Ich, Rashomon & die Suche nach der Wahrheit

04.03.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Rashomon
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Rashomon ist ein erstaunlicher Film. Akira Kurosawa erzählt eine verblüffende Geschichte und fordert sein Publikum zu einem filmischen Gedankenexperiment heraus, dessen Nebenwirkungen sich in schwindelerregenden Meditationen über die Wahrheit äußern können.

Als der japanische Regie-Großmeister Akira Kurosawa 1950 sein rätselhaftes Werk Rashomon – Das Lustwäldchen präsentiert, stößt er vielerorts auf Unverständnis und Beschwerden darüber, dass sein Film unzugänglich und wirr erzählt sei. In der Tat ist Rashomon keine Berieselung eines passiven Zuschauers, der sich einer märchenhaft erzählten Geschichte hingeben will. Jenem Betrachter, der sich zurücklehnen und einer perfekten Illusion hingeben will, spuckt Akira Kurosawa entschieden in die Misosuppe. Denn Rashomon lädt dazu ein, über den mehr als fragwürdigen Wahrheitsgehalt des Gezeigten zu räsonieren und sich seine ganz eigene Filmrealität zu basteln. Akira Kurosawa erklärt den Zuschauer zum aktiven Mitgestalter seiner Geschichte und fordert seine Urteilskraft heraus. Rashomon steht beispielhaft für ein Filmerlebnis, das im Kopf entsteht.

Akira Kurosawa erzählt von der versuchten Aufklärung eines Verbrechens, das in einem Wäldchen an einem ehrenwerten Samurai begangen wurde. Zu Beginn des Films führt uns die Kamera von Kazuo Miyagawa durch dichten Regen an eine Ruine heran, in der ein Holzfäller und ein Mönch Unterschlupf gefunden haben. Das Gespräch zwischen den beiden bildet die Rahmenhandlung innerhalb der vielschichtigen und nicht-linearen Narration. Nachdem der Holzfäller auf einer Lichtung die Leiche eines hochrangigen Samurai gefunden hatte, war er Zeuge der Gerichtsverhandlungen, von denen er dem Mönch nun erzählt. Vor einem hohen Gericht beschwören die Zeugen und Verdächtigen unterschiedlichste Versionen des Tathergangs, die sich gegenseitig ausschließen. Einzig die Tatsache, dass der Räuber Tajomaru sich vor den Augen des gefesselten Samurai an dessen Frau vergeht, ist in allen Schilderungen Fakt. Keiner der Berichte erscheint jedoch wirklich glaubwürdig und doch muss eine Variante die wirklich wahre sein, oder etwa nicht?

Warum ich Rashomon mein Herz schenke?
Mich reizt an Rashomon besonders die grundlegende erkenntnistheoretische Frage nach der einen, der objektiven Wahrheit, die Akira Kurosawa auch an den Film an sich stellt. Jede Version der Geschichte erhält durch ihre filmrealistische Darstellung einen gewissen Grad an Objektivität. Durch die Darstellung mehrerer Wahrheiten, die nicht miteinander zu vereinbaren sind, irritiert Rashomon denjenigen Zuschauer, der sich einen Film ansieht, um für einen gewissen Zeitraum das zu glauben und für wahr zu halten, was er sieht. Akira Kurosawa verrät uns nicht, welche Geschichte stimmt oder ob überhaupt eine wahr ist und relativiert damit den Begriff einer objektiven Wahrheit. Wenn der Mönch am Anfang die Worte spricht: “Das Entsetzliche ist, dass es keine Wahrheit zu geben scheint”, dann fasst das eine zentrale und wunderbar erschütternde Aussage des Films treffend zusammen.

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