Die digitale Revolution

20.11.2009 - 13:21 Uhr
TV - Quo vadis?
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TV - Quo vadis?
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Gestern noch in die Röhre geguckt, morgen schon mit dem Flatscreen ins Internet. Das Fernsehen befindet sich im Umbruch. Moviepilot-Mitbegründer Jon Handschin über die aktuellen Entwicklungen und das Fernsehen der Zukunft.

Gerade erst haben die meisten von uns Abschied von ihren alten Röhrenfernsehern genommen und schicke Flachbildschirme an die Wand gehängt. Ungeduldig warten wir darauf, dass die Sender endlich die neue Zeitrechnung beginnen und das HD Signal ausstrahlen, das aus unseren Bildschirmen das Maximum rausholen wird.

Dabei deutet sich hinter den Kulissen ein viel tiefgreifenderer Umbruch an, gegen den der Wechsel von Röhre- zu Flat-Screen-TV, von analogem zum digitalen Signal, nur wie die Ouvertüre zur eigentlich Revolution wirkt. Die sich immer mehr anbahnende Verschmelzung von klassischem Fernsehen und dem Internet, die man mit dem Buzz-Wort IPTV bezeichnet, wird nicht nur unsere Sehgewohnheiten radikal verändern, sie wird auch eine Industrie auf den Kopf stellen, die seit der Einführung der Privatsender nahezu ungestört vor sich hingesendet hat.

Aufbruch auf der IFA

Aber der Reihe nach: Auf der IFA im September in Berlin war bei ausnahmslos allen Fernsehgeräteherstellern sogenannte Hybrid-TV-Geräte zu bewundern. Diese verfügen über einen mehr oder weniger offenen Internetzugang. Plötzlich sind Angebote wie Youtube, Flickr und Maxdome nicht mehr Marken, die man zwangsläufig mit dem PC im Arbeitszimmer verbindet, sondern die plötzlich im Wohnzimmer, auf dem Fernsehgerät erscheinen. Meistens sind es ausgewählte Internetmarken, die in einem „Walled Garden“ vom Gerätehersteller zur Verfügung gestellt werden. Sie weisen eine extra für das Fernsehgerät aufbereitete Benutzeroberfläche auf, mit einem reduzierten Design und größeren Schriften, die auch aus 5 Meter Entfernung noch problemlos zu lesen sind.

Internetangebote auf dem Fernseher? Was sich im ersten Eindruck harmlos anhört, schickt sich an, die gesamte Fernsehlandschaft in einem bisher völlig unbekannten Maße zu verändern. Die TV-Anstalten bereiten sich auf diese neue Zeitrechnung vor, in dem sie in den letzten Jahren verstärkt an ihren non-linearen Angeboten wie der ZDF Mediathek oder RTL Now gearbeitet haben. Was bisher eher ein Nischenprogramm für eine interessierte Netzgemeinde darstellte, wird in Zukunft die vornehmliche Art und Weise des Fernsehkonsums für uns darstellen.

Zeitdruck Ade: Asynchrones Gucken wird die Regel

Die Tagesschau um 20:17 Uhr schauen? Kein Problem. Die aktuelle Popstars-Folge statt donnerstagabends am Samstagmorgen nachholen. Im wahrsten Sinne des Wortes jederzeit. Aber die neuen Möglichkeiten schaffen auch völlig neue Konkurrenten für die TV-Anstalten. Hersteller von Peripheriegeräten, wie z.B. die Playstation von Sony oder die X-Box von Microsoft, bauen rasant den Service ihrer Online-Shops aus. Zunächst dienten die Online-Funktionen der Spielkonsolen dazu, weltweit gegen andere Spieler antreten zu können. Doch schon bald wurden über den digitalen Kanal neue Computerspiele oder Bezahl-Content wie einzelne Songs für die überaus beliebten Musikspiele Guitar Hero und Rock-Band vertrieben. In der neuesten Stufe bauen die Konsolenhersteller gerade ein beeindruckendes Video-on-Demand Angebot aus, dass nach den USA jetzt auch in Deutschland Hollywood-Blockbuster zum legalen Download anbietet.

