Im Pastellhimmel - Die Mädchen von Rochefort

04.07.2011 - 08:50 Uhr
Die Mädchen von Rochefort
Madeleine Films
Die Mädchen von Rochefort
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Es gibt so ganz seltene Fälle, da ist der Zuschauer sofort, vom ersten Bild, vom ersten Ton an in den Film, den er gerade sieht, verliebt. Bei mir war das so bei Die Mädchen von Rochefort von Jacques Demy.

Zu entspannt dahinklimpernder Musik besteigt eine Truppe Schausteller an einem strahlend sonnigen Sommertag eine Autofähre. Noch ist kein einziges Wort gesprochen, da werden die Bewegungen der Leute plötzlich fließend und tänzerisch, passen sich dem jazzigen Score an, und eine spontane Choreographie entsteht an Bord. Wir sind schon mittendrin.

Ein Freund erzählte mir vor ein paar Jahren, dass er in irgendeiner Neuköllner Kneipe ein französisches Musical mit Catherine Deneuve zeigen will. “Komm dir den unbedingt anschauen, Sarah” sagte er damals. Wenn er nur wüsste, was er damit angerichtet hat.

Da saß ich also an einem Dienstagabend in einem schummrigen Hinterzimmer auf einem abgewrackten Ledersessel. Der Film, auf den ich wartete, hieß Die Mädchen von Rochefort. Das Warten hat sich gelohnt.

Denn vor meinen Augen entfaltete sich ein pastellfarbenes Universum, in dem auf wundersame Weise alle Figuren ihre Kleidung farblich aufeinander abstimmten, in dem fast ununterbrochen gesungen wird und in dem die Passanten auf der Straße sich selbst dann noch zur Musik bewegen, wenn sie sich gerade am Schauplatz eines grausigen Mordes befinden. Doch irgendwie ist auch dieser Mord gar nicht so grausig, wie der Zuschauer meinen sollte. Denn hier in Rochefort wird eigentlich alles leicht genommen. So leicht und locker fließend wie die Stoffe der Kleider und wie die Kamera immer wieder über das Geschehen schwebt.

Worum es in der Geschichte eigentlich geht? Ach, na ja, um das Übliche halt. Paare suchen sich, Paare finden sich. Die Menschen finden erst den Falschen und suchen dann den Richtigen. Müssen wir für die Liebe fortgehen oder bleiben? Wartet die Liebe vielleicht schon längst in demselben kleinen Café, in dem wir selbst gerade sitzt? Dieses Musical ist eine Geschichte der Irrungen und Wirrungen, denn die Protagonisten in Rochefort verkennen einander zuerst, um sich dann am Ende natürlich doch zu erkennen.

Doch mitten darin explodiert plötzlich das filmische Universum, die Leinwand, das Gehirn, alles. Denn da tritt Gene Kelly auf. Er spielt einen amerikanischen Komponisten, der seinen alten Freund Michel Piccoli in Rochefort besucht. Aber eigentlich spielt er sich selbst und alle seine bisherigen Rollen. In den ersten paar Minuten nach seinem mirakulösen Erscheinen darf er sich einmal quer durch sein Rollenrepertoire tanzen. Er zeigt sein unnachahmliches Lachen. Er dreht sich mit ausgebreiteten Propellerarmen um die eigene Achse, er stept und verbündet sich mit ein paar Kindern für eine kurze Lehrstunde im Musicaltanz. Andy Miller ist der komprimierte Gene Kelly, und die ganze Zeit über spricht er Französisch mit einem bezaubernden amerikanischen Akzent.

Die Mädchen von Rochefort ist also auch ein Musical, das sich seiner filmischen Vorgänger sehr bewusst ist. Kein Wunder, der Regisseur Jacques Demy bezeichnete sich schließlich selbst gern als großen Fan der alten Technicolor-Musicals von Vincente Minnelli. Dem entsprechend schafft Jacques Demy in seinen Musikfilmen immer wieder tolle Farbfeuerwerke. Auch die einzelnen Chansons sind großartig komponiert und strotzen nur so vor den typisch Demy’sche Wortspielen, die leider in ihrer vollen Pracht nur im französischen Original verständlich sind.

Irgendwann an dem Dienstagabend war der Film dann zu Ende und ich brauchte ziemlich lange, um das breite Grinsen wieder aus meinem Gesicht zu bekommen. Auf einer großen, pastellfarbenen Wolke schwebte ich aus der dunklen Hinterhofbar, mit unvergesslicher Musik, Gene Kelly und einem neuen Lieblingsfilm im Kopf.

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