DEFA-Regisseur Kurt Maetzig ist verstorben

09.08.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Kurt Maetzig (links) mit anderen Künstlern
Bundesarchiv, Bild 183-33557-0001 / <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de">CC-BY-SA</a>
Kurt Maetzig (links) mit anderen Künstlern
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Im letzten Jahr feierte Kurt Maetzig seinen 100. Geburtstag. Nun ist der Mitbegründer der ostdeutschen DEFA gestorben. Er hat Filmgeschichte geschrieben.

In der Filmchronik Die Buntkarierten (1949) erzählte Kurt Maetzig die Lebensgeschichte von Guste, einem Dienstmädchen. Sie hat vieles erlebt: zwei Weltkriege, Inflation und Wirtschaftskrise, Militarismus und Faschismus, Kaiserreich und den Untergang des Dritten Reiches. Die kleinen, persönlichen Ereignisse um Guste umgab Kurt Maetzig mit großer Geschichte, er verdeutlichte den Zuschauern soziale Bewegungen, das Aufkommen des Faschismus und das Fehlverhalten des Einzelnen. Auch am Leben von Kurt Maetzig spiegelt sich ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte: Er war ein reicher Bürgersohn, der an der Sorbonne studierte und promovierte, ein kleiner Junge, der schon mit acht Jahren August Bebel las und im Widerstand gegen die Nationalsozialisten zum Kommunisten wurde, ein Halbjude, der nur knapp der Deportation durch die Nazi-Schergen entkam, ein Erneuerer, der eine neue Filmkultur entwickeln wollte, ein propagandistischer Staatsfilmer und ein verbotener Regisseur. Keine Formel fasst dieses Jahrhundertleben., schreibt Ralf Schenk in der Berliner Zeitung.

Kurt Maetzig hat einiges vollbracht: 1946 die DEFA mitgegründet, mit Ehe im Schatten einen der erfolgreichsten deutschen Filme der Nachkriegszeit gedreht, die ersten “Augenzeugen” (die ostdeutsche Wochenschau) verantwortet, als Rektor die erste deutsche Filmhochschule nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, mit Der schweigende Stern (1960) den ersten Science Fiction-Film der DEFA inszeniert. Kurt Maetzig setzte aber auch die Ernst Thälmann-Filme (1955/1956) in Szene, jene zwei ostdeutschen Propagandastreifen, die mit großem Produktionsaufwand und unter unmittelbarer Beteiligung der Staatsführung zum Maßstab für Filmbiographien über kommunistische Persönlichkeiten wurden und die Geschichte im Sinne der SED verherrlichten.

Auf der einen Seite seiner Filmografie stehen plakative Historienfilme wie Die Fahne von Kriwoj Rog (1967), aber auf der anderen Seite solch ein sensibler, moderner und aktueller Film wie Das Kaninchen bin ich (1965). Der Film wurde verboten, mit ihm die Hälfte einer ganzen DEFA-Jahresproduktion. Dabei erzählt er nur die einfache Geschichte einer jungen Frau (Angelika Waller), die Gerechtigkeit und moralische Integrität will. Sie wird enttäuscht von einem Richter, von einem Mann, vom System. Der politische Sprengstoff des Films liegt in der Figur des Richters, der heuchlerisch, feige und doppelzüngig nicht nur Recht spricht, sondern auch sein Leben gestaltet. Das Kaninchen bin ich ist eines jener Beispiele, wie DEFA-Filme hätten sein können: realistisch und kritisch, auf systemimmante Schwächen hinweisend. Das war naturgemäß nicht erwünscht und das Verbot eine nachvollziehbare Konsequenz. Kurt Maetzig übte danach “Selbstkritik”, die er später bereute. Noch bis Mitte der 1970er Jahre drehte er Filme, aber irgendwie erholte er sich künstlerisch nicht mehr von den harten Disputen um seinen Verbotsfilm, der vielleicht sein bester Film war.

In der Welt fasst Günter Agde zusammen: Kurt Maetzig war ein Künstler des Übergangs und des Wechsels, des Irrtums. Aufrichtig und ehrenwert in der Haltung und diskutabel im Werk.

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