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Vertonte Geburtstagswünsche für Tony Leung Chiu Wai

27.06.2017 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Tony in "Gefahr und Begierde"
Tobis StudioCanal GmbH & Co. KG
Tony in "Gefahr und Begierde"
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Der in Hong Kong geborene „Little Tony“ ist für seine vielseitigen Rollen in Filmen von Wong Kar-Wai, Ang Lee, Zhang Yimou oder John Woo bekannt. Er macht in Actionfilmen genauso eine gute Figur wie in romantischen Komödien oder anspruchsvollen Arthousefilmen. Nebenbei kann Tony auch auf eine erfolgreiche Karriere als C-Pop-Sänger zurückblicken. Doch heute wollen wir ihm zu Ehren ein paar Geburtstagslieder singen.
Der Schreibzusammenschluss Textgeschenke zum Geburtstag richtet seine melodischen Geburtstagsgrüße im heißen Sommermonat Juni an einen Schauspieler, der zu den wahrscheinlich bekanntesten Schauspielern Asiens gehört. Doch sein Name und sein Gesicht sind auch in der westlichen Welt bekannt: Der vielseitige Tony Leung Chiu wai.


Stefan Ishii über Die Stadt der Traurigkeit (1989)

I felt myself growing up from City of Sadness to Flowers of Shanghai. Hou Hsiao-hsien is a director whom I admire a lot. He loves films, and never uses films as a means of making money. - Tony Leung
als Wen-ching

Es ist ja kein Geheimnis: Tony Leung Chiu-wai ist mein Lieblingsschauspieler. Und ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine. Schauspielgrößen wie Robert De Niro zählen zu seinen Bewunderern. Leung macht es einem aber auch wirklich leicht ihn zu mögen. Jeder kann etwas in Leungs Filmographie für sich finden. Er wirkt stets sympathisch, kann aber auch dunklere Seiten durchblicken lassen, zum Beispiel wenn er als schwertschwingender, pistolenzückender oder im Kung-fu versierter Actionheld auftritt. Mich persönlich spricht jedoch seine melancholische oder schwermütige Seite am stärksten an, die er vor allem in einigen Filmen von Wong Kar-wai zeigen durfte, wie beispielsweise in "In the Mood for Love", "Happy Together" oder "Chungking Express".

Doch bereits 1989 glänzte Tony Leung in einer solchen Rolle, die ihm erstmals auch internationale Anerkennung einbrachte. Er spielte einen wichtigen Part im taiwanesischen Drama "Die Stadt der Traurigkeit" unter der Regie von Hou Hsiao-hsien.

Das auf historischen Umständen basierende Familiendrama war der erste Film überhaupt, der sich direkt mit dem sogenannten Weißen Terror beschäftigte, der durch die Kuomintang-Regierung nach einem gewaltsam niedergeschlagenen Aufstand vom 28. Februar 1947 auf das taiwanesischen Volk ausgeübt wurde. Der Zwischenfall ist auch als 228-Massaker bekannt, da schätzungsweise zwischen unfassbaren 10.000 und 30.000 Zivilisten ihr Leben lassen mußten. Die Schreckensherrschaft des Weißen Terrors endete erst 1987. Bereits zwei Jahre später dreht Hou seinen Film.

Tony Leung spielt darin den taubstummen Wen-ching, dem jüngsten Sohn einer Familie, die im Verlauf des 228-Zwischenfalls zugrunde geht. Der älteste Bruder wird von einem Mafiaboss ermordet und der mittlere Bruder leidet unter mentalen Störungen, ist gewalttätig und muss in ein Kuomintang-Gefängnis. Ein weiterer Bruder wird lediglich erwähnt; der Arzt scheint wohl im Krieg verloren gegangen zu sein. Wen-ching möchte sich im Verlauf des Filmes dem Widerstand anschließen. Tony Leung verkörpert Wen-ching brilliant. Die Figur ist jedoch kein wirklicher Held oder erfolgreicher Widerstandskämpfer. Er ist vielmehr ein Symbol für die Hilflosigkeit des taiwanesischen Volkes angesichts einer verfahrenen, unverständlichen Situation. Unterstrichen wird diese Hilflosigkeit hervorragend durch Wen-chings Eigenschaft als Taubstummer.

