Die Sopranos - Wie die wichtigste Serie der letzten 20 Jahre wiederaufersteht

25.01.2019 - 11:10 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Die SopranosHBO
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Kaum eine Serie hat so tiefe Spuren in der TV-Landschaft hinterlassen wie Die Sopranos mit James Gandolfini. 20 Jahre nach dem Start der Serie beginnt ein Prequel-Film, nach und nach Form anzunehmen - es ist auch höchste Zeit.

Als 1999 die erste Folge von Die Sopranos bei HBO über die heimischen Bildschirme flimmerte, ahnte noch niemand der Beteiligten, zu welcher Bedeutung es die Serie einmal bringen würde. Und wie auch? Bereits in der Auftaktepisode erleben wir einen Mafiaboss, der - so viel wird schon jetzt klar - zwar eine Autorität darstellt und es sichtbar zu einem gewissen Wohlstand gebracht hat, aber trotzdem ganz und gar nicht der skrupellose Macho ist, für den wir ihn eigentlich halten müssten. Tony Sopranos fast schon zärtlicher Umgang mit den Enten in seinem Pool irritiert und fasziniert gleichermaßen. Zuschauer wie Kritiker waren danach bereit, sich 6 Staffeln lang auf einen Gangster in Psychotherapie einzulassen. Ein neues Fernsehzeitalter erblickte das Licht der Welt.

Die Sopranos stehen für eine neue Qualität des Fernsehens

Die Erkenntnis, dass Kriminelle auch nur Menschen sind, war Ende der 1990er Jahre natürlich nicht neu, immerhin hatte gerade erst Quentin Tarantino ein größeres Publikum mit seinen ersten Filmen wieder daran erinnert. Dass neben dem Kino auch das Fernsehen - Heimat der Spielshows und Telenovelas - für so viel mehr als Zerstreuung bestimmt sein kann, davon musste der eine oder andere Zuschauer allerdings erst noch überzeugt werden und so oblag es den Sopranos, Pionierarbeit zu leisten.

Die Sopranos

Gute Serien gab es freilich schon vorher, doch keiner war es gelungen, den Senderchefs das Potenzial düsterer Geschichten mit widersprüchlichen Figuren in vergleichbarem Maße näherzubringen. Sogar Genies wie David Lynch und Mark Frost hatten sich zuvor die Zähne ausgebissen, denn für die 2. Staffel ihres später zum Kult erhobenen (und 2017 wiederauferstandenen) Twin Peaks mussten sie ihre Vision hinten anstellen.

Heute hingegen sind ausgereifte Drehbücher, originelle Ideen und Produktionsstandards auf Filmniveau das, wonach alle streben. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Eine Qualitätsserie kann ihrem Sender sogar ein Gesicht geben und ihn zu einer Marke machen, die weit über die nationalen Landesgrenzen hinaus Schatten wirft. Lange, bevor HBO für Game of Thrones stand, rissen die Sopranos eine Mauer ein.

Wie James Gandolfini durch Die Sopranos zur Legende wurde

Jedoch führen selbst das beste Skript und die größten Geldsummen nicht zwangsläufig einen Cast zusammen, der so perfekt harmoniert wie der von Die Sopranos. Die Serie startete ohne Superstars, zur großen Überraschung der Produzenten ließ sich davon aber niemand vor den heimischen Bildschirmen abschrecken. Im Gegenteil: Es genügte das Charisma von Hauptdarsteller James Gandolfini, um das Bild eines Berufskriminellen zu zeichnen, das Genre-Fans in einigen Punkten vertraut anmutete und zugleich etwas ganz Neues offenbarte.

Was Gandolfini selbst von Mafiafilm-Ikonen wie Robert De Niro abhob, ist die Verletzlichkeit, die er seinen Figuren einhauchte. Nur er schaffte es, einen Gangsterboss überlebensgroß und zugleich wie einen Typ von nebenan zu spielen. Bekommt Tony Soprano nicht, was er will, wird er zum quengeligen Kleinkind, das aufgrund seiner Machtposition unvermittelt zu grausamen, folgenschweren Mitteln greifen kann. Dies wiederum macht ihn gefährlich, ist aber noch lange nicht die ganze Wahrheit über die Figur.

