Basierend auf Tennessee Williams' Drama A Streetcar Named Desire (Endstation Sehnsucht) strahlt National Theatre Live das Stück unter der Regie von Benedict Andrews aus dem Young Vic Theatre in London aus.
Neben Gillian Anderson in der Hauptrolle als Blanche DuBois finden sich auch Ben Foster als Stanley Kowalski und Vanessa Kirby als Stella Kowalski auf der Castliste.
Bei Bedarf den Soundtrack im Hintergrund laufen lassen.
Inhalt:
Als
Blanche DuBois' fragile kultivierte Welt in sich zusammenstürzt, wendet
sie sich trostsuchend an ihre Schwester Stella, die sich zusammen mit
dem polnisch abstammenden Arbeiter Stanley Kowalski eine kleine Existenz
in einem Arbeiterviertel in New Orleans aufgebaut hat. Doch durch die
unkontrollierbare Abwärtsspirale in der sich Blanche befindet, gerät sie
immer wieder an den brutalen und unerbittlichen Stanley.
Meinung:
Setting/Location:
Ich bin ein wenig mit gemischten Gefühlen aus dem Kinosaal gegangen. Auf der einen Seite bietet A Streetcar Named Desire
einige außerordentlich intensive Momente, allerdings schleichen sich in
den gut 3 Stunden Laufzeit auch einige Längen ein, über die man nicht
so leicht hinwegsehen kann.
Aber zunächst einmal ein paar Worte zum
Setting: Im Young Vic Theatre befindet sich die Bühne in der Mitte des
Raums, es liegt also im Mittelpunkt. Für das Stück wurde ein drehbarer
Untersatz gebaut, der das Haus, in dem sich das Drama abspielt dreht.
Das Haus selbst bestand zwar nur aus einem Metallrahmen, und vom
Innenleben her wurde es so hergerichtet, dass man einen Blick in die
Küche und dem "Wohnbereich", sowie den Schlafbereich (getrennt durch
einen weißen, recht transparenten Vorhang) und dem Badezimmer (getrennt
durch eine lose Tür) werfen konnte. Dazu befand sich außen vor der
Haustür eine Metalltreppe, die weitere Hauseingänge suggerierte und so
das New Orlean'sche Arbeiterviertel unterstrich. Vermutlich hätte ich
mich geärgert, wenn ich live dabei gewesen wäre, denn durch das Drehen
der Bühne hätte man vergleichsweise oft lediglich die Rückseite der
Akteure gesehen. Da lobe ich mir diese Übertragungen, da ist man
wirklich nah am Geschehen. Auch wenn mich das Gedrehe hin und wieder
gestört hat, nämlich wenn die Sicht auf die Gesichter der Schauspieler
von einer Tür o.ä. blockiert war. Leider passierte dies einige Male,
natürlich auch genau in den Momenten, in denen heftige verbale
Bemerkungen fielen und einem so die entgeisterten Blicke der Figuren
entgingen. Zwar nicht gerade optimal, bis auf dieses kleine Missgeschick
aber trotzdem sehr schön anzusehen, selbst wenn die Kameras das Gesichtete bestimmen und man sich dementsprechend nach ihnen richten
muss. Aber kein Problem, denn die Kameraführung war durchdacht.
In der
Werbepause nannte einer der Verantwortlichen des Theaters das Young Vic
ein "rock'n'roll house", was das Erlebnis auf dieser Bühne treffend
beschreibt. Ob A Street Named Desire auf einer normalen Bühne enbenso intensiv geworden wäre? Sicherlich, hier war es eben eine nette Spielerei.
Handlung & Aufmachung:
Wie schon gesagt, 3 Stunden erfordern eine Menge Sitzfleisch (Warum hat
mein Stammkino nicht so bequeme Sessel wie das in Frankfurt? Ich
prangere das an!). Die Geschichte selbst (s.o.) ist schnell erzählt,
aber es ist erstaunlich wie schnell manche Nuancen in einer Aufführung
positives, sowie negatives fördern können.
