Almodóvar - Spaniens pinkfarbener Sonnenaufgang

27.07.2009 - 12:16 Uhr
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Zerrissene Umarmung ist der neueste Film von Spaniens bekanntestem Regisseur Pedro Almodóvar. Zeit, mal einen Blick zurück zu werfen und zu entdecken, warum er so wichtig für das spanische Kino war und ist und was seine Filme alles verändert haben.

In den nächsten Tagen startet der neue Film von Pedro Almodóvar in den deutschen Kinos. Zerrissene Umarmungen erzählt die Geschichte einer Amour fou zwischen einem jungen Regisseur und einer Schauspielerin, die mit dem reichen Produzenten des Films liiert ist. Der Reigen aus Emotionen, Eifersucht und Anziehung gipfelt schließlich in einem Autounfall. 14 Jahre vergehen und das Leben des Regisseurs wird wieder mit diesem tragischen Moment konfrontiert. Wieder greift Almodóvar ein melodramatisches Thema auf und distilliert, was ihm wichtig erscheint.

Mit seinem gesamten Oeuvre hat Pedro Almodóvar es geschafft, dem Genre des Melodramas neues Leben einzuhauchen. Die Wege, die er geht, um seine Geschichten zu erzählen, sind so unkonventionell wie seine Geschichten selber. Immer wieder wird Almodóvars Werk in die Nische des Queer Cinemas gerückt, und er hat auch 1987 für Das Gesetz der Begierde den ersten Teddy Award, den schwul-lesbischen Preis der Berlinale gewonnen. Aber Almodóvars Filme sind mehr als das.

1. Pedro Almodóvar, ein schwuler Filmemacher?

Pedro Almodóvar sieht sich selbst nicht als einen schwulen Filmemacher. Ganz wie bei den Figuren seiner Filme, beschreibt er seine Sexualität als etwas Fließendes, jenseits aller Kategorien. So verlieben sich in seinen Filmen auch immer wieder Männer und Frauen unterschiedlichster sexueller Ausrichtung ineinander. Die Grenzen von Sexualität und Geschlecht sind nie klar definiert. Es gibt bei ihm nicht DEN Heterosexuellen, DIE Lesbe oder DEN Schwulen. Selbst die Geschlechter sind bei ihm nicht eindeutig definiert – immer wieder tauchen in seinen Filmen Transvestiten auf. Indem diese Grenzen fließend wurden, erweiterte Pedro Almodóvar auch die Möglichkeiten der Erzählung – jede erdenkliche Kombination erscheint auf einmal möglich und realistisch.

Doch Almodóvars Bedeutung geht noch viel weiter. Seine Filme zielen nicht nur auf die sexuelle Freiheit. Mit ihr einher geht auch eine neue Herangehensweise an Kultur und Gesellschaft. Alte, verkrustete Strukturen waren nicht mehr länger unumstößlich. Pedro Almodóvar zeigte die Möglichkeit, dass Konventionen ohne Schockeffekte aufgebrochen werden können, und dem Zuschauer gleichzeitig ein Gefühl von Realität zu vermitteln – quasi die Gesellschaft und ihre eigene Wahrnehmung durch die Kunst zu erweitern.

Unter der Diktatur von General Franco unterlag das spanische Kino einer strengen Zensur und einer Vielzahl von Einschränkungen. Erst mit dem Tode Francos 1975 und Abschluss der Transición 1978 befand sich Spanien auf dem Weg zu einer freiheitlichen Demokratie. Dies bedeutete aber, daß die Entwicklungen in den übrigen europäischen Ländern an Spanien nahezu spurlos vorbeigegangen waren. Die 68er brachten zum Beispiel in Deutschland und Frankreich größere Freiheiten und Emanzipation in Kultur und Gesellschaft – ungefähr zur gleichen Zeit verschärfte das Franco-Regime noch die Filmzensur: es durfte weder Ehebruch noch Scheidung gezeigt werden, “unerlaubte erotische Beziehungen” und Empfängnisverhütung mussten aus den Filmen geschnitten werden. Spanien hatte also noch viel nachzuholen. Und Pedro Almodóvar war genau der Richtige, um diese neue Zeit in Bilder zu verpacken.

1. Pedro Almodóvar, Repräsentant des spanischen Queer Cinemas

Erst 1982 endet der Demokratisierungsprozess. Doch nicht nur auf politischem Gebiet begannen die Veränderungen. Auch kulturell und gesellschaftliche Entwicklungen setzten ein. In eben dieser Zeit der Umbrüche begann Pedro Almodóvar seine filmische Arbeit. In kürzester Zeit wurden sein Stil und seine Inhalte emblematisch für das neue Spanien. Almodovar zeigte Dinge, die bis dahin undenkbar schienen. Homosexualität und emanzipierte Frauen tauchten auf, seine ironische, mit dem Kitsch spielende Bildsprache gab dem spanischen Kino zurück, was es so lange vermisste: Almodóvars Filme waren Freiheit – und diese Freiheit sah auch noch verdammt gut aus!