Ein Gangsterboss bei der Psychotherapie

Betrachten wir zum Beispiel Tonys Skrupel, seinen guten Freund Big Pussy wegen vermuteten Betrugs aus dem Weg zu räumen, wird klar, dass er Gewalt vor allem deshalb ausübt, weil es sein Umfeld von ihm verlangt. In seiner Position als Familienvater vermittelt er jene Bürde gegenüber seinem Sohn Anthony Jr., der daran verzweifelt, in die Welt der Erwachsenen einzusteigen. Kurzum: Die Sopranos ist die ultimative Serie über das Mannsein - und anders als bei Frank Underwood brauchen wir uns nicht einmal andauernd schlecht dafür zu fühlen, die Hauptfigur ins Herz geschlossen zu haben.

Warum es mit den Sopranos weitergehen muss

2019 sind wir längst im Zeitalter des Peak TV angekommen: Hochklassige Serien sprießen - nicht nur bei HBO - regelmäßig aus dem Boden, drohen aber stets, in einer unübersichtlichen Masse an Produktionen unterzugehen. Auch so lässt sich erklären, dass eine dringliche Nostalgie für moderne Fernsehklassiker besteht, die von den Sendern fleißig gestillt wird. So können wir uns aktuell etwa neben einem abschließendem, lange geplanten Deadwood-Film auch auf eine Wiederbelebung von Breaking Bad freuen.

Die Ankündigung eines Sopranos-Prequels überraschte im vergangenen Frühjahr dementsprechend kaum. Mit dem in den 1960er Jahren angesiedelten Film The Many Saints of Newark kann eine große Fanbase beglückt werden, ohne, dass der zwischenzeitliche Tod mehrerer Darsteller der Hauptbesetzung wie Frank Vincent und natürlich James Gandolfini ein Problem sein muss. Wie mittlerweile feststeht, wird indes tatsächlich auch ein junger Tony Soprano in dem Film auftauchen, den gemäß einem Bericht von Deadline  ausgerechnet Michael Gandolfini - der Sohn des dreifachen Emmy-Preisträgers - verkörpern soll.

Michael Gandolfini in The Deuce

Michael Gandolfini tritt für den Sopranos-Film in große Fußstapfen

Mit jener Meldung sorgen die Macher des Sopranos-Films schon jetzt für Aufsehen, denn die Verpflichtung von Michael Gandolfini wirkt ebenso naheliegend wie spektakulär. Abseits einer Rolle in dem von Kritikern gefeierten The Deuce weist der 19-Jährige bislang kaum Schauspielerfahrung auf, nun aber soll er die womöglich legendärste Serienfigur neu zum Leben erwecken. Andererseits: Wer könnte dies wohl besser als jemand, der die Gene von James Gandolfini besitzt?

Wie es heißt, stach Michael Gandolfini beim Vorsprechen zahlreiche Bewerber aus, seine Besetzung in The Many Saints of Newark gründet also zumindest nicht allein auf potentiellem Fanservice. Gewiss ist die Entscheidung streitbar, Tony Soprano überhaupt noch einmal ins Spiel (und jetzt sogar auf die große Leinwand) zu bringen, doch ist niemand Geringeres als Sopranos-Schöpfer David Chase als Drehbuchautor stark in den kreativen Prozess involviert, was viele Anhänger des Originals beruhigen dürfte. Und seien wir ehrlich: Nichts ist verlockender als die Vorstellung, Tony Soprano noch einmal im Morgenmantel die Zeitung aus dem Briefkasten fischen zu sehen.

Haltet ihr Michael Gandolfini für den perfekten jungen Tony Soprano?

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