Fluch des Staatsver(n)sehens

12.03.2013 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Let’s go break bad!
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Let’s go break bad!
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Warum gibt es keine Serie wie Breaking Bad aus Deutschland? Unser user jp@movies versucht sich an einer Erklärung.

Können unsere Autoren nicht bitte mal eine Serie wie Breaking Bad schreiben? Sie können schon. Auf dem Papier. Dort darf eine Serie auch noch Der letzte Dreck heißen, auf Sendung geht es – wenn die Schöpfer Glück haben – als Der Tatortreiniger. Die meisten Ideen haben in unserer Fernsehlandschaft nicht so viel Glück. Zeit, einmal genauer hin zu sehen, was bei uns läuft. Oder besser – was schief läuft.

Deutschland, das Land der Dichter und Henker, bringt keine Autoren von Weltruhm mehr hervor. Jaha, Goethe, Schiller oder Brecht haben ja nicht für’s Fernsehen geschrieben, sondern Bücher und fürs Theater. Nun, die meisten Drehbuchautoren satteln früher oder später auf Bücher um, weil sie es satt haben. Es ist der Running Gag unter Drehbuchautoren, wie mir Annette Hess, die Schöpferin von Weissensee auf der diesjährigen Berlinale erzählte. Und warum ist das so? Weil man von Verlagen im, Gegensatz zu Redaktionen, mit Respekt behandelt wird, wie Markus Stromiedel in diesem Artikel monierte.

In Amerika erfahren Autoren genau diesen Respekt, denn wie man 2008 eindrucksvoll gesehen hat, treten sie sonst in Streik, und dann ist Sendeschluss oder Wiederholung einerseits, und Solidarität andererseits angesagt. Deswegen hat die erste Staffel von Breaking Bad z.B. nur krumme sieben Folgen. Bei uns ist ein derartiger Aufstand undenkbar. Ja, auch bei uns gibt es einen Verband der Deutschen Drehbuchautoren, aber nicht mit annähernd dem gleichen Einfluss. Auch Solidarität unter Filmschaffenden ist bei uns etwas, das hinter vorgehaltener Hand stattfindet, niemals öffentlich. Gar eine Absage einer Preisverleihung wie die Golden Globes oder auch nur des Bambi? Bei uns wissen wir nicht mal ob man öffentlich lachen darf, wenn Josef Hader beim Fernsehpreis bissig anmoderiert. Hader kann Dinge aussprechen, die bei uns Karrieren beenden würden, weil er in einem anderen Land vor der Kamera steht. Stattdessen regiert die Angst den Mund auf zu machen, denn wer in der Branche als “schwierig” gilt, ist weg vom Fenster. Die Gebühren-, Verzeihung: Steuereinnahmen landen auch nicht in den Formaten – aber wo dann eigentlich? Bei den Machern und Urhebern jedenfalls genauso wenig wie bei den Schauspielern.

Wer oder was hat bei uns das Sagen?
In Amerika herrscht Wettbewerb, und bei uns Förderkultur des Fernsehens von ARD bis ZDF. Denn die Sender sitzen in allen Filmförderfonds, und ohne Fernsehbeteiligung gibt’s gar kein Kino, Punkt. Da wird dann lange kräftig mitgemischt, und nach durchschnittlich sieben Jahren bleibt ein weichgespülter Film übrig, in dem Veronica Ferres eine Hauptrolle spielt. In den Redaktionen und von Verantwortlichen wird dabei kaum bis gar nicht über Inhalte gesprochen, also genau das, was auf moviepilot an den Kommentaren so erfrischend ist, wo sich die “werberelevante Zielgruppe” (14-49) tummelt. Gleichberechtigt nebeneinander, Trolle, Experten, Freaks, Süchtige und jede nur denkbare Geschmacksrichtung. Eben alles andere, als ein homogener Haufen, als den uns die Verantwortlichen wahr nehmen. Ich empfehle jedem mal ein paar Podcasts vom VDD anzuhören, in denen Fernsehverantwortliche, also Redakteure und Programmchefs zu Wort kommen, hier ein Beispiel. Hört auf den Jargon, den sie benutzen, wenn sie von euren Lieblingssendungen oder Filmen sprechen. Natürlich Quote, Zielgruppe, USP (unique selling pont), und aller nur denkbare Marketing-mumbo-jambo – nur keine Inhalte. Schlimmer noch, sie halten das Publikum, also euch, mich, uns alle für grenzdebile Vollidioten. Weil wir komplett interpretierbar sind, allein aufgrund dessen wer, wann, wo, was gesehen hat. Lest mal auf DWDL wie das klingt. Inhalte? Nebensächlich.

Da es nach diesen Verantwortlichen geht, müssen Programme auch dann verständlich sein, wenn man im Tatort 15 Minuten zu spät einschaltet. Deswegen müssen alle Informationen wiederholt werden. Mehrfach. Deswegen sagen Figuren bei uns permanent was sie denken und fühlen. Pausenlos. Das verbuchen sie unter Bildungsauftrag. Die über 50-jährigen gucken nämlich total regelmäßig, und denen darf man mit nichts kommen, was sie nicht kennen. Wir reden hier von einem Bild einer Generation, das veralteter daherkommt, als die Generation selbst. Denn geredet hat mit diesen 50-jährigen keiner. Als die 20 waren, haben sie Filme von Sam Peckinpah geguckt, und deswegen könnte manchen von denen heute ein Quentin Tarantino gefallen, ohne gleich vor Schreck tot im Sessel zusammen zu sinken, wie eine Dame in Mann beißt Hund. Meine Eltern sind mit ihren über 60 schon nicht mehr Teil der wichtigen 14-49 (drei Generationen! Hallo!) Gruppe, deswegen dürfen die wieder gucken, was sie wollen. Und was ist das? Na, das Gleiche wie bei uns: von Game of Thrones bis Breaking Bad, mit einem wöchentlichen Schuss Die Simpsons. Und Kommissarin Lund – Das Verbrechen.

Übrigens ist letzteres eine Serie, bei dem das ZDF mitproduziert, also mit unserem Geld, nur dass dort die Autoren ebenso hoch geschätzt werden, wie in den USA, und Redakteure dazu da sind, deren Visionen zu fördern, statt sie zu zerreden. Klappt auch in Österreich, zuletzt bei Braunschlag von David Schalko.

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