Tony Leung sprach tatsächlich die taiwanesische Sprache nicht und musste seine Figur allein durch sein überzeugendes Schauspiel zum Leben erwecken, was ihm vorzüglich gelang. Tony Leung war also ein richtiger Glücksfall für Hous Film, der in Taiwan ein großer finanzieller Erfolg wurde und den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig gewinnen konnte.

Doch auch für mich ist Tony Leung Chiu-wai ein Glücksfall. Ich wünsche ihm heute zum 55.Geburtstag alles erdenklich Gute. Herzlichen Glückwunsch, Little Tony!

Den Kommentar zum Film findet ihr auch
hier.


colorandi_causa über Chungking Express (1994)

If memories could be canned, would they also have expiry dates? If so, I hope they last for centuries.
als Polizist 663

Chungking Express, eine Verbindung aus den beiden Handlungsorten "Chungking Mansion" und dem "Midnight Express" in Central, bildet die räumliche Klammer für die ätherisch-melancholische Liebessuche in den Neonlicht durchfluteten Gassen und schmalen Gängen, die in noch kleinere Wohnungen münden und trotz der Hitze, dem Menschenauflauf sowie alles umschlingende Gebäudekomplexen ein eindringliches Gefühl von Intimität vermitteln, was nicht zuletzt auch an dem virtuosen Kameraspiel von Christopher Doyle begründet liegt.

In beiden Episoden kann der Zuschauer mit den beiden Protagonisten mitschwitzen und mitfühlen, wenn es darum geht, Liebeskummer mit Ananasdosen zu stillen oder die traurigen Genstände ob ihres Verlusts zu trösten und aufzuheitern. Während wir in Episode Eins mit dem quirligen Takeshi Kaneshiro und der rastlosen Brigitte Lin als Femme fatale durch Hong Kong wetzen, joggen und zum Innehalten die Bar aufsuchen, um für eine kurze Zeit die Sorgen vergessen zu können und selbst im Regen sonnige Heilsamkeit finden, soll zu diesem feierlichen Anlass der zweite Teil von besonderer Bedeutung sein.

Als Polizist 663, zumeist in Uniform aber nie wirklich in Arbeit, fein säuberlich nach hinten gekämmten Haar, einer Vorliebe für schwarzen Kaffee und dem stetigen Weg zum Imbiss lernen wir ihn kennen und lieben. So auch Faye, die immerfort zu "California Dreamin'" somnambul hinter dem Tresen vor sich her tanzt und statt über Dinge nachzudenken lieber weiter träumt und Mädchen bleibt als Erwachsen zu werden. Ihre flüchtigen Blicke checken den häufiger in Gedanken versunkenen 663 und analysieren ihn. Es dauert nicht lange und sie kennt ihn und sein Schicksal besser als dieser selbst. Denn 663 wird zunehmend klar, dass die Welt doch anders ist, als sie ihm bisher erschienen ist und dass einige Annahmen über sie und ihre Menschen, die sie beheimatet und die ihm nahe sind, unter Umständen falsch waren und lediglich eine simple Frage Licht ins Dickicht hätte bringen können, aber von der Gewohnheit und Selbstverständlichkeit verdrängt worden sind. Dem ersten Anschein nach befinden sich beide in verschiedenen Welten, aber wie so oft trügt der erste Eindruck. 663 ist nicht weniger ein Träumer und gewissermaßen Kind, als es Faye ist.

Über den Verlust seiner Freundin kommt er nur schwer hinweg und verliert sich in Traumwelten, redet mit seiner Seife, dem Handtuch oder einem Plüschtier, um mit der Situation bestmöglich fertig zu werden. Seine Blicke treffen die Menschenmenge, aber sie wandern hindurch und Zeit wird immer relativer. In diesem Zustand des ewigen Wanderns, in dem man weniger vorankommt als rückblickend im "Es war einmal" zu verharren, verliert man das Gefühl für die Gegenwart und seine Mitmenschen, aber auch für Details im Umfeld. So schafft es Faye allerhand Dinge auf den Kopf zu stellen und sich in seinem Mikrokosmos einzuleben und auszutoben, ohne dass Mann es wirklich gewahr wird, was wiederum nicht ganz untypisch für das männliche Geschlecht ist.

Es dauert seine Zeit, bis auch er beginnt zu verstehen und seine Augen einen neuen Fixpunkt finden, in dem sie sich verlieren können. Ob "Kalifornien" oder in einem Imbiss in Hong Kong Central zu den Klängen von "California Dreamin'" ist dabei einerlei. Was zählt ist der Augenblick, die Bedeutung der Gegenwart und den Wert sie zu teilen.

