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A Streetcar Named Desire (Young Vic Theatre 2014)

03.10.2014 - 16:29 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Da bei mir aktuell eine leichte Filmflaute herrscht, nutze ich die Gelegenheit und berichte von der aktuellen National Theatre Live Übertragung A Streetcar named Desire mit Gillian Anderson in der Hauptrolle.

Basierend auf Tennessee Williams' Drama A Streetcar Named Desire (Endstation Sehnsucht) strahlt National Theatre Live das Stück unter der Regie von Benedict Andrews aus dem Young Vic Theatre in London aus.
Neben Gillian Anderson in der Hauptrolle als Blanche DuBois finden sich auch Ben Foster als Stanley Kowalski und Vanessa Kirby als Stella Kowalski auf der Castliste.

Bei Bedarf den Soundtrack im Hintergrund laufen lassen. 

Inhalt:
Als Blanche DuBois' fragile kultivierte Welt in sich zusammenstürzt, wendet sie sich trostsuchend an ihre Schwester Stella, die sich zusammen mit dem polnisch abstammenden Arbeiter Stanley Kowalski eine kleine Existenz in einem Arbeiterviertel in New Orleans aufgebaut hat. Doch durch die unkontrollierbare Abwärtsspirale in der sich Blanche befindet, gerät sie immer wieder an den brutalen und unerbittlichen Stanley.

Meinung:

Setting/Location:
Ich bin ein wenig mit gemischten Gefühlen aus dem Kinosaal gegangen. Auf der einen Seite bietet A Streetcar Named Desire einige außerordentlich intensive Momente, allerdings schleichen sich in den gut 3 Stunden Laufzeit auch einige Längen ein, über die man nicht so leicht hinwegsehen kann.
Aber zunächst einmal ein paar Worte zum Setting: Im Young Vic Theatre befindet sich die Bühne in der Mitte des Raums, es liegt also im Mittelpunkt. Für das Stück wurde ein drehbarer Untersatz gebaut, der das Haus, in dem sich das Drama abspielt dreht. Das Haus selbst bestand zwar nur aus einem Metallrahmen, und vom Innenleben her wurde es so hergerichtet, dass man einen Blick in die Küche und dem "Wohnbereich", sowie den Schlafbereich (getrennt durch einen weißen, recht transparenten Vorhang) und dem Badezimmer (getrennt durch eine lose Tür) werfen konnte. Dazu befand sich außen vor der Haustür eine Metalltreppe, die weitere Hauseingänge suggerierte und so das New Orlean'sche Arbeiterviertel unterstrich. Vermutlich hätte ich mich geärgert, wenn ich live dabei gewesen wäre, denn durch das Drehen der Bühne hätte man vergleichsweise oft lediglich die Rückseite der Akteure gesehen. Da lobe ich mir diese Übertragungen, da ist man wirklich nah am Geschehen. Auch wenn mich das Gedrehe hin und wieder gestört hat, nämlich wenn die Sicht auf die Gesichter der Schauspieler von einer Tür o.ä. blockiert war. Leider passierte dies einige Male, natürlich auch genau in den Momenten, in denen heftige verbale Bemerkungen fielen und einem so die entgeisterten Blicke der Figuren entgingen. Zwar nicht gerade optimal, bis auf dieses kleine Missgeschick aber trotzdem sehr schön anzusehen, selbst wenn die Kameras das Gesichtete bestimmen und man sich dementsprechend nach ihnen richten muss. Aber kein Problem, denn die Kameraführung war durchdacht.
In der Werbepause nannte einer der Verantwortlichen des Theaters das Young Vic ein "rock'n'roll house", was das Erlebnis auf dieser Bühne treffend beschreibt. Ob A Street Named Desire auf einer normalen Bühne enbenso intensiv geworden wäre? Sicherlich, hier war es eben eine nette Spielerei.

