Meta in the Woods & der selbstclevere Horrorfilm

12.09.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
The Cabin in the Woods
Universum Film
The Cabin in the Woods
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Die Lust am puren Genrefilmerlebnis scheint der Versicherung gewichen, alles gesehen und verstanden zu haben. Wie das Metakino sich mit Selbstcleverness besäuft – und warum The Cabin in the Woods leider der Horrorfilm der Stunde ist.

In den hiesigen Rezensionen zu den derzeit im Kino laufenden Filmen The Expendables 2 und The Cabin in the Woods fällt immer wieder ein bestimmter Begriff. Beide sind gekennzeichnet von einem selbstbezogenen Humor, einem Hang zur ironischen Brechung und einem verlockendem Spiel mit dem Wissen um sich selbst. Filmkritiker und –Fans bezeichnen solche und andere Strategien heute gern als Meta. Der Begriff ist alles andere als neu, erlebte im Zusammenhang mit Filmrezeption zuletzt jedoch eine Entwicklung vom mehr oder weniger konkreten Fachwort zum allgemeingültigen Jargon. Spätestens seit Filme nicht mehr nur postmodern gedreht, sondern auch postmodern geschaut werden, scheint der Durst eines entsprechenden Publikums nach einem Text jenseits des Textes unstillbar. Diesem Publikum kann und will niemand mehr erzählen, wie eine Gruppe halblanger College-Teens ein grauenhaftes Wochenende in einer Waldhütte durchlebt. Es sei denn, die Gruppe rückt unwissend ins Zentrum eines multimedialen Voyeurismus, von dem aus Geschicke gelenkt und Klischees geboren werden. Die hinter Mauern und Glasscheiben hockenden Kontrolleure des Geschehens im buchstäblich doppelbödigen The Cabin in the Woods scheinen wie Verbündete der Kinozuschauer: Sie wissen um die Regeln des Horrors und sie konstruieren sie entsprechend, ehe alles aus dem Ruder und damit auch wieder zurück zum amüsierten Kinopublikum läuft. Denn diesem darf am Ende nicht vermittelt werden, weniger clever als der Film zu sein.

The Cabin in the Woods ist das aktuellste Beispiel eines Horrorfilmkonstrukts, das seine Metalesart bereits auf dem Präsentierteller serviert. Der Film kreist so lange um die eigene Doppelbödigkeit und sein ausgestelltes Spiel mit mehrfach gebrochenen Standardsituationen des Genres, seinen Archetypen und Funktionsprinzipien, bis sich das Metakonzept vollends verselbständigt hat. Er nimmt seine Rezeption bereits ein ganzes Stück vorweg, und folglich tippen sich die Profis und Fans die Finger wund im Suchen nach Deutung, wo es eigentlich schon gar nichts mehr zu deuten gibt. The Cabin in the Woods ist eben ein Horrorfilm für Bescheidwissende, für solche, die Horror nicht mehr affektiv, sondern bestenfalls selbstclever erleben können. Damit ist er nicht allein, aber 15 Jahre nach Scream – Schrei! und erst recht nach Scream 3, dem so schrecklich verkannten Meisterwerk des metatextuellen Irrsinns, auch alles andere als originell. Im Gegensatz zur Genreblaupause von Wes Craven lässt sich der Genreulk aus dem Hause Joss Whedon und Drew Goddard jedoch auch nur noch als solcher begreifen. Der ständigen Gegenwart von Spiel und Spaß, dem Bewusstsein eines übergeordneten Horrorfilms von und für Kenner, ist das reine Trotzdem-Gruseln ausgetrieben. So etwas kann dann nur in eine beispiellose Monstersause münden, die ihr verschenktes Potenzial auf den letzten Metern immerhin erfolgreich zum Gaga-Happening ausdehnt.

In der Verselbständigung der Hinweise und Andeutungen, gar nicht einmal der konkreten Zitate, liegt immer auch die Gefahr der Willkür. Wenn The Cabin in the Woods der langweilige Versuch eines Metahorrorfilms für die zu spät gekommene Generation postmoderner Genrefreaks ist, dann ist der momentan auf dem Fantasy Filmfest laufende Detention – Nachsitzen kann tödlich sein deren bitteres Konzentrat. Unentwegt palavern die jugendlichen Protagonisten darin über Filme und Teenagermoden, nehmen Genretrends hops und manövrieren sich von einem phantastischen Element zum nächsten. Ein großes buntes, alle Nerven massakrierendes Nerd-Kauderwelsch für Assoziationsgestörte, die im Warten auf den nächsten kapierten Metawitz keine Minute mehr still sitzen können. Eine gedankenlose Kreuz-und-Quer-Bilderflut, die den Metabegriff irgendwie filmisch zu adaptieren und fassen versucht. Und so unsauber er in der Regel genutzt wird, so wahllos vereint Detention auch dessen Verbindungen und führt geradewegs zu seinem eigenen Widerspruch: Auf welcher jenseitigen Ebene soll ein Text noch liegen, der ausschließlich sich selbst und seine Metaidentität als einziges Prinzip thematisiert?

Die Nutzung des Meta-Begriffes als grobes Schlagwort ist da vielleicht sogar konsequent. Im Umgang mit ihm scheint das Konkrete dem Allgemeinen gewichen, Meta meint oft auch einfach nur noch clever, tiefgründig, doppelbödig. The Cabin in the Woods, Detention und andere in der eigenen Suppe der Wahllosigkeit schwimmende Filme erschweren einen differenzierten Zugang zu ihren Konzepten. Saubere Abgrenzungen (die sogenannte Metadiegese und Metalepse, Selbstreferenzialität und Intertextualität, die interessante Unterscheidung im englischsprachigen Raum zwischen metafiction und metafilm) sind bei ihnen kaum noch möglich. Ganz schnell ist stattdessen oft die Rede von der Dekonstruktion, auch wenn sich die neueren “post-postmodernen” Genrefilme mit ihrem ständigem Bewusstsein, als Filme nur innerhalb anderer Filme existieren zu können und dies auch entsprechend kenntlich machen zu müssen, eher an der Konstruktion einer aufs große Augenzwinkern abzielenden Selbstcleverness beteiligen. Im DVD-Audiokommentar zum allerersten Scream-Film erzählt Autor Kevin Williamson interessanterweise, dass er nie gewusst habe, was Meta eigentlich sei und was der Begriff überhaupt bedeuten solle. Vielleicht ist Scream nicht zuletzt genau deshalb der bis heute beste Metahorrorfilm – und alles danach nur fahle Schläue.

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