Obwohl recht kurzfristig zusammen geschrieben, könnte man meinen, die Rolle hätte seit Ewigkeiten in der Schublade gelegen, nur um darauf zu warten, dass Tony Leung Chiu Wai Teil dieser Geschichte werden kann und Polizist 663 mit allen Sinnen verkörpert. Dabei ist er für mich nicht nur einer der renommiertesten asiatischen Schauspieler, sondern überhaupt. Er ist mit einem dieser Gesichter gesegnet, die nicht anders können, als Charisma auszustrahlen und zu keiner Sekunde geistlos dreinschauen. Immer mit einem geschärften Blick unterwegs, als würden sie in der Ferne etwas erspähen. Das Wechselspiel bei Leung geht dabei so nuanciert vonstatten, dass zu keiner Zeit Grimassen entstehen oder die Gefahr des Chargierens bestünde. Zwischen tiefer Traurigkeit, Melancholie, Gleichgültigkeit und Serenität liegen bei ihm oftmals nur wenige Millimeter Unterschied in der Höhe seiner Brauen oder seines Blicks. Die Sanftheit seines Gemüts geht dabei nahtlos in die bestimmten aber zarten Handbewegungen, die mal durch die Haare gleiten, eine Dose halten oder ihre Bestimmung in einer Massage finden, über.

Für Wong Kar-Wai stellt er dementsprechend ein Glücksgriff da und man kann nur hoffen, dass dieses Trio (
Leung Chiu Wai, Wong Kar-Wai & Christopher Doyle) in Zukunft wieder zueinander findet. Es wird wieder Zeit.


Amarawish über Happy Together (1997)

Turns out that lonely people are all the same.
als Lai Yiu-fai

Wenn das tosende Rauschen des Wasserfalls mitsamt passend untermalter, wehmütiger Musik seine Wirkung entfacht, kann man nur seinen eigenen Gedanken verfallen. Sie hat etwas einnehmendes, diese wilde, ungebändigte Natur, sie reißt dich einfach mit. Ohne Erbarmen. Und obwohl es etwas stark melancholisches an sich hat diesem Schauspiel zuzusehen, ist ihm gleichzeitig etwas befreiendes auch nicht abzusprechen.
….

Es scheint die letzte Hoffnung für Lai Yiu-fai (Tony Leung Chiu Wai) und Ho Po-wing zu sein: Ein Neubeginn in einer fremden Stadt,- Buenos Aires. Aufgrund der Tatsache ausgesucht, dass sie den dargestellten Wasserfall auf einer gekauften Lampe in natura besichtigen wollten, bleibt ihnen jedoch erstmal der Anblick verwehrt und sollte letztendlich nur einem von beiden vergönnt sein.

Das Leben in der Fremde gestaltet sich alles andere als einfach und was für das Paar ein weiterer Neuanfang sein sollte verkörpert nur eine weitere Schwierigkeit in ihrer ohnehin schon kriselnden Beziehung. Ein Ortswechsel ist eine Umstellung, die man oft emotional unterschätzt. Es ist auch alles andere als leicht den beiden bei ihren Berg- und Talfahrten zuzusehen. Die Dynamik, die ihre Beziehung bestimmt ist in keinster Weise ausgewogen oder schön anzusehen. Sie ist an einem Punkt, wo die Zweisamkeit kaum noch glückliche Momente bescheren und meist nur weitere Anstrengungen mit sich bringen kann. Und trotzdem war es manchmal sogar mit Witz verbunden, welche Situationen sich daraus ergeben, wenn es Menschen nicht schwer fällt sich immer wieder und wieder auf die selbe Person einzulassen, obwohl man im Grunde genau weiß, dass man sich in der Stagnation befindet. Die Angst vor der Einsamkeit ist eine starke Macht und wenn die Handhabung einem ungewohnt ist umso bedrohlicher in ihrer Wirkung. Der offensichtliche Hauptgrund, die Liebe, die wohl immer noch irgendwo füreinander existent ist, wird stark in Zweifel gezogen, denn natürlich kann sie noch präsent sein, obwohl man nicht miteinander leben kann, jedoch obliegt selbst sie irgendwann den unüberwindbaren Tatsachen der Disharmonie. Vieles gleicht schon einem Zwang, der sich nie und nimmer auf Dauer durchsetzen würde können. Und obwohl dies wohl beiden bewusst scheint können sie einfach nicht von einander lassen. Doch was ist es, dass sie nicht voranschreiten lässt? Gewohnheit? Die Angst vor der Einsamkeit? Die Hoffnung auf Besserung oder der Glaube an die Liebe? Beantwortet wird dies niemals genau, aber vielleicht ist es auch gut so.