Parallel drängen die deutschen Video-on-Demand-Anbieter wie Maxdome auf die Hybrid-TV-Geräte. Und alle schauen gespannt, was Steve Jobs mit iTunes noch vorhat, nachdem es ihm mit dem iPod schon gelungen ist, die Musikindustrie auf den Kopf zu stellen. Das Spielfilmangebot auf iTunes wächst täglich an und man darf gespannt sein, ob Apple nicht doch noch ein Wundergerät zum Thema Fernsehen in der Hinterhand hat. Ein
klassischer Spielfilmsender wie Pro7, der den Sonntagabend mit Hollywood-Blockbustern besetzt, sieht sich durch all diese Entwicklungen plötzlich einer völlig neuartigen Konkurrenzsituation ausgesetzt.

Konkurrenz: Jeder gegen jeden

Der Wettbewerb besteht nicht mehr nur im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer für die eigene Sendung gegen den Tatort in der ARD oder die Pilcher-Verfilmung im ZDF. Stattdessen konkurriert man plötzlich mit dutzenden von Programmanbietern, die eine Auswahl zwischen 20.000 Filmen gleichzeitig anbieten. Und mitten in dieser aktuellen Marktverschiebung positionieren sich die großen Internetmarken neu. Allen voran Youtube, deren TV-Anwendung man auf fast allen Hybrid-TV-Angeboten an erster Stelle findet. Youtube bereitet sich auf eine Zukunft vor, die nicht mehr in den verwackelten Handyfilmchen seiner Mitglieder besteht, sondern in der professionell hergestellter Premium-Content weltweit ausgestrahlt werden kann. Youtube will auf diesem Weg nichts anderes als die größte Sendeanstalt der Welt werden (und parallel Google neben der Vorherrschaft im Web-Advertising auch einen Löwenanteil des noch lukrativeren Bewegtbild-Werbemarktes weltweit einverleiben).

Fernsehanstalten werden von linearen Programmanbietern zu non-linearen Programmarken, Fernsehgerätehersteller integrieren Internetangebote, Internetfirmen werden zu Sendeanstalten. In diesem sich verändernden Wettbewerb ist noch nicht final entschieden, wer am Ende zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern gehören wird. Sicher ist, dass die Programmauswahl des Zuschauers am Fernsehgerät sich dramatisch vergrößern wird.

moviepilot: Persönliche Empfehlung statt Programmzeitschriften

Hierfür haben wir moviepilot vor zwei Jahren gegründet: Ein neuer Programmführer, der hilft, den richtigen Film zu wählen, wenn eine klassische Fernsehzeitschrift vor den schieren Möglichkeiten des Überangebots kapituliert. Wenn wir zu Hause ein Dutzend legaler Video-on-Demand-Angebote per Knopfdruck auf den Fernseher zaubern können, wird es noch wichtiger, passende Filmempfehlungen zu bekommen. Unser personalisierter Ansatz der Filmempfehlung, der auf dem Geschmack jedes einzelnen unserer Mitglieder basiert, soll sicherstellen, dass jeder aus zehntausenden von Filmen genau diejenigen findet, die ihm auch wirklich gefallen werden. Zusätzlich arbeiten wir hinter den Kulissen an einem neuen Feature, dem sogenannten Filmfinder.

Diese moviepilot-Applikation wird es ermöglichen, anhand völlig neuer Filmkategorien wie “Handlungselemente” oder “gewünschte Stimmung” Empfehlungen zu erhalten. Mit dem Filmfinder lassen sich romantische Filme, die im Paris des 19. Jahrhunderts spielen, ebenso finden, wie harte Cop-Movies in New York, die mindestens eine Verfolgungsjagd aufweisen. Wir werden den Filmfinder in naher Zukunft auf moviepilot live stellen und sind gespannt auf Euer Feedback.

Wir haben moviepilot nie lediglich als Internetseite begriffen. Wir wollen die beste Filmempfehlung geben, völlig unabhängig vom Ort des Geschehens. Deshalb entwickeln wir uns ständig weiter und werden schon bald in der Lage sein, unsere personalisierten Filmempfehlungen dorthin zu bringen, wo Filme geschaut werden: Auf den Fernsehbildschirm im Wohnzimmer, der schon bald nicht mehr das Gerät sein wird, dass es gestern noch zu sein schien.

So stay tuned.

Jon Handschin

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