Durch Infinity War können wir das MCU endlich wieder ernst nehmen

28.04.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Avengers 3: Infinity War
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Avengers 3: Infinity War
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Passend zum 10-jährigen Jubiläum des MCU ist Avengers 3 der erhoffte Höhepunkt, der das Franchise auf eine neue Ebene befördert. So emotional und gewichtig wie jetzt war die Filmreihe nie.

Achtung, harte Spoiler zu Avengers 3: Infinity War: Avengers 3: Infinity War ist der bislang beste Film des Marvel Cinematic Universe. Eine Lobpreisung, die zweifelsohne hoch greift und doch angebracht ist für diesen Film, der zugleich das 10-jährige Jubiläum des MCU markiert. Auf bislang 19 Filme kommt das milliardenschwere Filmuniversum von Marvel-Chef Kevin Feige, das Filmfans, Cineasten und Gelegenheitskinogänger regelmäßig in der Mitte spaltet und die Kinokassen trotzdem jedes Mal wieder aufs Neue erbeben lässt. Ließ sich über die Qualität der einzelnen Beiträge des MCU schon immer vortrefflich streiten, so vereint die 18 Filme in Anbetracht von Avengers 3: Infinity War aber doch ein gemeinsames Merkmal: Sie alle wirken rückblickend wie mühevoll und beharrlich betriebene Vorarbeit, die nun dazu geführt hat, dass der aktuelle MCU-Beitrag von Anthony Russo und Joe Russo eine Emotionalität und Drastik erreicht, die sich in derartigem Ausmaß innerhalb dieses filmischen Universums zuvor nur erahnen ließ.

Dieses Gefühl, dass in Avengers 3: Infinity War diesmal tatsächlich nichts und niemand sicher ist, stellt sich dabei direkt zu Beginn des Films ein. An Bord des Raumschiffs, mit dem Thor, Loki, Bruce Banner und zahlreiche andere Asen in der Post-Credit-Szene von Thor 3: Tag der Entscheidung auf dem Weg zur Erde waren, werden die Konsequenzen einer fatalen Begegnung umgehend sichtbar gemacht - das Raumschiff von Titan Thanos war vor ihnen aufgetaucht. Die Anhänger der Black Order, welche Thanos' ganz persönliche Leibgarde darstellt, schreiten über diverse Leichen, die über den Boden verstreut sind, Tod und Verderben liegt in der Luft und die Atmosphäre des Films entfaltet eine Stimmung der Ausweglosigkeit, die sich wie ein bitteres Gefühl auf der Zunge des Zuschauers ausbreitet.

Avengers 3: Infinity War

Im MCU ein Gefühl von nie da gewesener Drastik

Keine 10 Minuten vergehen in diesem Auftakt und der Film verzeichnet die ersten beiden Tode bekannterer Figuren, als Heimdall von Black Order-Scherge Corvus Glaive erstochen und Loki nach einem versuchten Hinterhalt von Thanos persönlich langsam und grauenvoll erwürgt wird. Ziehen wir einen Vergleich zur jüngeren Popkultur, dann ist die Eröffnungspassage von Avengers 3: Infinity War für das MCU das, was die 1. Episode der 7. Staffel von The Walking Dead für die Serie bedeutet hat. Hauptantagonist Negan tritt hier zum ersten Mal mit geradezu nihilistischer Brutalität auf.

Im Gegensatz zur AMC-Serie stellt dieses Gefühl im Kontext des MCU allerdings eine ungewohnte Neuerung dar. Bisher waren die Filme in erster Linie leichtfüßiges Blockbuster-Kino, in dem tatsächliche Gefahren nur vage Andeutungen waren. Kam es doch einmal zu dramatischen Momenten, dann war der nächste One-Liner oder die humorvolle Auflockerung in der Regel nie weit entfernt und diente meist dazu, ernste Anflüge noch in derselben Szene geradezu im Keim zu ersticken. Die potentielle Aussicht, dass einer der Superhelden womöglich wirklich das Zeitliche segnen könnte, stellte sich nie ein.

In den seltenen Fällen, dass eine Figur wie Loki in Thor 2: The Dark Kingdom oder Nick Fury in Captain America 2: The Return of the First Avenger scheinbar das Zeitliche segneten, standen sie oftmals noch im gleichen Film oder spätestens einen MCU-Beitrag später wieder wie durch ein Wunder von den Toten auf. Ein Tod, der bislang tatsächlich emotionales Gewicht hatte, war das Ableben von Quicksilver in Marvel's The Avengers 2: Age of Ultron. Vorgetäuschten Toden oder vorschnellen Wiederbelebungen schob Produzent Kevin Feige im Vorfeld der Veröffentlichung von Avengers 3: Infinity War dagegen einen Riegel vor, indem er ankündigte, dass alle Tode in dem Film von permanenter Dauer seien.

Thor 2: The Dark Kingdom

Gefühle, die sich ausbreiten dürfen, trotz Witzen

Wenig überraschend ist Avengers 3: Infinity War dadurch allerdings kein bleischweres Drama geworden, in dem die gelegentlich knallbunten Farben des MCU von grauer Tristesse verdrängt werden. Auch Humor gibt es im Film der Russos ebenfalls wieder zur Genüge. Trotzdem unterliegen die witzigen Momente dieses Films, die aufgrund der jahrelang durchexerzierten Charaktermacken der Superhelden tatsächlich ungemein komisch ausfallen, einem anderen Timing als bisher gewohnt. Dramatische sowie emotionale Momente dürfen diesmal länger ausgespielt werden und häufig dauert es, bis zur nächsten Teilgruppe der zahlreich vertretenen Heldenfiguren geschnitten wird, bis der Film schließlich doch wieder heitere Töne anschlägt.