Regisseur Wong Kar Wai kreiert hier mit der melancholischen und tristen Bühne Argentiniens einen Film und gewährt einen intensiven Einblick in eine homosexuelle Beziehung, wie man sie nur selten im Medium Film erleben kann. Womöglich funktioniert dieser u.a. gerade deswegen und nicht zuletzt natürlich auch durch die famosen beiden Hauptdarsteller, denen ich trotz der unglücklichen Lage des dargestellten Paares noch deutlich länger hätte zusehen können.

An Tony Leung Chiu Wai kommt man mit einem Interesse an fernöstlicher Filmkultur nicht vorbei. Dies möchte man aber meist auch garnicht, denn er schafft es nahezu in jeder Rolle etwas zu schaffen, dass dich interessiert in seine Richtung blicken lässt. Und in seinem Blick findet man das, was man mit Worten nicht so eindringlich hätte ausdrücken können.

Er spielt in Happy Together gewohnt einnehmend charismatisch und reichert seine Darstellung mit einer Traurigkeit an, die selten offen zu Tage tritt, doch wenn sie es mal darf, dann spielt er dies umso emotional beeindruckender. Abseits seiner meist gespielten Don Juan-Rolle gibt er hier den melancholischen, homosexuellen Lai, der sichtlich unglücklich mit seiner gegenwärtigen Lage ist, bis er jemanden trifft, der wieder etwas in ihm wachrufen kann. Mit diesem Gegensatz stellt Tony meiner Meinung nach umso mehr seine Vielseitigkeit unter Beweis.

Ich bin froh, dass es doch noch einiges gibt, was ich mit ihm noch vor mir habe und wünsche ihm zum heutigen 55. Geburtstag alles Gute.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



Vitellone über In the Mood for Love (2000)

You notice things if you pay attention.
als Chow Mo-Wan

Boy meets Girl. Auf diese Art fängt ungefähr jede Liebesgeschichte an. Sei es nun im Film - oder auch im echten Leben. In Hollywood folgt dann meist bedeutungsloses Geplänkel oder wahlweise ein unüberwindbar scheinendes Hindernis, allen Widrigkeiten zum Trotz endet es dann sowieso in glückseliger Zweisamkeit. Das kann funktionieren (was natürlich maßgeblich mit der Chemie zwischen den beiden Hauptakteuren zusammenhängt), behält aber zumeist doch einen arg konstruierten und gekünstelten Beigeschmack.

Liebesfilme wirken schließlich immer dann am besten, wenn sie uns an unser eigenes Leben erinnern und dort geht es eben selten so geordnet und strukturiert zu, wie es uns etwaige Filmchen verkaufen wollen. Denn Glück und Unglück, Zweifel und Entschlossenheit sind keinesfalls sich ausschließende Gegenstücke, die nacheinander und konträr zueinander durchlaufen werden, sondern finden im echten Leben fast immer zeitgleich statt. Deshalb ist Wong Kar Wais Filmperle In the Mood for Love auch deutlich echter, greifbarer und näher als die meisten Genrevertreter – und das, obwohl er in einer völlig anderen Kultur mit grundverschiedenen, uns teilweise sogar unbekannten, Sitten und Gepflogenheiten spielt.

Aber wie gelingt Wong Kar Wai dieses Kunststück? Einerseits liegt das an der natürlichen Chemie zwischen der bezaubernden Maggie Cheung und dem talentierten Geburtstagskind Tony Leung Chiu Wai.

