Jeden Samstag geben wir euch eine Auszeit von der Zivilisation, vom endlosen Kreislauf neuer Serien, die gar nicht schnell genug fortgesetzt werden können, neuer Effektgewitter, die euch ins Kino zerren, neuer Blickwinkel, die euch die Welt erklären wollen. Jeden Samstag werfen wir einen Blick zurück, mal ins Grauen, mal in ein Herz, mal mitten in die Sonne. Habt ihr in den Untiefen moviepilots einen geheimen Kommentar der Woche entdeckt? Dann entreißt ihn der Dunkelheit und wir präsentieren ihn hier der Welt!
Der Kommentar der Woche
In A Cure for Wellness wartet eine Hydrotherapie auf euch, bei der selbst Kneipp persönlich Wasserscheu entwickeln würde. Ihr habt die Einladung in diesen Kurort des Grauens Anfang des Jahres ausgeschlagen? Ihr fühlt euch deswegen angemessen schmutzig und bereit für eine Waschung, der ihr nicht entkommen könnt? Dann lasst euch von vannorden langsam unter Wasser ziehen...
Ich persönlich würde sicherlich denken, dass der Mann mit der Ruhe, den Aalen und dem Wasser ein netter Mensch ist, der anderen helfen möchte. Aber A CURE FOR WELLNESS erzählt aus Sicht eines skrupellos aufsteigenden Bankkaufmanns und Workaholic. Und so ist dessen Ausflug in ein Luxusspa in die Schweizer Alpen, wo er nur kurz einen Sündenbock abholen soll, der Trip in ein schwarzromantisches Märchen, wo teuflische Hohepriester, hinter Masken der Hilfsbereitschaft versteckt, einen mit Wasser aussaugen, und wo Aale die Reste von einem vertilgen.
Von Gore Verbinski ist dieses gotisch-abgründige Institut der Heilung wie ein Badezimmer inszeniert, bei dem sich Schimmel und Moder schleichend durch die Fliesen und die Spiegel drücken, und einen langsam einkreisen … wie eine Würgeschlange. Überall findet sich dabei das Wasser. In Gläsern, in Tanks, im Klo, in Teichen, in Grotten, in den Träumen. Es ist der Hort der Gefühle und der Unsicherheit, der A CURE FOR WELLNESS bestimmt. Es ist der Tümpel des Brackwassers, in dessen unabschätzbaren Tiefen alles lauern kann. Und so lauert unter den immer präsenten Wasserflächen (manchmal sind es einfach Spiegel) auch so einiges.
Der Eine, der an
einen seltsamen Ort kommt, wo die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen.
Es hat etwas von Shutter Island, nicht nur weil Dane DeHaan wie ein
DiCaprio Stand-in wirkt. Doch dieser mythische Alptraum kommt aus ganz
klassischen Horrorecken. Denn unterhalb des ehemaligen Schlosses in den
Alpen liegt ein Dorf, das in den 50ern festzustecken scheint und wo Bars
80er-Jahre-Außenseiter mit Piercings beherbergen, die stets bereit
scheinen mit Mistgabel und Fackel nach oben zu den wahnwitzigen Fürsten
zu ziehen, deren widernatürliche Experimente zu stoppen haben, aber
jetzt erstmal unterhalb des Schlosses sich wegducken.
Dieser Ort, von
verfremdeten, anachronistisch zusammengesteckten FRANKENSTEIN- und
DRACULA-Tropen gespeist, hat zudem alte, zurückliegende Geheimnisse um
Mord, Inzest und eine perfide Perversion auf dem Weg zu einer unheiligen
Perfektion auf Lager. Ein Ort und ein Film, zerrissen zwischen glatter,
niederdrückender Teutonik und blühendem Jugendstil. Ein Sumpf von
regelmäßiger Schönheit.
Wasser ist in A CURE FOR WELLNESS stets etwas
Zersetzendes, was mit Feuer gereinigt werden muss. Aber alle und alles
möchte oder soll sich hier reinigen. Der Bankier wurde zu Beginn aus
einem hyperkapitalistischen Büro ohne Luft, Wärme und Behaglichkeit
losgeschickt. Der Startpunkt ist schon ein Ort des Horrors. Und wo immer
DeHaan hin stolpert, es wird nicht besser. Diese Verhandlung über die
amoralische Reinheit des modernen Kapitalismus vs esoterischen
Selbstsäuberungs- und Optimierungszwang vs deftiges Menschsein, alles
darin bezieht sich aufeinander als Reinigungsmittel und Dreck. A CURE
FOR WELLNESS hat einen allumfassenden Waschzwang, der, egal wo er
ankommt, immer neuen und immer mehr Dreck vermutet und findet.
Wasserdicht abgeschlossen ist dem nicht zu entkommen. Es wird sich kein
Ausweg gegönnt und am Ende schrubbt sich dieser Film stetig das grüne,
getragen-schöne, grauenvolle Fleisch von den Knochen.