Die WM und das Kinoloch - viel Fußball, wenig Film

11.06.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Deutschland. Ein Sommermärchen
Kinowelt
Deutschland. Ein Sommermärchen
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Je voller die Public-Viewing-Plätze, desto leerer die Kinos? Filmverleiher zumindest scheuen die Fußball-WM und lassen gleich vier Wochen lang keine Blockbuster starten. Für Studios bedeutet das Chaos, für Fußballmuffel ein dürftiges Kinoangebot.

Dieser Tage wird das Kino seinem Ruf als magischer Zufluchtsort nur schwerlich gerecht. Gleichwohl die Vorstellung natürlich vollkommen abwegig ist, teilt vielleicht doch nicht jeder Mensch die Begeisterung über nationalstaatliche Sportereignishysterie. Für Filmfreunde zumindest, denen die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in umfänglichem Maße egal ist, könnten die kommenden vier Wochen zu einer cinephilen Belastungsprobe werden. Wenn vom 12. Juni bis zum 13. Juli in Brasilien die Bälle rollen, dann ist der Kinobetrieb weitgehend still gelegt. Ausgerechnet! Schließlich lässt es sich gerade dort so wunderbar aushalten, in klimatisierten Sälen mit schönen Filmen, fernab brüllender Hitze, ganz ohne Vuvuzela-Getröte und jubelschreiendem Böllerterror.

Mühevolle Anpassung der Starttermine
Die Kinobetreiber wissen zwar um den traditionellen Besucherrückgang während des Großereignisses, planen aber entsprechende Umsatzverluste ein und locken mit, was sonst, Live-Übertragungen ausgesuchter Spiele, an denen sich etwa die Multiplexketten Cinemaxx, Cinestar und Cineplex engagiert beteiligen. Etwas anderes bleibt ihnen allerdings auch gar nicht übrig: Weil Verleiher dem Glauben aufsitzen, das Publikum würde großen Filmen im Verlauf der Weltmeisterschaft fernbleiben, sorgen sie vorsichtshalber gleich selbst für eine vierwöchige Kinoflaute. Und lassen im Startkalender entweder gähnende Leere walten. Oder füllen diesen mit Ramsch und Filmen auf, in die sie offenbar nicht sonderlich viel Vertrauen setzen.

In einer Kinogegenwart, die von wöchentlich anlaufenden Tentpole-Produktionen bestimmt ist, wirkt ein solches WM-Loch plötzlich beinahe anachronistisch. An fünf aufeinander folgenden Donnerstagen starten nun keinerlei Hollywood-Blockbuster oder 3D-Spektakel in den deutschen Kinos. Eigens für die Fußball-Weltmeisterschaft wurde ihre Veröffentlichung entsprechend umterminiert, freilich auf Anweisung der Studios. So startete beispielsweise Edge of Tomorrow in zahlreichen, als besonders fußballaffin geltenden, Ländern bereits eine Woche vor seinem US-Release. In Deutschland trat er dadurch in direkte Konkurrenz zu zwei weiteren potentiellen Kassenhits, Maleficent – Die dunkle Fee sowie A Million Ways to Die in the West , und musste sich ihnen auch prompt geschlagen geben (die bisherigen deutschen Besucherzahlen sind katastrophal). „Das Timing der Weltmeisterschaft könnte gar nicht schlechter sein“, kommentierte Craig Dehmel, Senior-Vizepräsident für strategische Planung bei 20th Century Fox International, die Situation. Auch Fox passte die Starttermine der Blockbuster X-Men: Zukunft ist Vergangenheit und Planet der Affen – Revolution den Gegebenheiten der Fußball-WM an.

Verspätete Affen, nachzügelnde Roboter
Die Folge ist ein an und für sich nicht sonderlich dramatisches Veröffentlichungschaos, das jedoch dem Studio-Glaubenssatz weltweit zeitgleicher Starttermine zuwiderläuft. Je größer der Abstand zwischen Release-Dates im In- und Ausland, so die berechtigte Angst, desto mehr steige die Gefahr illegaler Verbreitung der Filme über das Internet. Im Falle des neuesten Planet der Affen kommt es deshalb zu großen Startterminunterschieden: In den USA ist er ab dem 11. Juli 2014 zu sehen, wohingegen sich Zuschauer anderer Länder bis zum Ende des Turniers gedulden müssen – und in Deutschland beträgt das Zeitfenster sogar einen Monat.

Mit Transformers 4: Ära des Untergangs verhält es sich ganz ähnlich: Auf dem heimischen Markt wird er inmitten der Fußball-WM ausgewertet, in Deutschland und anderen sogenannten Fußballnationen wie Frankreich, Holland und Italien ist der Film erst bis zu zwei Wochen später zu sehen. Dieser Prozess bildet letztlich auch ein anschauliches Beispiel für den Bedeutungszuwachs einst vergleichsweise weniger relevanter internationaler Filmmärkte, deren Einnahmen für die US-Studios längst zum einem wesentlichen Faktor in Kalkulation und Existenzsicherung geworden sind.

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