Filmfest Cannes - Eine Zwischenbilanz

21.05.2008 - 09:15 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Szene aus Waltz with Basir
Szene aus Waltz with Basir
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Düsterer Beginn, hoffnungsvolle Mitte und noch kein Gewinner in Sicht.

An den ersten Tagen herrschte im Cannes-Wettbewerb viel Dunkelheit und Depression. Das lag nicht nur am Eröffnungsfilm Stadt der Blinden, in der eine Epidemie Tausenden Menschen ihr Augenlicht genommen hat. Nein … es ging weiter mit dem brillanten Trickfilm Waltz with Bashir, der das Schreckliche des Kriegs nicht verniedlich, sondern Kriegstraumata, Schuld und Gewalt zeigt. Gelobt wurde er vorallem weil er innovativ ist in seiner Form, er ist politisch brisant und trotzdem unterhaltsam. Ein großartiger, emotional aufrüttelnder Trickfilm, der einmal mehr zeigt, dass von dem Genre noch viel zu erwarten ist.

Die anderen Filme des Wettbewerbs bekamen nicht so viele euphorische Worte. Der argentinische Beitrag Löwenkäfig spielt in einem Frauen-Gefängnis, der brasilianische blickt einmal mehr auf die Unterpriviligierten in den Favelas. Der britische Film Hunger thematisiert den Streik von IRA-Häftlingen und der italienische Film Gomorrha erzählt von Mafia-Strukturen. Alles keine fröhlichen Themen, die zudem auch noch düster-deprimierend, ohne viel Hoffnungsschimmer in Szene gesetzt sind. Das neue Werk der belgischen Dardenne-Brüder, die bereits zweimal die Goldene Palme erringen konnten, stieß bei den Kritikern allgemein auf Gegenliebe: Wieder schauen sie darauf, was Menschen alles für Geld machen bzw. mit sich machen lassen. Diesmal geht es in Le Silence de Lorna um eine Scheinhochzeit, eingefädelt von der Mafia, die neue Existenzen geben und Leben ganz einfach nehmen kann.

Seit gestern ist die Düsternis etwas, aber nur etwas verschwunden. Filme aus Hollywood standen auf dem Programm, und auch wenn sie dunkel eingefärbt das Ambiente der 1920er oder 1950er Jahre zurückholen, ist in ihnen wenigstens etwas Hoffnung und Optimismus zu spüren. Der mittlerweile 77jährige Clint Eastwood trumpft nochmals mit dem Drama Changeling um einen vermissten Sohn und Polizei-Korruption groß auf. Im Film Two Lovers des jungen James Gray verliebt sich ein depressiver Mann in zwei Frauen und muss sich zwischen ihnen entscheiden. Kandidaten für die Goldene Palme scheinen beide Filme allerdings nicht zu sein, dafür sind sie dann doch wieder zu sehr Hollywood.

Kritiker konnten sich eigentlich nur in Filmen, die außerhalb der Konkurrenz liefen, vergnügen. Natürlich war das absolute Highlight Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, auch wenn die Mehrzahl enttäuscht aus dem Kino gekommen ist. Auch der 3-D-Animationsfilm Kung Fu Panda ist ein vergnüglicher Spaß für die ganze Familie. Altmeister Woody Allen hat die Film-Schreiberlinge mit seinem neuesten Werk wieder überzeugt, was nicht nur an den wunderbaren Darstellern liegt, sondern auch an dem Witz seiner Geschichte Vicky Cristina Barcelona. Hier geht es um eine Ménage à quatre zwischen Javier Bardem, Penélope Cruz, Scarlett Johansson und Rebecca Hall. Wer da mit wem, warum und wie lange, das werden wir leider erst viel später im Kino sehen.

Interessante Filme, aber bisher kein genialer Wettbewerb – dies ist das relativ einheilige Urteil deutscher Kritiker. Aber es ist ja erst die Hälfte rum. Nun warten alle gespannt auf Steven Soderbergh s vierstündiges Werk über Che Guevara und Wim Wenders, immer ein schon ein Cannes-Liebling, tritt ja auch noch auf.

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