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Lil Wayne - Rebirth

30.03.2016 - 17:38 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Bild zu Lil Wayne - Rebirth
Young Money
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Erfrischender Genremix abseits der üblichen Pfade

Jahr: 2010

Genre: Hip-Hop, Rap-Rock, Pop-Rock, Rock

Singles: Prom Queen, On Fire, Drop the World


Was hat Lil Waynes musikalisches Experiment alles an Schimpf und Schande ertragen müssen. Lediglich die furchtbare laut.de-Website schien den Kunstcharakter des Werkes erkennen zu können, während nicht einmal die von mir hochgeschätzte Allmusic-Website oder das begnadete Rolling Stone-Magazin (beide große Wayne-Freunde) wirklich wussten, was sie mit dem quirligen wie gewöhnungsbedürftigen Genremix anfangen sollen. Nun ist es an der Zeit, Weezys Projekt einmal so richtig in den Himmel zu loben und ihn für seine Freude am kreativen Basteln zu belohnen.

"Rebirth" zeigt Mr. Carter von seiner mutigsten und extrovertiertesten Seite, fernab der üblichen und bestens vertrauten Pfade. Um eines bereits im Voraus zu sagen: obwohl Wayne das Werk als Rockprojekt bezeichnet - das ist kein Album für die Metalheads. Das dürfte aber nur wenige Leute überraschen. Auch ist es nur bedingt für HipHop-Freunde geeignet, denn all die üblichen Qualitätssiegel dieser Musikgattung lassen sich hierbei kaum nachprüfen - Flow, Rhymes und Bears fallen hier zur Gänze weg. Musikalisch mag es sich Rockinstrumentalen nahezu perfekt annähern. Da ist von Power Metal über Pop-Punk bishin zu üppigen Rockballaden alles vertreten. Auch die 80er in Erinnerung rufende Synthpop-Rock-Crossovers lassen sich gerne finden. Freilich bewegt sich Weezy mit seinem Rockgeschmack stark im Mainstream, und liefert die tanzbaren Radiovarianten ab, anstatt sich intensiv hinzusetzen und Genrefreunde zu besänftigen. Dennoch sollte man nicht erwarten, dass Dr. Carter die Seiten nicht akkustisch schreddert und Spaß daran hat, auf alles zu scheißen und die Sau herauszulassen. "Rebirth" ist unfokusiert, es steckt kein ausgeklügeltes Konzept hinter dem Album, dennoch geht der selbst ernannte Best Rapper Alive konsequent mit seinem Vorsatz um und geht nie auf Nummer sicher in vertraute Territorien. Im Grunde ist er ja ein kleiner RocknRoller - nur, dass er in einem ganz anderen Genre beheimatet ist.

Lil Wayne (immer noch ohne Apostroph, MP!) legt Wert auf Opulenz und trashig-spaßigen Klang, und begeht dabei am laufenden Band Todsünden. Feinde von Autotune bekommen bei "Rebirth" Ohrenkrebs. Der Pitch-Effekt zieht sich wie ein roter Faden durch die in der Standardversion 12 Lieder, und spielt auf Waynes Rap- und Singorgan wie auf einer verstimmten und von daher im richtigen Ausmaß schmutzig klingenden E-Gitarre. Wer bei Features auf gut etablierte Rockmusiker hofft (Man erinnere sich an Slash, Alice Cooper oder Steve Jones auf "The Great Milenko" von Insane Clown Posse), der wird bei Gästen wie Nicki Minaj oder Eminem bald auf Ernüchterung treffen. Erstere übrigens auch unter einer dicken, zähflüssigen Schicht des gut etablierten Stimmverzerrers. Das Eindreschen auf die Nasen diverser Rockfans wird hier fast schon pompös zelebriert, denn wie man an Kanye Wests "808s & Heartbreak" bemerkt, lässt sich Autotune auch geschmeidig und punktgenau formen, um sanft und wohlklingend alle Noten zu treffen. Weezy fährt wie mit einer Dampfwalze über die Musik.

Wäre ich ein Metal-Fanboy, ich würde "Rebirth" hassen. Aber ich bin ein Pseudo-Emo-Pseudo-Hipster, der sowieso bereits eher an HipHop Gefallen findet und sich immer wortwörtlich tierisch freut, wenn Popkulturen und Stile aufeinanderclashen wie in der EU. "Rebirth" ist ein Album für Leute wie mich, mit massig Spaß an ungewöhnlichen, aber trotzdem nicht schwer zu verarbeitenden Klängen, die Wayne hier zweifelsfrei liefert. Das ist ein künstlerisches Experiment, bei welchem 2 der unterschiedlichsten Musikgenres zusammen agieren. Gab es schon, aber selten so radikal. Da wurden schwere Riffs als Samples auf Hip-Hop Beats verwendet, oder Led Zeppelin-Percussions geloopt, hin und wieder engagierte man Rocksänger, den Refrain zu singen und E-Gitarren-Solos waren auch gerne gesehen. Lil Wayne liefert einwandfreie Rockinstrumentale, die zwar massentauglich, aber dennoch erstklassig gespielt und komponiert sind - und schmeißt richtig frech alles mit HipHop-Attitüde um. Lyrisch ist das Album genau so verrückt wie seine Rapwerke, die er zu gerne mit wilden Wortspielen und Vergleichen würzt und mit der nötigen Prise Humor und Freakiness zubereitet. Dass Weezy mit der englischen Sprache zu basteln weiß, ist bekannt, noch eigenwilliger ist dabei aber seine Stimme, die er zwischen nasal und kratzig-rauchig, quietschend und brüllend, lasch und energisch pendeln lassen kann. Sein Instrument - und ich meine nicht die angeblich von ihm selbst gespielte Gitarre - flippt auch auf "Rebirth" aus als ob kein Morgen zu erwarten wäre. Bemerkenswert ist es, wie der selbsternannte Marsmensch dabei nur selten in den Rap abdriftet (das richtige Wort, es soll wohl eher schnelles Singen sein, erinnert aber schon arg an seine "A Milli"-Zeiten, und "Drop the World" scheint wohl für ein Rapalbum konzipiert worden zu sein und bekam im Refrain alibihalber etwas Schlagzeug und in der dritten Stroophe eine Akkustikgitarre spendiert) und zumeist trotz Autotune melodisch und charismatisch singt. Er ist keinesfalls begnadet, aber er weiß seinen Kehlkopf gekonnt einzusetzen, um wie ein ausgelaugter, geschundener Rocker zu ertönen. Nicht stilistisch, sondern atmosphärisch.

"Rebirth" ist gewagt, aufregend, energisch und herrlich abwechslungsreich. Eine gesunde Alternative sozusagen. Wer vor musikalischen Experimenten, Crossovers zwischen Gegensätzen und ungewöhnlichen Mixturen nicht abgeschreckt wird, der wird dieses irrsinnige, albumgewordene Buddy Movie lieben. Wayne scheißt sich hier nichts und lässt sich von Konventionen nicht beirren Wer lieber auf Genrekost steht, egal von welchem Stil, dem sei gänzlich abgeraten - ihr werdet keine Freunde von Weezys siebtem Album.


Tracklist:

1. American Star

2. Prom Queen

3. Ground Zero

4. Da Da Da

5. Paradice

6. Get a Life

7. On Fire

8. Drop the World

9. Runnin'

10. One Way Trip

11. Knockout

12. The Price is Wrong

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