FSK - Index - Zensur: Warum Sex kein Tabu mehr ist

18.07.2018 - 08:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Warum Sex kein Tabu mehr ist
Scotia / MGM / Universal
Warum Sex kein Tabu mehr ist
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Die Auffassung, was Jugendliche bezüglich Sexualität im Kino und Fernsehen sehen dürfen, hat sich seit den 1950ern stark verändert. Wir erklären euch den Jugendschutz im Wandel der Moral.

Mithilfe des Artikels Sexualität, Jugendschutz und der Wandel der Moral  von Joachim von Gottberg erläutern wir euch nachfolgend in verkürzter Form, warum Sex in den Medien in heutigen Zeiten in der deutschen Gesellschaft kein Tabu mehr ist.

Seit der Einführung des Fernsehens in Deutschland in den 1950er Jahren hat sich auch der Jugendschutz grundlegend verändert. Dabei galt die Abbildung von Nacktheit in der Öffentlichkeit während den 1950er und 1960er Jahren noch als unanständig. Während die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) damals beispielsweise FKK-Magazine indizierte, gab die Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) die Darstellung nackter Menschen selbst für Erwachsene nicht frei. Nach der damaligen Auffassung war Sexualität immer noch etwas, das nur in der Ehe stattfinden sollte. Daher war die Darstellung vorehelicher oder außerehelicher Beziehungen in Filmen strikt untersagt. Selbst die Andeutung solcher Storys wurde für Jugendliche nicht freigegeben. Zu dieser Zeit entsprach die Auffassung der FSK zusätzlich noch der Meinung, dass das, was im Film zu sehen ist, Jugendliche zur direkten Nachahmung in der Realität anstiften würde.

Die Gegenbewegung der sexuellen Befreiung als Wendepunkt

Einen bedeutenden Umbruch stellte die Protestbewegung dar, die sich in den 1960er Jahren entwickelte. Inspiriert durch die amerikanische Hippie-Bewegung kam es zum Kampf um sexuelle Freiheit und mehr Individualität. Schnell führte diese Entwicklung auch in den Institutionen des Staates zu einem Prozess des Umdenkens. Im Filmbereich entwickelten sich vermeintliche Aufklärungsfilme, die erstmals das Lustvolle in der Sexualität unter dem Deckmantel der Reportage thematisierten. Ein Beispiel hierfür sind die Schulmädchen-Reports ab 1970, in denen freizügige Inhalte mit dem vermeintlichen Ziel eines Reportage-Effekts verknüpft werden sollten.

Schulmädchen-Report 5: Was Eltern wirklich wissen sollten

Die seit 1969 regierende sozial-liberale Koalition wurde durch diese Entwicklungen ebenfalls beeinflusst, indem die Liberalisierung des Sexualstrafrechts diskutiert wurde. Hiernach wurde zudem das Verbot homosexueller Beziehungen nach § 175 aufgehoben und zusätzlich die Freigabe von sexuellen Abbildungen in Medien diskutiert wurde. Der bis dahin geltende Begriff unzüchtige Schriften im § 184 Strafgesetzbuch wurde als Ergebnis einer Diskussion im Bundestag durch den Begriff der Pornografie ersetzt. Pornografische Darstellungen mit Kindern, Tieren und mit Gewalt sowie der Vertrieb pornografischer Inhalte an Kinder und Jugendliche, die Vorführung pornografischer Filme in Kinos sowie die Übertragung pornografischer Darbietungen im Rundfunk waren nach wie vor verboten.

Im Jugendschutz findet ein Umdenken statt

Aufgrund dieser Entwicklungen wurde die bloße Darstellung von Nacktheit nicht mehr länger automatisch als jugendgefährdend oder jugendbeeinträchtigend angesehen. Vielmehr befürchteten die BPjS und die FSK, dass Pubertierende sexuelle Inhalte in den Medien überbewerten würden. Hierdurch könnten sie erst recht dazu verleitet werden, sexuelle Beziehungen in einem Alter einzugehen, in dem sie weder geistig noch körperlich dazu ausgereift seien. Aus den Aufklärungsreports der Jugendzeitschrift Bravo leitete sich die BPjS beispielsweise das sogenannte Normalitätskonzept ab. Bei diesem Konzept wurde davon ausgegangen, dass sexuelle Beziehungen im Alter von 13 bis 15 Jahren von Jugendlichen als völlig normal empfinden werden.

Mehr: FSK - Index - Zensur: Ist das noch zeitgemäß?

Auswirkungen auf die Entscheidungen der FSK finden sich als prominentes Beispiel in der Beurteilung der israelischen Sexkomödie Eis am Stiel wieder. In dem Kinofilm werden die typischen Befindlichkeiten der Jugend als abenteuerliche Suche nach sexueller Stimulanz geschildert. Nur unter erheblichen Schnittauflagen erteilte die FSK dem an Jugendliche gerichteten Film, der erstmals deutliche sexuelle Darstellungen zeigte, damals eine FSK 16-Freigabe.

Eis am Stiel

Unterstützung erhielt der Jugendschutz außerdem durch die Frauenbewegung, die sich ab den 1970er Jahren mehr und mehr in die Debatte einmischte. Diese prangerte die Ausbeutung des Frauenkörpers als Objekt männlicher Begierde in den Medien an. Dabei bezog sich die Kritik ebenso auf Illustrierte, die vorwiegend Männer als Kunden ansprachen, wie auf Kinofilme und pornografische Angebote. Der Jugendschutz folgte diesen Ansichten. In den Vordergrund der Argumentationen wurde die Befürchtung gestellt, dass die Medien zunehmend sexualisiert seien. Außerdem würde eine Suche nach immer stärkeren Reizen in den Medien das Bedürfnis nach harter Pornografie entstehen lassen.

Jugendschutz heute angesichts veränderter sexueller Präsentation in den Medien

Aufgrund der zunehmend widersprüchlichen Präsentation von Sexualität und Geschlechterrollen in den Medien wurde auch der Jugendschutz noch einmal einer Wandlung unterzogen. Lange Zeit hatte politische Verantwortliche befürchtet, dass der Anstieg sexueller Inhalte seit den 1970er Jahren mittelfristig zu der Unfähigkeit führen würde, eine respektvolle, von Verantwortung geprägte Beziehung einzugehen. Wie sich herausstellte, hat sie die Interaktion zwischen den Menschen und ihren Beziehungen mit medialen Bildern jedoch falsch eingeschätzt. Rezipienten überprüfen Medien vielmehr darauf, ob sie ihnen nützen oder nicht und ob sie für die eigene Realität relevant bzw. gut oder schlecht sind.

Das Ziel des Jugendschutzes ist heute deshalb die Selbstbestimmung, bei der der Einzelne nach seinem Entwicklungsstand entscheiden soll, was er will. Als Voraussetzung dafür muss der Partner dasselbe wollen. Dabei können Medien als Vordenker von Rollen und Verhalten helfen, gleichzeitig aber auch Druck ausüben oder negative Erwartungen vermitteln. Der Jugendschutz hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu verhindern. Im Vergleich zu den 1950er Jahren ist Sex heutzutage somit längst kein Tabu mehr in der deutschen Gesellschaft. Aufgrund der rundum erreichbaren, uneingeschränkten Verfügbarkeit von freizügigen, anstößigen Inhalten im Internet reicht die Darstellung sexueller Handlungen alleine nicht mehr aus, um einen Skandal auszulösen. Viel eher wird Sex als enttabuisierte Natürlichkeit angesehen, die im entscheidenden Moment in ihrem jeweiligen Kontext zu berücksichtigen sowie zu beurteilen ist.

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