Ich, Zanzarah: Das verborgene Portal & ein zu heißer Sommer

01.09.2015 - 17:00 Uhr
Zanzarah: Das verborgene Portal
Daedalic
Zanzarah: Das verborgene Portal
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Während andere in der Sonne des Jahrhundertsommers zerflossen, versteckte ich mich in kühlen vier Wänden und flüchtete durch ein verborgenes Portal nach Zanzarah. Dort wurde mir bewusst, wie gut Pokémon, Feen und Ego-Shooter eigentlich zusammenpassen.

Der Sommer 2003 war der heißeste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung und wurde von vielen daher als Jahrhundertsommer bezeichnet. Für mich war es der Sommer, in dem ich mich mit dem Segen meiner Eltern in den Ferien im kühlen Haus verschanzen und Videospiele spielen konnte, anstatt wie sonst mit den Worten "nun geh doch endlich nach draußen!" in die unerträgliche Hitze getrieben zu werden. Es war nicht nur zu heiß zum Streiten, es war schlicht zu heiß, um überhaupt das Haus zu verlassen.

Das kam mir ziemlich gelegen, denn dank Zanzarah: Das verborgene Portal hatte ich keinerlei Ambitionen, die semi-angenehmen vier Wände zu verlassen, in denen sich mein PC befand. Anstatt draußen zu verglühen, schlenderte ich durch schattige Wälder, düstere Sümpfe, eisige Gebirge und wanderte durch fremdartige Städte, ohne in der Hitze mehr als meine beiden Hände bewegen zu müssen.

Unterwegs durch Zanzarah

In einer typischen Auserwählten-Geschichte schlüpfte ich in die Rolle von Amy, die durch eine Prophezeiung auserkoren wurde, das von dunklen Mächten bedrohte Zanzarah zu retten und die Balance zwischen ihrer Welt und der der Feen wieder herzustellen.

Die klischeelastige Handlung des Action-Adventures störte mich aber keinesfalls, denn dafür war ich viel zu verliebt in das Gameplay, das sich leicht beschreiben lässt als "Pokémon mit Feen als First-Person-Shooter". Nichts davon scheint auf den ersten Blick so wirklich zusammenzupassen und doch harmonisieren diese völlig unterschiedlichen Elemente in Zanzarah erstaunlich gut.

Wie Pokémon, nur mit Feen

Eigentlich besteht das Spiel aus zwei unterschiedlichen Teilen: einem Third Person- und einem First Person-Part. Während ihr als Amy die magische Welt durchstreift und in relativ klassischer Adventure-Manier nach immer neuen Feen sucht, wechselt ihr in Kämpfen in die Ego-Perspektive und schlüpft in die Haut ihrer kleinen Feenbegleiter, die in verschiedenen Arenen gegeneinander kämpfen. Ähnlich wie in Pokémon werdet ihr beim Erkunden gerne von wilden Wesen angegriffen, die euch zum Kampf fordern und die ihr nicht nur zum Hochleveln eurer eigenen Feen benutzen, sondern auch fangen könnt.

Die Kämpfe erinnern dabei eher an klassische Ego-Shooter als an die rundenbasierten Kämpfe von Pokémon. Mit Zaubersprüchen (je einem offensiven und einem defensiven) versuchen die kleinen Flatterwesen einander gegenseitig auszuschalten, um den Sieg davon zu tragen. Dabei spielen vor allem die Elemente eurer Feen eine entscheidende Rolle. Wie ihr euch vorstellen könnt, ist eine Feuerfee nur bedingt nützlich im Kampf gegen eine Wasserfee.

Eine praktische Feentabelle verrät euch, wer gegen wen am effektivsten ist

Eine praktische Tabelle, über der ich vor dem Betreten jedes Gebiets brütete, gab mir dabei immer einen Hinweis, welche fünf Begleiter ich am besten ausgerüstet haben sollte, während der Rest in meinem Feenbeutel schlummerte. Wobei ich gestehen muss, dass ich das oft ignorierte, weil Dunkel-, Chaos-, Metal- und Psi-Feen immer eine besondere Faszination auf mich ausübten. Einfacher machte das die Kämpfe nicht unbedingt, allerdings verschafft es eine besondere Befriedigung, wenn ihr trotz widerer Voraussetzungen siegreich aus einem Kampf heraustretet.

Was mich damals besonders an Zanzarah faszinierte, war, wie gut das Spiel die Balance zwischen Action-Adventure, Strategie und Shooter hält. Es erinnerte nicht nur an zwei meiner Lieblingsspiele (Pokémon Rot/Blau und Doom II), sondern hatte gleichzeitig einen Hauch märchenhafte Magie und eine weibliche Heldin, die zumindest eine kleine Ähnlichkeit mit der jungen Lara Croft hatte. Es ist eine seltsame Mischung, die nicht funktionieren sollte und es doch tut.

Zanzarah hält viele Geheimnisse bereit

Obwohl ich es selbst bereits mehr als einmal mit Pokémon verglichen habe (entschuldige, Hannes! ), ist es kein simpler Klon. Auch wenn der große kommerzielle Erfolg ausblieb und es ein kleiner Geheimtipp blieb, der leider nie eine Fortsetzung bekam, war Zanzarah eines der wenigen Spiele, die es schafften, aus dem Poké-Schatten herauszutreten und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Es war genau das richtige Spiel für jemanden, der sich zu alt für Pokémon glaubte (keine Sorge, diesen Irrglauben habe ich wieder abgelegt) und ein "erwachseneres" Äquivalent suchte.

Während draußen der Sommer tobte, verbrachte ich drinnen Stunde um Stunde in einer verwunschenen Welt, die mich zu einer der Heldinnen machte, die ich bisher fast nur in Filmen und Büchern erleben konnte. Zanzarah ist eines der wenigen Spiele, die ich beendete, nur um sofort wieder anzufangen – mehrmals.

Seit über zehn Jahren steht Zanzarah nun bei mir im Regal – und seit dem Re-Release unter Daedalic vor Kurzem nun auch in meiner Steam-Bibliothek. Immer wieder liebäugelte ich in den vergangenen Jahren damit, die Disk noch einmal einzulegen und mich wieder in den Feenkampf zu stürzen. Bisher hielt mich allerdings die Sorge davon ab, dass das Zanzarah von heute mit dem Zanzarah von damals nicht mithalten könne. Dass es wie so viele jugendliche Erinnerungen im Laufe der Zeit verzerrt wurde.

First-Person-Feenkämpfe statt Ego-Shooter

Tatsächlich musste ich vor einigen Nächten feststellen, dass Zanzarah wirklich nicht sonderlich gut gealtert ist. Das Konzept funktioniert noch immer fantastisch, allerdings mangelt es doch stark an Story und Umsetzung, gerade im Vergleich zu heutigen Titeln – die damals herausragende Grafik brauchen wir hier kaum gesondert hervorheben.

Das Zanzarah des Jahres 2015 war schon fast mit der Navigation im Menü überfordert, fing sich dann aber immerhin als es um das eigentliche Gameplay ging. Hier schaffte es Zanzarah leider nicht mehr ganz, mich noch so gefangen zu nehmen wie damals, aber das ist in Ordnung. Uns bleibt schließlich immer dieser eine viel zu heiße und doch perfekte Sommer vor 12 Jahren. Und wenn ich ehrlich bin, dann eignet sich Zanzarah trotz seiner Schwächen auch für die zu heißen Nächte im Jahr 2015.

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