Ein Kölner Tiefpunkt in Tatort - Ohnmacht

11.05.2014 - 20:15 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Tatort - Ohnmacht
ARD/WDR
Tatort - Ohnmacht
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Warum kann der Abspann nicht nach zehn Minuten einsetzen? Dann wäre Tatort – Ohnmacht zumindest nicht die grauenhaft überzeichnete Abrechnung mit lederbejackten und smart phonenden Jugendlichen, die uns vorgesetzt wird.

Diese herzlosen Teenager! Erst tragen sie coole Lederjacken, die ihren Erzeugern alptraumhafte Flashbacks an ausgelassene Elternabende mit langhaarigen Spät-68ern ins Mark schießen. Dann treiben sies auch noch miteinander, wie sie lustig sind, während der Scheidungspapa nebenan zuhören muss, verhöhnt von der hedonistischen Frucht seiner verdörrten Lenden. An jeder seiner vielen Plot-Wendungen bietet sich Tatort: Ohnmacht Gelegenheit, von diesem Bild abzuweichen, zu erkunden, warum Junge X seine Gewalt gegen Vater Y richtet, anzudeuten, wie es sich anfühlt, in einer pastellfarbenen Puppenhauswelt aufgepäppelt zu werden oder zu hinterfragen, wieso Halbwüchsige dem Bolzplatz Pizza mit Kick vorziehen. Aber wenn diesem Tatort aus Köln etwas gelingt, dann jeder sinnigen Entscheidung aus dem Weg zu gehen.

Es beginnt vielversprechend. Von der beschaulichen Currywurstbude führt Ballaufs Weg(bier) direkt in eine Schlägerei auf einem U-Bahn-Steig, bei dem nicht nur eine Geige zu Bruch geht. Dynamisch ist der Tatort in diesen Anfangsminuten, bleiben wir doch in der Wahrnehmung an den leicht überforderten Ballauf gefesselt, der schließlich sogar aufs Gleis gestoßen und von der Bahn überrollt wird. Die titelgebende Ohnmacht ist Programm, gerade weil alle Zeugen tatenlos zugesehen haben, wie ein junger Mann zusammengeschlagen wird.

“Hat ihre Tochter ’ne Lederjacke?” – “Nein, sowas trägt meine Tochter nicht.”

Fuchsteufelswild stürzt sich Ballauf in die Ermittlungen und geht dabei voller Elan das Handbuch für Anfängerfehler im Polizeidienst durch. Mit ihm breiten sich Zersetzungserscheinungen im Plot des überfrachteten Krimis aus. Für die Teilnahmslosigkeit der Anwesenden, noch ein wichtiges Element im gelungeneren Berliner Tatort: Gegen den Kopf, findet Autor Andreas Knaup keine Muße, stattdessen für karikatureske, von den Darstellern hölzern umgesetzte Vorstadteltern, eine weitere überflüssige IT-Assistentin im Tatort-Land und viel Geplärre über die Schrecken der Neuen Medien. Wieder einmal stellt ein Tatort Smartphones, handliches Mittel zur Dokumentation von Polizeigewalt, als technisches Ärgernis in den Händen eines irren Internetmobs dar.

“Ja, free speech am Arsch.”

So offenbart sich die verquere Haltung des Krimis, der nach zwei stärkeren Fällen wieder an die Untiefen Kölner TV-Unterhaltung anschließt. Zeigte der letzte Münchner Tatort: Am Ende des Flurs, dass der emotionale Alleingang eines Kommissars nicht mit seiner Absolution einhergehen muss, streift Tatort – Ohnmacht für Ballauf (Klaus J. Behrendt) nie die Samthandschuhe ab. Ob er Verdächtige einschüchtert, den Opfern unhaltbare Versprechungen macht oder sonstwie die Ermittlungen sabotiert, ebenso wenig wie Franziskas Tod Auswirkungen auf die Kölner Ermittler hatte, muss der Kommissar mit Konsequenzen für seine Taten rechnen. Damit ist er den schablonenhaften Klopper-Teenies vom Schlage des ominösen Damien dann doch ähnlicher, als er denkt.

Zitat des Sonntags: “Der ist doch schon ganz juckig, lol.” – “LOL?” – “Laughing out loud.”

Mord des Sonntags: Mit der eigenen Geige verprügelt.

Die Kölner begeben sich mit Tatort – Ohnmacht wieder in die Talsohle deutscher Tatort-Unterhaltung oder was denkt ihr?

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