Everything Sucks! - Das Stranger Things für 90s Kids

17.02.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Everything Sucks!Netflix
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Bei Netflix sind ab sofort 10 Folgen Everything Sucks! verfügbar, die in den 1990ern spielen. Vor lauter Nineties-Requisiten und -Verweisen sieht man die gute Serie kaum.

1980, 1996, 1999 und 2018 - das sind nicht die Jahre, in denen das deutsche Curling-Team Weltmeister wurde. Aber sie zeigen, dass Erinnerungen wie umgedrehte Wellen arbeiten, die sich vom Strand wegziehen, um dann wieder auf ihn zuzuschwappen. Nehmen wir das Jahr 1999. Im Jahr 1999 wurde die Teenie-Dramedy Freaks and Geeks gesendet, von zu wenigen Menschen gesehen, deshalb schnell abgesetzt und bis heute vom ewigen Kultstempel und fisselbärtigen James Franco-, Jason Segel- und Seth Rogen-Visagen irgendwie durchgeschleppt. Freaks and Geeks spielt aber nicht in den 1990ern, sondern im Jahr 1980 und greift den Highschool-Jahrgang 80/81 auf. Menschen, die im Jahr 1980/81 geboren sind, waren im Jahr 1996 etwa 16 Jahre alt, also in einem popkulturaufnahmefähigen Alter, in dem sich die festesten und hellsten Erinnerungen an die eigene Jugend ansammeln und zu einer heiteren Collage verdicken. Womit wir bei der im Jahr 1996 spielenden Netflix-Serie Everything Sucks! wären und gleichzeitig wieder Zuhause im Jahr 2018. Das Jahr, in dem wir uns damit abfinden müssen, dass die 90er nun so weit weg sind wie in den 90ern die späten 70er. Deshalb wir kriegen wir jetzt das Stranger Things für 90s Kids, nur ohne Monster, sonst ist alles fast genauso.

Die 80er können einpacken, die 90er sind da, oder: That 90s Show

Der Unterschied zwischen einem 12-Jährigen und einem 14-Jährigen ist elementar, wenn es um Erinnerungen an ein Zeitbild geht. Die Kernzielgruppe von Everything Sucks! war 1996 zwischen 13 und 17 Jahre alt, sie spürte den bunten Zeitwind am eigenen Leib und kann jetzt entsprechende Nachstellungsversuche am besten beurteilen und bewerten. Also, wie stellt ihr, Irgendwasdreißigjährige, euch ein 90er-Period-Piece vor? Nun, wem die Erinnerung verblasst ist, dem hilft Everything Sucks! auf die Sprünge. Keine 20 Sekunden vergehen, schon blitzt die grelle Tolle eines Zaubertrolls auf und an Cafeteria-Tischen spielen Kids Himmel oder Hölle.

Das passiert nicht in der Peripherie, die Kamera hält voll drauf. Everythings Sucks! sucht in seinen ersten Minuten den gemeinsamen 90s Kids-Nenner mit seinen Zuschauern, was sich wie eine Druckausgleichskammer für Zeitunterschiede anfühlt, nur eben ausgestattet wie ein 90er-Jahre-Museum: Wir sollen erstmal ankommen, uns mit den Verhältnissen vertraut machen, die Erinnerungen triggern lassen an verstohlenes Bravo lesen, geschmacklose Bravo Hits-Sessions, Love Parade-Aufmärsche mit Plateau-Schuhen, Oasis-Balladen und Cerealien-Schüsseln vor Cartoon-Shows am Nachmittag nach der Schule. Oder uns zumindest vorstellen, wie das wohl gewesen sein könnte, wenn wir für all das zu jung waren bzw. sind. Die Faszination von Aquas Barbie Girl wird man aber leider auch dann nie verstehen.

Everything Sucks!

Gut also, dass Everything Sucks! sich 80s- und 2000s-Kids nicht vollständig verschließt. Die zehnteilige Serie webt einen dicken Teppich aus Referenzen, der am Anfang jeden Schritt seiner pappig eingeführten Hauptfiguren schluckt. Aber wer nach 5 Minuten Verweismonsun noch nicht das Weite und sich eine andere Serie im Netflix-Katalog gesucht hat, bekommt dann noch mit, wie die 90er urplötzlich ziemlich unwichtig werden. Die Geschichte schüttelt die schweren Period-Piece-Zwänge alsbald ab und tritt, noch immer taumelnd vom Gewicht klackernder Gogo-Steine, in den Vordergrund.

Der irritierend sprunghafte Erzählrhythmus kommt dann zwar immer noch nicht zur Ruhe, aber wenigstens lernen wir mal die Hauptfiguren kennen. Das sind Luke, McQuaid und Tyler, allesamt neu an der Highschool, AV-Klub-Mitglieder und deshalb Außenseiter. Das ist in Highschool-Serien der 90er üblich. Die 90er sind das Generation X,- Nirvana- und Flanellhemd-Jahrzehnt, das popkulturell, auch mit Figuren wie Daria, das Außenseiterdasein romantisierte. Zudem lassen sich aus Außenseiter-Perspektiven natürlich die Marotten des Mainstream-Pöbels spitzfindiger beobachten. Auch Everything Sucks! beschreibt seine Außenseiter im Kontrast zum Normalen, Angepassten, das der Außenseiter gepflegt abstößt, wie es die ganze Generation X tat. Amerikanische Kleinstädte sind langweilig, die Bewohner piefig und alles in allem sind diese Orte etwas, dem es zu entkommen gilt, denn hier ist alles scheiße - Everything Sucks! halt.

Luke

Was uns zum Namen der Stadt führt, in dem die Jungs leben. Die liegt in Oregon und heißt, nun ja, Boring. Auswärtige kommen hier nur her, um sich vor dem Boring-Schriftzug auf dem Ortsschild fotografieren zu lassen, mit Kameras übrigens, weil man das damals so gemacht hat, liebe Kinder.

1996 waren die Kinderdarsteller von Everything Sucks! noch nicht mal geboren. Die jungen Schauspieler agieren in Everything Sucks! auch durchweg unbeholfen. Coming of Age-Filmen kommt das aber entgegen, da Pubertierende ja ebenfalls Rollen spielen, sich mühsam in welche einfügen und in ihren Versuchen dabei immerzu straucheln, stolpern, stammeln. Oder einfach versteinern, wie Kate Messner. Kate Messner (Peyton Kennedy) ist ebenfalls eine Außenseiterin und gleichzeitig die Tochter des Rektors, was sich jetzt nicht wirklich ausschließt. Die ganze Schule stellt sich gegen Kate. Kate wiederum erschreckt sich vor sich selbst und dem, was mit ihr passiert und wen sie begehrt und wen nicht. Es gibt eine Umkleideraum-Szene mit Kate und sicher nicht zufälligen Carrie-Vibes, die die ganzen Albträume und Verwirrungen der Pubertät in einen zeiteinfrierenden Blick auf blanke Brüste fasst. In dem Moment schlägt Everything Sucks! einen Weg ein, der zu ernsten Coming of Age-Themen führt und an 90er-Requisiten vorbei.

Die 10 Folgen der ersten Staffel Everything Sucks! sind seit gestern vollständig bei Netflix verfügbar.

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