In ihren flüchtigen Blicken, undefinierbaren Gesten und notgedrungenen Interaktionen liegt von Beginn an etwas Ungreifbares und Anziehendes, was in ihren Worten nicht zur Geltung kommt, aber wie ein unaufhörliches Brodeln die Atmosphäre dieser Szene beherrscht. Andererseits kommt dem Film natürlich auch Wong Kar Wais Eigenart zugute, stets ohne Drehbuch zu filmen und sozusagen den flüchtigen Moment seiner eigenen Gedanken einzufangen. Ein riskantes Konzept, das in der Vergangenheit wahrlich nicht immer voll aufgegangen ist (obwohl es ohne Zweifel zu einzigartigen Filmen führt), hier aber seine volle Wirkung erzielt. Fast wahllos scheint er Momente aus dem Leben zu greifen, die zusammengenommen jedoch ein faszinierendes Mosaik ergeben und im Gesamtkonzept alle essentiell erscheinen. So ist der Film über eine verbotene Liebe, eine langsame Annäherung und letztlich unwiderrufliche Entfremdung ein Werk der kleinen Momente - und doch der ganz großen Gefühle.

So wirkt In the Mood for Love schlichtweg aus dem Leben selbst gegriffen. Durch eine überschaubare Anzahl an Schauplätzen, der intimen, nahezu zärtlichen Kameraarbeit und der fließenden Erzählstruktur, die den Film angenehm von Aspekten wie Zeit und Raum löst, entwickelt er schnell eine intensive Sogwirkung. Es gibt nur wenig Filme, bei denen Form und Inhalt zu einer dermaßen deckungsgleichen Einheit gebracht werden, wie hier. Das Ergebnis ist ein wunderbar mäanderndes Werk, das sich primär durch kleine Momente artikuliert, nie auf die Tränendrüse drücken muss, sondern durch Subtilität die kraftvollsten Emotionen auslöst.

Und mittendrin
Tony Leung Chiu Wai, ein Glücksgriff, nicht nur für diesen Film und Wong Kar Wai im Speziellen, sondern für die komplette Kinolandschaft im Allgemeinen. Mit seinem unaufgeregten Charisma besitzt er das Talent eine Szene unterschwellig zu füllen, zu beherrschen. Nicht nur, aber auch deshalb, hat er in den vergangenen Jahren mit so gut wie allen namhaften Regisseuren seiner Heimat gedreht und dabei mehr als nur einen memorablen Film abgeliefert.

Alles Gute, Tony. Auf weitere 55 Jahre!

Den Kommentar zum Film findet ihr auch hier.



(VincentVega) über Infernal Affairs (2002)

Wer in der ewigen Hölle schmort, stirbt niemals. Das ewige Sein ist die höchste Strafe in der Hölle.
als Chan Wing Yan

In erster Linie handelt es sich bei Infernal Affairs um einen hervorragend konstruierten Polizeithriller, der seit seiner Premiere international gefeiert wird und einen berühmtes Remake nach sich zog. Aber eigentlich ist Infernal Affairs schon ein wenig mehr als nur ein spannender Thriller. Er beleuchtet seine Figuren und ihr Umfeld präzise und spielt mit der Paranoia der beiden Undercoveragenten(-gangster).

Wie lange kann man eigentlich in einer Rolle leben? Wie viele Jahre als getarnter Gangster sind nötig um selber einer zu werden? Yan schläft nicht mehr viel seitdem er, seit nun 10 Jahren, bei den Triaden eingeschleust wurde. Seine Selbstzweifel treiben ihn in den Wahnsinn, denn er muss endlich aus dieser Hölle aufwachen und den Maulwurf hinter sich lassen. Nach all den furchtbaren Taten die er in dieser Zeit im Namen des Verbrechens durchgeführt hat, ist die Grenze zwischen Gut und Böse in ihm verschwommen und wandelt seit einiger Zeit in einer Grauzone. Aus dieser Grauzone wagt er es nun zu entkommen, denn der Boss der Bosse ist auf der Suche nach dem Spitzel in den eigenen Reihen. Er muss sich selber jagen. Das ist die Möglichkeit für Yan sich aus dem Strudel der Intrigen und der Gewalt zu entziehen. Diese Jagd ist für ihn eine Prüfung für sein eigenes Ich, sein wahres Ich. Um sich selber zu zeigen, dass er ein guter Mensch ist und für eine Zukunft in Helligkeit ohne die Schatten die ihn bis hierhin verbergen.