Blanche DuBois (Anderson),
die höchstkultivierte Englisch-Highschoollehrerin und eine der letzten
Abkömmlinge des alten Südstaaten-Geldadels hat alles verloren. Aufgrund
ihrer sexuellen Eskapade mit einem Schüler verliert sie ihren Job, dann
das Familienhaus "Belle rêve" ("schöner Traum").
Aufgrund ihres sexuellen Drangs flüchtet sie sich in immer mehr Affären,
und anschließend in sich selbst. Realität und Illusion verschwimmen
zusehends bei ihr. Trost und Schutz suchend wendet sie sich an ihre
jüngere Schwester Stella (Kirby), die ihr (kleines) Glück mit dem von polnischen Einwanderern abstammenden Stanley Kowalski (Foster)
in einem Arbeiterviertel in New Orleans gefunden hat. Doch Blanche kann
ihren Hochmut über den "niederen" Stanley nicht verbergen und so
entstehen bereits bei der ersten Begegnung der beiden extreme
Spannungen, die sich zum Finale hin endgültig in einem Sturm der
(charakterlichen) Zerstörung entladen und sich die Familie endgültig
entzweit.
Von der Aufmachung her, fand ich das Stück echt toll gemacht. Schon allein der jazzige und außerordentlich eingängige Soundtrack von Alex Baranowski
entführt den Zuschauer gedanklich gleich zu Beginn nach New Orleans.
Die Bühne wird voll ausgenutzt, schon allein die Idee mit der
Stahltreppe, die weitere Nachbarn suggeriert, fand ich genial umgesetzt.
Das Haus selbst, beschränkt durch unsichtbare Wände, zwei Türen und
einem Vorhang wirkte realistisch. Klein, unscheinbar, aber authentisch
und sorgte dafür, dass man sich gleich in das Setting einleben konnte.
Wenn Blanche auf ihren viel zu hohen Absätzen, dem Koffer, dem
extravaganten Outfit und natürlich der Sonnenbrille angetakelt kommt und
erstmals diese kleine Spelunke beäugt, überkam einem schon das Grinsen
bei ihrer Ungläubigkeit.
Beinahe alles in dem "Haus" wird genutzt,
die räumliche Aufteilung wird bei der Schauspielerei zur Intuition, wenn
sich manche Szenen in unterschiedlichen Räumen abspielen. Wenn die
Jungs zur Pokerrunde am Esstisch sitzen und Stella und Blanche im
angrenzenden Schlafbereich, lediglich getrennt vom Vorhang, sich zu
unterhalten versuchen. Blanche schaltet das Radio ein, doch Stan geht
sofort auf die Barrikaden, sie habe das Radio wieder auszustellen. Sie
weigert sich und Stanley rauscht hinter dem Vorhang hervor und zerstört
das Gerät.
Die Inszenierung von Benedict Andrews punktet durch diese
physische und psychische Präsenz. Dinge werden auf den Boden geworfen
und zerschmettert, Türen zugeknallt, und auch Blanches Monologe werden
von einem blauen Lichtschein begleitet, die Sie und uns aus der
Realität, geradewegs in ihre Illusionen reißen. Mit ohrenbetäubenden
Geräuschen und Musik werden diese untermalt, was mir beim ersten Mal vor
Schreck einen ordentlichen Herzkasper bescherte.
Natürlich braucht ein solches Drama genug Zeit sich zu entwickeln. Und die bekommt es auch. Doch drei Stunden verbergen nicht die aufkommende Langatmigkeit, die zwischen den äußerst präsenten Momenten aufkommt. Dabei kann ich den meisten Schauspielern nicht mal einen Vorwurf machen, bis auf eine Person war es nämlich verdammt gut besetzt. Kommen wir also zu dem interessantesten Punkt einer Aufführung: Den Darstellern.