um auf die Konstruktion dieser Kategorien hinzuweisen. Siehe dazu: Weißseinsforschung ] ist?

Was können wir überhaupt von einer Institution wie den Academy Awards erwarten? Offensichtlich keine Vielfalt, wenn wir uns die Zusammensetzung der Academy einmal näher anschauen. Wie eine Studie der L.A.-Times  2012 ergeben hat, setzt sich die Menge der bei den Oscars abstimmungsberechtigten Menschen unter anderem aus 94% Weißen und 2% Schwarzen zusammen. Das Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre und die unter-50-Jährigen machen gerade einmal 14% der Mitglieder aus. 77% aller Mitglieder der Academy sind männlich. Wir haben es hier also mit einer überwiegend männlichen, älteren, Weißen und insgesamt sehr homogenen Truppe zu tun.

Nicht allein deswegen liegt der Verdacht nahe, dass bei den Oscars schon lange nicht mehr einfach nur die Filme ausgezeichnet werden, die am Besten oder vielleicht am Wichtigsten sind. Stattdessen wird hier nach der teuersten Kampagne oder Gutdünken abgestimmt - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Im Rahmen des Siegeszuges von 12 Years a Slave bei der letzten Oscar-Verleihung hat sich zum Beispiel herausgestellt , dass einige der Wahlberechtigten die Filme, über die sie abgestimmt haben, nicht mal angesehen hatten. Dabei werden die Oscar-Anwärter allesamt bequem auf DVD und per Post gebracht, die Abstimmenden müssen ihre Allerwertesten dafür in keinerlei Lichtspielhäuser bewegen. Womöglich hätte sie dort ein echtes Kino-Erlebnis erwartet.

Zwei Jury-Mitglieder haben zum Beispiel rundheraus zugegeben, dass sie 12 Years a Slave zwar ihre Stimme gegeben (weil sie sich dazu verpflichtet fühlten), den Film selbst aber nicht gesehen haben. Aus Angst, die Thematik würde sie eventuell verfolgen. Das lässt schon tief blicken, wie ich finde. Natürlich muss sich niemand Filme anschauen, bei denen er um sein Seelenheil fürchtet. Aber dann sollten diejenigen auch nicht über einen der wichtigsten Film-Preise der Welt entscheiden dürfen. So bekommt die Freude über den letztjährigen Erfolg von 12 Years a Slave einen sehr bitteren Nachgeschmack. Es könnte bedeuten, dass der Film allgemein nur wegen seiner Thematik und nicht aufgrund der Qualität ausgezeichnet wurde. Was positiver Rassismus wäre.

Also kehrt die Academy dieses Jahr einfach wieder zum guten, alten Standard-Rassismus zurück. Und das, nachdem wir uns letztes Jahr beinahe schon Hoffnungen gemacht hatten. Seit 2011 beziehungsweise 1998 (je nachdem, ob wir Javier Bardem als Weiß ansehen) hat es das nicht mehr gegeben: Alle Schauspiel-Nominierungen gehen an Weiße. Bei der Regie sieht es dieses Jahr auch nicht viel besser aus, obwohl mit Alejandro González Iñárritu ein Mexikaner nominiert wurde. Dabei hätte die Academy hier Geschichte schreiben können und Ava DuVernay als erste Afro-Amerikanerin mit einer Oscar-Nominierung für die beste Regie würdigen können. Immerhin wurde ihr Film Selma in der Kategorie Bester Film nominiert. Aber eben keine People of Colour, die am Film beteiligt waren.

Es wirkt, als sei Selma nur als Bester Film nominiert worden, um sich nicht sofort dem Rassismus-Vorwurf aussetzen zu müssen. Neben der Regisseurin wäre da beispielsweise auch noch die gefeierte Performance von David Oyelowo als Martin Luther King gewesen, der allerdings ebenfalls leer ausgegangen ist. Als beste Hauptdarstellerin hätte zum Beispiel auch Gugu Mbatha-Raw für ihre Leistung in Beyond the Lights nominiert werden können, oder Chadwick Boseman für seine Darstellung von James Brown in Get On Up, für das beste Drehbuch vielleicht Chris Rock aufgrund von Top Five. Es ist nicht so, als hätten die Jury-Mitglieder keine Wahl gehabt. Ganz im Gegenteil.

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