Jedoch gibt es bei dieser Jagd einen Gegenspieler, der ebenfalls auf der Jagd nach sich selbst ist. Der Ganster Lau, welcher in jungen Jahren auf die Polizeiakademie geschleust wurde und seitdem immer weiter im Dezernat aufgestiegen ist und als exzellenter Polizist, den Platz von Polizeichef Wong eingenommen hat, der als einziger die wahre Identität Yans kennt. Dieser muss nach einer gescheiterten Drogenrazzia um seinen Status als unantastbarer und perfekter Maulwurf fürchten und wird vom Polizeichef beauftragt den Verräter zu finden. Er muss sich selber jagen. Doch das geregelte Leben als Polizist und seine Fähigkeiten als dieser, lassen ihn immer stärker davon träumen sich von den Triaden abzuwenden und ein sauberes Leben zu führen. Doch nur einer von den beiden kann sich aus den Fesseln der Vergangenheit befreien und der Hölle entkommen, doch bis dahin entwickelt sich ein spannungsgeladenes Duell der beiden bis hin zu einem grandiosen und mutigem Ende.

Tony Leung Chiu Wai, der Yan spielt, hat in meinen Augen die bessere Rolle besser gespielt als sein Gegenüber, da er eine wesentlich tragischere und tiefschürfendere Figur darstellt, welche ihm auf den Laib geschneidert ist und somit liefert er eine seiner besten Performances seiner tollen Karriere.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch
hier.



Professor Chaos über 2046 (2004)

Man erkennt eine verwandte Seele nicht, wenn man sie zu spät trifft, oder auch zu früh.
als Chow Mo Wan

Im Jahr 2046 wird die Welt von einem alles umspannenden Schienennetz bedeckt. Es gibt einen Ort, der ebenfalls den Namen 2046 trägt. Die Menschen begeben sich an diesen Ort, so behauptet es die Legende, um ihre verlorengegangenen Erinnerungen wiederzuerlangen. Doch dies ist bloß eine unbestätigte Legende, kehrte doch bisher nie jemand von dort zurück. Ab gesehen von einem Mann. Ein Mann, der auf die Frage, warum er 2046 verlassen habe, stets unbestimmt antwortet. Dieser Mann ist das Alter Ego von Schriftsteller Chow Mo-Wan.

Chow Mo-Wan, gespielt von Tony Leung, verlässt Singapur und fährt nach Hong Kong. Seine Geliebte bittet er, ihn zu begleiten. Sie lässt den Zufall entscheiden, der gegen Chow spielt, und so muss er alleine weiterziehen.

In Hongkong bezieht er ein Zimmer in einem Hotel, in welches er die Nacht zuvor eine alte Bekannte begleitet hatte. Das Zimmer mit der Nummer 2046 steht zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht zur Verfügung, weshalb er auf das Zimmer mit der Nummer 2047 ausweicht. Dies ist der zentrale Punkt der Geschichte. Die weiteren Liebesgeschichten, welche später auch ihren Weg in die Romane Chows finden, ereignen sich auf gewisse Art alle um das Oriental Hotel und die Zimmernummer 2046 herum.

Als in Hongkong die Ausgangssperre verhängt wird, widmet er sich erstmals seinem Science-Fiction Roman mit sexuellem Bezug, ohne pornografisch zu werden.
Als das Zimmer 2046 wieder bewohnbar wird, zieht eine junge Frau ein. Neben ihrem Beruf als Tänzerin verdient sie sich ihr Geld als Edel-Prostituierte. Chow und sie kommen sich näher. Doch nach jedem Akt der Liebe, zückt er seine Geldbörse und lässt ihr einen kleinen Betrag auf dem Nachttisch zurück. Möchte er die Distanz zwischen ihnen wahren? Hat er Angst davor sich zu verlieben und am Ende wieder alleine im Regen zustehen? Sehnt er sich nur nach etwas Nähe, möchte der Liebe aber fern bleiben? Er trifft sich mit anderen Frauen und da wird klar, dass er vielleicht die Distanz wahren möchte, seine Zimmernachbarin aber Hals über Kopf in Chow verliebt ist. Ihre Beziehung geht traurig zu Ende.

Es bleibt Chows Geheimnis, was er wirklich für sie fühlte, aber ich bilde mir ein, dass Tony Leung sein verschmitztes Lächeln nur als Fassade trägt. Er bzw. Chow weiß, wie er sein Innerstes verbergen kann hinter einem charmanten Lächeln. Aber es gibt immer diese kleinen „Ausrutscher“, in denen man hinter das Lächeln von Leung blicken kann. Für wenige Momente, nur einen kurzen Wimpernschlag sagen seine Augen, was wirklich in ihm vorgeht. Dies wird am deutlichsten in der zweiten Liebesgeschichte, die sich um Raum 2046/47 abspielt. Hier spielt Chow nur eine vermittelnde Rolle zwischen der Tochter des Hotelbesitzers und ihrem japanischen Freund. Der Vater ist natürlich gegen diese Beziehung und so läuft das Briefeschreiben/schicken über Chow. Mit der Zeit verliebt er sich in das Mädchen. Wenn auch nur am Rande erwähnt ist die Liebe zwischen der Tochter und dem Japaner echt. Sie ist liebevoll, poetisch und rührend.

