Jenseits der Mauer - Regisseur und Drehbuchautor im Gespräch

30.09.2009 - 12:00 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Die deutsche Trennung bestimmte Familienschicksale
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Die deutsche Trennung bestimmte Familienschicksale
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Friedemann Fromm und Holger Karsten Schmidt fühlten große Verantwortung beim Dreh ihres Films. Die Mauer zerriss Familien, veränderte Schicksale und beeinflusste das Leben Vieler. Der Regisseur und der Drehbuchauto sprechen über die Recherche und Aufarbeitung des historischen Stoffs zu einem so sensiblen Thema.

Die Trennung Deutschlands hat nicht nur das Land als Ganzes geprägt – es hat vor allem individuelle Schicksale bestimmt, Familien auseinandergerissen und Leben verändert. Einem Aspekt diese Stückes deutscher Geschichte nähern sich Friedemann Fromm und Holger Karsten Schmidt mit ihrem neuen Film Jenseits der Mauer. Im Gespräch erläutern sie, wie sie über Recherchearbeit in Archiven und individuelle Gespräche ein Gefühl für den hochemotionalen Stoff bekamen.

Jenseits der Mauer ist ein leiser, authentisch erzählter Film, mit hochkarätiger Besetzung. Was hat Sie an dem Stoff besonders gereizt?

Schmidt: Mich zunächst eigentlich gar nichts,weil ich nach “Zwei Tage Hoffnung” und “Der Stich des Skorpions” genug von recherchelastigen Aufarbeitungsthemen hatte. Dann bin ich allerdings auf mehrere Fälle von Zwangsadoptionen gestoßen.

Fromm: Für mich ist das ein hochemotionaler Filmstoff, der gleichzeitig sehr symbolhaft ist für die ganze Perversionder deutschen Teilung. Insofern war es für mich sehr schnell klar, dass ich diesen Stoff machen möchte. Im Kern der Geschichte steht Rebecca/Miriam und um sie herum wurden ihre Ost- und ihre Westfamilie gebaut. Für mich war die gesamte Besetzung ein Glücksfall, da ich mit Schauspielern arbeiten konnte, die ich bereits aus gemeinsamer Arbeit sehr schätze, oder mit denen ich immer schon einmal arbeiten wollte.

Herr Schmidt, welchen Stellenwert hat für Sie in der Vorbereitungsphase und bei der Stoffentwicklung das Gespräch mit Zeitzeugen eingenommen?

Schmidt: Schwierige Frage. Eigentlich müsste man sich ein halbes Jahr in die Recherche verabschieden, aber so lange will niemand warten, und das will auch niemand bezahlen. Also habe ich mich drei Tage lang ins „Spiegel“-Archiv gesetzt und einen Band nach dem anderen gesichtet. Danach habe ich zwei Wochen Sachbücher gewälzt und Artikel zu dem Thema gelesen. Einen nicht unerheblichen Stellenwert hat ein langes Gespräch mit Nadja Uhl eingenommen, die mir ihre ganz normale Jugend in der DDR sehr anschaulich geschildert hat. Viele Details aus diesem Gespräch sind ins Buch eingeflossen.

Was waren bei der Umsetzung dieses Film-Projekts die größten Herausforderungen für Sie?

Schmidt: Die besondere Herausforderung bestand zunächst darin, sich angesichts diverser anderer Produktionen zum gleichen Thema abzugrenzen und einen eigenen Weg einzuschlagen. Wenn Zeitgeschichte fiktionalisiert wird, muss man sie personalisieren, das heißt klären: Aus wessen Blickwinkel erzähle ich das alles? Letztlich kam ich zu dem Schluss, dass dieses Ereignis nur aus mehreren Perspektiven angemessen beleuchtet werden kann.

Fromm: Die größte Herausforderung war dann, diese sehr komplexe Geschichte in eine emotionale Stringenz zu bekommen und alle Figuren in ihren doch sehr unterschiedlichen Motivationen nachvollziehbar und transparent zu zeichnen.

Auf welche Aspekte haben Sie bei der Entwicklung des Drehbuchs besonderenWert gelegt?

Schmidt: Meine Figuren zu keinem Zeitpunkt zu verraten, insbesondere jene nicht, die in der DDR lebten. Als Westdeutscher, der beim Mauerfall nur Zaungast war, urteilt man manchmal vielleicht zu schnell oder macht es sich zu einfach, nach dem Motto ‚Also, ich hätte mich da ganz anders verhalten’. Darüber hinaus habe ich drei Fälle, auf die ich im Archiv gestoßen bin, zu einer Prämisse für das Buch verschmolzen. Mir war es wichtig zu zeigen,wie ein perfides System die Gefühle von Menschen so instrumentalisieren kann, dass diese Menschen Dinge tun, die sie unter normalen Bedingungen weit von sich weisen würden.

Was zeichnet den Film Jenseits der Mauer in Ihren Augen aus, inwiefern hebt er sich von anderen Eventfilmen zum Thema DDR-Flucht, Zwangsadoption und Mauerfall ab?

Schmidt: Er sucht nicht das Spektakel, nicht die große Geste. Er erzählt aus dem Kleinen heraus von authentischen Figuren. Ich denke, der Film kommt auf leisen Sohlen daher. Das erhöht meiner Meinung nach auch die Glaubwürdigkeit der gesamten Geschichte.

Fromm: Ich glaube, dass wir einen hochemotionalen, dabei historisch sehr genauen Film geschaffen haben, der gleichzeitig ein sehr aktuelles Thema bearbeitet, nämlich die Suche nach der eigenen Identität und den Umgang mit Schuld. Und das Drehbuch bewertet die Verhaltensweisen der Figuren nicht, sondern stellt einfach dar,wie Menschen mit dem Druck umgehen, den die jeweiligen Systeme auf sie ausüben. Dadurch wird es sehr glaubwürdig und öffnet Räume für eigene Erfahrungen.

Herr Schmidt, bei Jenseits der Mauer hat erstmals Regisseur Friedemann Fromm eines Ihrer Drehbücher verfilmt – wie eng war die Zusammenarbeit?

Schmidt: In der Vorbereitungsphase haben wir alle Punkte erörtert, die bei Friedemann Fragen aufgeworfen haben.Dabei haben wir auch viel über Details diskutiert oder auch über Atmosphärisches. Er hat meine Geschichte und meine Figuren großartig in Szene gesetzt. Ich freue mich auf jedes weitere Projekt, das uns wieder zusammenführt.

Mit Material des Ersten Deutschen Fernsehens

Jenseits der Mauer von Friedemann Fromm und Holger Karsten Schmidt wird am 30. September um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt. Um euch einen Überblick zu verschaffen, schaut doch in unser Fernsehprogramm.

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