Handlung & Aufmachung:
Wie schon gesagt, 3 Stunden erfordern eine Menge Sitzfleisch (Warum hat mein Stammkino nicht so bequeme Sessel wie das in Frankfurt? Ich prangere das an!). Die Geschichte selbst (s.o.) ist schnell erzählt, aber es ist erstaunlich wie schnell manche Nuancen in einer Aufführung positives, sowie negatives fördern können.
Blanche DuBois (Anderson), die höchstkultivierte Englisch-Highschoollehrerin und eine der letzten Abkömmlinge des alten Südstaaten-Geldadels hat alles verloren. Aufgrund ihrer sexuellen Eskapade mit einem Schüler verliert sie ihren Job, dann das Familienhaus "Belle rêve" ("schöner Traum"). Aufgrund ihres sexuellen Drangs flüchtet sie sich in immer mehr Affären, und anschließend in sich selbst. Realität und Illusion verschwimmen zusehends bei ihr. Trost und Schutz suchend wendet sie sich an ihre jüngere Schwester Stella (Kirby), die ihr (kleines) Glück mit dem von polnischen Einwanderern abstammenden Stanley Kowalski (Foster) in einem Arbeiterviertel in New Orleans gefunden hat. Doch Blanche kann ihren Hochmut über den "niederen" Stanley nicht verbergen und so entstehen bereits bei der ersten Begegnung der beiden extreme Spannungen, die sich zum Finale hin endgültig in einem Sturm der (charakterlichen) Zerstörung entladen und sich die Familie endgültig entzweit.

Von der Aufmachung her, fand ich das Stück echt toll gemacht. Schon allein der jazzige und außerordentlich eingängige Soundtrack von Alex Baranowski  entführt den Zuschauer gedanklich gleich zu Beginn nach New Orleans. Die Bühne wird voll ausgenutzt, schon allein die Idee mit der Stahltreppe, die weitere Nachbarn suggeriert, fand ich genial umgesetzt. Das Haus selbst, beschränkt durch unsichtbare Wände, zwei Türen und einem Vorhang wirkte realistisch. Klein, unscheinbar, aber authentisch und sorgte dafür, dass man sich gleich in das Setting einleben konnte.
Wenn Blanche auf ihren viel zu hohen Absätzen, dem Koffer, dem extravaganten Outfit und natürlich der Sonnenbrille angetakelt kommt und erstmals diese kleine Spelunke beäugt, überkam einem schon das Grinsen bei ihrer Ungläubigkeit.
Beinahe alles in dem "Haus" wird genutzt, die räumliche Aufteilung wird bei der Schauspielerei zur Intuition, wenn sich manche Szenen in unterschiedlichen Räumen abspielen. Wenn die Jungs zur Pokerrunde am Esstisch sitzen und Stella und Blanche im angrenzenden Schlafbereich, lediglich getrennt vom Vorhang, sich zu unterhalten versuchen. Blanche schaltet das Radio ein, doch Stan geht sofort auf die Barrikaden, sie habe das Radio wieder auszustellen. Sie weigert sich und Stanley rauscht hinter dem Vorhang hervor und zerstört das Gerät.
Die Inszenierung von Benedict Andrews punktet durch diese physische und psychische Präsenz. Dinge werden auf den Boden geworfen und zerschmettert, Türen zugeknallt, und auch Blanches Monologe werden von einem blauen Lichtschein begleitet, die Sie und uns aus der Realität, geradewegs in ihre Illusionen reißen. Mit ohrenbetäubenden Geräuschen und Musik werden diese untermalt, was mir beim ersten Mal vor Schreck einen ordentlichen Herzkasper bescherte.

Natürlich braucht ein solches Drama genug Zeit sich zu entwickeln. Und die bekommt es auch. Doch drei Stunden verbergen nicht die aufkommende Langatmigkeit, die zwischen den äußerst präsenten Momenten aufkommt. Dabei kann ich den meisten Schauspielern nicht mal einen Vorwurf machen, bis auf eine Person war es nämlich verdammt gut besetzt. Kommen wir also zu dem interessantesten Punkt einer Aufführung: Den Darstellern.


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