Fesselnder Thriller für Tarantino-Fans: In No One Will Know eskaliert ein Lottogewinn zum Albtraum

15.09.2025 - 15:20 UhrVor 2 Tagen aktualisiert
No One Will Know
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Wer schon immer von einem 6er im Lotto geträumt hat, darf diesen Wunsch nach dem Tarantino-ähnlichen Thriller No One Will Know noch einmal überdenken.

Der Thriller No One Will Know feierte auf dem Fantasy Filmfest 2025 seine Deutschlandpremiere und verstrickt uns nach Quentin Tarantino-Vorbild in einen Lottogewinn, der mehrere Fremde in einer Bar auf tödliche Weise verbindet, während er uns in moralische Abgründe schickt.

No One Will Know: Ein Lottogewinner betritt eine Bar ...

In einer kleinen, heruntergekommenen Bar in einem Außenbezirk von Paris geschieht das Unglaubliche: Alle Zahlen auf dem Lottoschein eines älteren Herrn stimmen mit der Gewinnziehung überein. Vor den restlichen Anwesenden bekundet er ungläubig seine Freude. Der Barbetreiber, seine Angestellte, zwei Polizisten, ein Junkie und zwei weitere Gäste gratulieren ihm und finden heraus: 294 Millionen Euro ist das Lottoticket wert. Doch so viel Geld weckt Begehrlichkeiten und plötzlich hat der Gewinnschein keinen Besitzer mehr, dafür aber mehrere Anwärter, die ihn einlösen könnten.

Schaut hier den Trailer zu No One Will Know:

No One Will Know - Trailer (English Subs) HD
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Im französischen Original trägt Vincent Maël Cardonas Film No One Will Know den Titel Le Roi Soleil, also "Der Sonnenkönig" – das ist der Name der Bar, die fast alleiniger Schauplatz ist. Als dort angesiedeltes Kammerspiel erinnert der spannungsreiche Thriller an The Outfit. Zugleich bleibt Tarantino-Fans das Kopfnicken Richtung Reservoir Dogs, The Hateful 8 oder Pulp Fiction nicht verborgen, wenn die Situation mit ihren eigenwilligen Figuren zunehmend kippt.

Mit punktgenau aufgelegten Songs aus der Jukebox und Perspektivwechseln, die mit den Figuren in der Zeit zurück sowie in mögliche Zukunftsszenarien vorausspringen, stürmt der Thriller in den Untergang der menschlichen Moral.

Märchenhafter Thriller: No One Will Know spielt Tagträume bis zum bitteren Ende durch

In einer Videobotschaft beim Fantasy Filmfest erzählte Regisseur Vincent Maël Cardonas (Die Magnetischen), dass er zu seinem Film von einem französischen Märchen inspiriert wurde: In Jean de La Fontaines 1678 erschienener Fabel La Laitière et le Pot au lait (Die Milchfrau und der Milchtopf) träumt eine Frau unterwegs zum Markt davon, ihr durch die Milch eingenommenes Geld in Eiern anzulegen. Für die schlüpfenden Küken will sie anschließend ein Schwein erwerben und sich davon eine Kuh samt Kalb kaufen. In ihren Tagträumen hüpft sie allerdings zu ausgelassen und verschüttet die Milch, sodass alle Träume schlagartig zerfließen.

Der Traum von einem besseren Leben kommt im 21. Jahrhundert in Gestalt eines Lottotickets daher. Es ist eine flüchtige Hoffnung und doch kann ein Stück Papier im nächsten Moment schon 294 Millionen Euro wert sein. So ein Lottogewinn bleibt in einer materiellen Gesellschaft die Steilvorlage zum Träumen.

Entsprechend verschiebt Cardonas seine Erzählung immer wieder in den Konjunktiv. Dass No One Will Know das Was-wäre-wenn wiederholt auf der Bildebene durchspielt, ist im Filmbereich nichts Neues, hilft aber, die Figuren und ihre Perspektiven besser kennenzulernen. Als fehlbare Charaktere gewinnen die sonst eher als Karikatur gehaltenen Menschen mit ihren Wünschen und Ängsten mehr Kontur. Auch wenn wir uns dabei in Agatha Christies Krimigefilden irgendwo zwischen Mord im Orient Express und And Then There Were None wiederfinden.

Der ständig veränderte Blickwinkel über Zeit und Figuren hinweg verleiht dem Film sein Tempo, das er durch seine räumliche Bindung an die Bar andernfalls nicht hätte. Da darf die Überlegung, wie man der Polizei eine Leiche verklickert oder glaubhaft den Lottogewinn für sich selbst beansprucht, dann auch mal mittendrin einfrieren, wenn jemand nachvollziehbare Bedenken anmeldet, die eine Idee einstürzen lassen.

Leichen, Geld und Manipulation: No One Will Know als französische Tarantino-Unterhaltung?

Gelegentlich wirkt die Idee hinter No One Will Know als Konzept spannender als in der Umsetzung, weil eben doch nicht jeder seine filmische Eskalation so leichtfüßig und scharfzüngig aus dem Handgelenk schüttelt wie ein Quentin Tarantino. Dafür tritt der Thriller dann zwischendurch doch zu sehr auf der Stelle.

Den Normalos im ranzigen Setting in ihre Traumwelt zu folgen, bereitet im Großen und Ganzen dennoch Freude. Zum leichengepflasterten Albtraum mutiert das Szenario erst, als der glückliche Gewinner nach draußen geht, um seine Tochter anzurufen und dabei vergisst, sein Ticket mitzunehmen. Angesichts des großen Geldes in so greifbarer Nähe kann sich jeder im Kinosessel selbst fragen, wo die Grenze der eigenen Moral verlaufen wäre.

Ironischerweise beginnt No One Will Know 300 Jahre eher, im 18. Jahrhundert, wo Lebemann Casanova dem König Steuergewinne durch die Einführung der Lotterie vorschlägt. Die Gier des Menschen ist seitdem unverändert geblieben. Die morbide Neugier an Geschichten über Glück, das sich in Unglück verwandelt, vermutlich ebenso wenig.

Mehr vom Fantasy Filmfest 2025:

Wir haben No One Will Know in Berlin auf dem Fantasy Filmfest 2025 gesehen. In der kommenden Woche läuft er im Rahmen des Genre-Festivals auch noch in anderen Städten Deutschlands. Ein deutscher Start ist für den 6. November 2025 angesetzt.

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