Neben der Figurendynamik, die vor allem in den Streitereien zwischen Tony Stark und Doctor Strange sowie Thor und Star-Lord Peter Quill zum Tragen kommt, sowie den wuchtigen Set-Pieces, in denen wieder einmal kaum ein Stein auf dem anderen bleibt und ganze Straßenzüge in Schutt und Asche gelegt werden, strahlt eine ernstzunehmende Emotionalität durch einen Großteil des Films. Die große Zusammenkunft der vielen unterschiedlichen Superhelden wird in Avengers 3: Infinity War neben der obligatorischen Action auch zu einer Zusammenkunft von Gefühlen aller Art, unter denen große Zweifel, schwere Erschütterungen und überraschender Pessimismus andere Stimmungslagen immer wieder überlagern.

Avengers 3: Infinity War

Das "Bösewicht-Problem" des MCU und echte Emotionen

Zum ersten Mal sind es in Avengers 3: Infinity War aber nicht nur die Helden, die von Gefühlen ergriffen werden. Mit Thanos präsentiert das MCU zusätzlich den bislang herausragendsten Bösewicht, der im Film der Russos Charakterfacetten zugestanden bekommt, mit denen im Voraus wahrscheinlich die wenigsten gerechnet hätten. War der Titan bislang eher der typisch eindimensionale Bösewicht, der alle Infinity-Steine sammeln will, um die Hälfte der Bevölkerung des Universums auszulöschen, werden wir den Bösewicht nach Avengers 3: Infinity War nicht mehr mit den gleichen Augen betrachten können.

In einer der bewegendsten Szenen des Films sind Thanos und seine Adoptivtochter Gamora auf dem Planeten Vormir angelangt, auf dem sich der Soul Stone befindet, hinter dem der Titan schon so lange her ist. Empfangen wird das dysfunktionale Familien-Duo hier von Red Skull, dem Hüter des Soul Stones. Dieser nennt Thanos die einzige Bedingung, unter der er in den Besitz des Infinity-Steins gelangen kann: Er muss jemanden opfern, den er liebt.

Triumphierend bricht Gamora in Gelächter aus und hält ihrem Stiefvater vor, dass dieser endlich seine gerechte Strafe vom Universum erhalten würde. Da es niemanden geben würde, den er liebt, kann Thanos unmöglich in den Besitz des Soul Stones kommen. Was auf die Szene folgt, ist kein wütender Ausbruch des Titanen, sondern Tränen, die in einer Reaktion der ungeschützten Verletzlichkeit über die Wangen des Bösewichts fließen, während Gamora realisiert, dass sie es ist, die Thanos opfern muss und opfern wird. Erstmals markiert Avengers 3: Infinity War mit dieser Szene den Moment, in dem das vermeintlich pure Böse weinen und trauern darf.

Avengers 3: Infinity War

Das MCU zermalmt unter der Stille der Apokalypse

Als die Schlacht in Avengers 3: Infinity War im Finale ihren Höhepunkt erreicht und Thor kurz davor ist, Thanos mit einer speziell geschmiedeten Axt zu besiegen, findet der Film ganz zum Schluss plötzlich zu einem verblüffenden Ende. Nachdem Thanos kurz zuvor auch noch Vision tötete und in den Besitz des Mind Stones gelangte, hat der Titan schließlich alle 6 Infinity-Steine zusammen. Indem er den Infinity-Gauntlet aktiviert, kurz bevor sein Schicksal durch Thor besiegelt zu sein scheint, verschwindet Thanos und setzt eine abschließende Sequenz in Gang: eine Apokalypse der Stille.

Mit einer Ruhe, die ebenso harmonisch wie verstörend wirkt, löst sich die Hälfte der Superhelden vor den Augen der anderen auf, die alleine zurückbleiben. In weit aufgerissenen Augen und verwirrten Gesichtern finden die Russos völlig ohne Getöse zu einem unkonventionellen Meer der multiplen Verluste, in dem sich Körper langsam und still in Aschehäufchen verwandeln. Da Avengers 3: Infinity War bekanntermaßen die erste Hälfte eines auf zwei Filme ausgelegten Events darstellt, das in einem Jahr zusammen mit Avengers 4 den endgültigen Abschluss einer langen Phase bedeutet, lässt sich diese finale Entwicklung noch nicht endgültig einordnen.

Das MCU - Ein Kino-Mythos, der sich ernst nehmen lässt

Im schlimmsten Fall machen die Russos diese einschneidende Entwicklung schon in den ersten Minuten des Nachfolgers wieder rückgängig und rauben diesem Film rückwirkend viel von seiner Kraft. Als alleinstehendes Werk lässt Avengers 3: Infinity War das MCU allerdings so stark wie nie als wuchtigen Kino-Mythos erstrahlen, der sich endlich wieder ernst nehmen lässt. Dieser Strahlkraft setzen die Regisseure ganz am Ende auch den Titanen Thanos aus, welcher mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Sonnenuntergang blickt, der sich inmitten des malerischen Panoramas ereignet, das die Russos mit kräftigen Pinselstrichen malen.

Hat euch Avengers 3: Infinity War auch so begeistert oder seid ihr ganz anderer Meinung?

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