Wie es später so schön beschrieben wird, Manches kann man nicht erzwingen, manchmal muss man aufgeben... Chow sieht ein, dass seine Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Er hatte den schönsten Sommer seines Lebens, aber auch den kürzesten und seine Liebe wurde nie erwidert, zumindest nicht von der Tochter des Hotelbesitzers. Sie inspiriert ihn dazu einen weiteren Roman zuschreiben. 2047. Sie heiratet, mit dem Segen ihres Vaters, ihren japanischen Freund. Als Chow davon erfährt, versteckt er sich abermals hinter einem Lächeln. Leung brilliert hier ebenfalls mit einem kurzen Zucken im Mundwinkel und enttäuschten Augen, die aber im selben Moment zu einem ehrlich-aussehenden, wenn auch falschen Lächeln bemüht werden. Er erfährt, dass sie 2047 gelesen habe und es ihr gefiel, auch wenn das Ende zu traurig war. Auf ihren Wunsch hin versucht er das Ende zu verändern, aber er bleibt vor einem leeren Papier sitzen.

Die letzte Liebesgeschichte ereignet sich abseits von 2046/47 in Singapur. Allerdings verliebt er sich in eine Frau, die den selben Namen trägt wie die Frau, die er damals in Singapur zurückließ. Wahrscheinlich verliebt Chow sich nur in die Su Li Zhen, die er damals verloren hatte, die Frau, die er vielleicht am meisten geliebt hat, die ihm das Happy End gab, was sich alle immer wünschen. Aber er konnte dieses Happy End nicht aufrecht erhalten.

Tony Leung begeistert in diesem Film von Wong Kar Wai. Er spielt einen mitunter schwer verständlichen Frauenhelden, der sich oft hinter einem charmanten Lächeln versteckt und seine Gefühle vor allem dann zum Ausdruck bringen kann, wenn er den Füllfederhalter in der Hand hält und seine Gedanken zu Papier bringt. Er mimt einen nachdenklichen Journalisten, der viel beobachtet, ein wenig eingebildet ist, aber am aller wichtigsten total greifbar. Auch wenn mir seine Rolle nicht so gut gefällt, wie bspw. In „In the Mood for Love“, oder „Chungking Express“, ist es doch erstaunlich wie scheinbar mühelos Leung den Charakter Chow darstellt. Er geht in seiner Rolle auf und scheint immer einen lockeren Spruch oder einen dummen Witz auf den Lippen zu haben.

Im Laufe des Filmes scheint dies alles nur aufgesetzte Attitüde zu sein, ist Chow doch eigentlich ein feinfühliger Charakter, der sich nur nach der in Singapur verloren gegangenen Liebe sehnt. Seine Liebschaften führen letztlich alle ins Leere und am Ende steht er wieder alleine da. Mal ist es seine Schuld, mal ist er zur falschen Zeit am falschen Ort, aber jedes Mal scheint ein kleiner Teil von ihm zu sterben. Es scheint auf den ersten Blick wie eine einfache Lovestory mit einem leichtlebigen Hauptdarsteller, der zu cool ist, um Gefühle zu zeigen und daher stets ein Lächeln aufsetzt. Aber hinter alledem steht ein gebrochener Mann, ein Mann der sich versteckt und Tony Leung macht das auf seine ganz eigene, einnehmende Weise. Auch wenn ich mich mit Chow wenig identifizieren kann, muss ich doch sagen, dass Leung mir diesen Film sehr nahe bringt und verständlicher macht.

Lieber Tony Leung, ich wünsche herzlichst alles Gute zum 55. Geburtstag. Ich hoffe du wirst uns (gerne auch in Kombination mit Wong Kar Wai) noch viele Male auf der Leinwand verzaubern und in ferne Regionen und Sphären entführen, dir folge ich gerne überall hin.

Den Kommentar zum Film findet ihr auch (im Laufe des Tages) hier.



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Was haltet ihr von unserem Geburtstagskind Tony Leung Chiu wai?


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