Almodovars neue Auffassung von sexueller Orientierung liess sich ebenso auf soziale Strukturen übertragen. Festgefahrene Ansichten und Konventionen konnten in Frage gestellt und aufgebrochen werden. Die Rolle der Frau war nicht in ein gesellschaftliches Korsett gezwängt, die Beziehungen zweier Menschen hatten nicht länger innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu verlaufen. Das Ende einer Geschichte zwischen zwei Menschen war auf einmal völlig offen.

Während Pedro Almodóvar in seinen Filmen das Fließen der sexuellen Identitäten ineinander immer wieder aufgreift, läuft er jedoch gleichzeitig Gefahr, eben nur darauf festgelegt zu werden, dass es gar kein schwul oder lesbisch oder hetero gibt, sondern nur die Sexualität an sich. Alles wird auf der einen Seite beliebig und konturlos. Wahrscheinlich ist es aber gerade diese unaufdringliche, offene Darstellung, dem Fluss, dem Nicht-Festgelegten, an dem Almodovars Erfolg über die Grenzen des Queer Cinema hinaus liegt.

Die von Almodovar geschaffenen, neuen Freiheiten in der Darstellung inspirierte und inspiriert weiterhin auch immer wieder Filmemacher, auch über Spaniens Grenzen hinaus. Nicht nur Almodovars bisweilen schwülstige Bildsprache und seine vielen Zitate und Anspielungen finden Nachahmer, auch seine Herangehensweise an Stoffe und Themenwahl haben Türen für nachfolgende Filmemacher aufgestossen.

1. Queer Cinema der iberischen Halbinsel im Gefolge Almodóvars

João Pedro Rodrigues aus Portugal oder der spanische Autor, Schauspieler und Regisseur Ramon Salazar zum Beispiel, greifen in ihren Filmen immer wieder Elemente wie den Bruch mit Konventionen oder das Fließende von Sexualität auf. Auch ihre Bilder erinnern sehr an Almodóvar, indem sie einen ebensolchen Hauch von Kitsch aufweisen. Auch die Vorliebe für die selben Arten von Figuren wie Almodóvar ist auffällig.

Auch im spanischen Fernsehen zeigen sich Almodovars Einflüsse. Dunia Ayaso und Felix Sabroso müssen sich über ihre melodramatische Serie Mujeres von 2006 immer wieder anhören, ihre Frauengestalten immer nur in den beiden Klischees der Hure oder der Heiligen zu zeigen. Dies sei eine sexistische Sichtweise, die eher dem Frauenbild der 50er Jahre entspräche. Ähnliche Vorwürfe werden Almodovar auch heute noch gemacht. Seine Frauenfiguren changieren in vielen Filmen zwischen Mutter/Tochter und Junkie/Prostituierte.

Gleichzeitig stechen Almodovars Frauenfiguren immer hervor. Sie werden nicht nur in Szene gesetzt, sie werden hervorgehoben. Trotz aller Stilisierung bleibt ihnen eine gewissen Natürlichkeit erhalten. So auch in Zerrissene Umarmungen. Almodovar zeigt uns eine Lena Penélope Cruz, die wunderschön ist und bezaubert, aber trotz allem jeden Moment des Films glaubhaft und nachvollziehbar erscheint.

Pedro Almodóvar selber nennt als seine Einflüsse Billy Wilder, Douglas Sirk, Alfred Hitchcock, Rainer Werner Fassbinder, Luis Buñuel, Edgar Neville, Federico Fellini, Luis García Berlanga, John waters und Ingmar Bergman. So trennt er sich auch für seinen aktuellen Film von seiner Vorliebe für die Optik der 80er Jahre. Stattdessen orientiert sich Almodovar dieses mal eher in Richtung Film noir der 50er Jahre.

Was seine Arbeiten selbst angeht, besteht Almodóvar darauf, dass er niemals absichtlich anhand seiner Filme irgendwelche Mauern eingerissen, die Gesellschaft in Frage gestellt hat. So hört es sich fast schon zu bescheiden an, wenn er sagt: “Ich habe einfach immer nur die Geschichten erzählt, die mich interessierten.” Ein Glücksgriff also? Auf jeden Fall ein Glücksgriff für das Kino.

Übrigens: Zerrissene Umarmungen läuft ab dem 6. August 2009. Premierenkarten dazu könnt ihr im Tobis Filmclub gewinnen!

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