Das Fantasy Filmfest 2025 wurde vom US-amerikanischen Indie-Horrorfilm Good Boy eröffnet. Der aus der Perspektive eines Hundes erzählte Gruseltrip hat es nicht nur für Haustierhalter:innen in sich. Hier erhalten Genre-Fans eine neuartige Gelegenheit zur Gänsehautbildung.
Der Horrorfilm Good Boy zeigt die Ängste eines Hundes
Hunde haben in Horrorfilmen keinen leichten Stand. Sie sind meist die ersten, die als Kollateralschaden böser Entitäten dran glauben müssen. Nicht umsonst existieren für Tierfreunde Spoiler-Seiten wie doesthedogdie.com , um die schwer auszuhaltende Ungewissheit leidender Vierbeiner vorab zu klären.
Good Boy stellt diese Situation auf den Kopf und rückt nicht Menschen in den Vordergrund, die sich Haustiere halten, sondern das Haustier, das auf sein Herrchen aufpasst. Entsprechend drehte Ben Leonberg sein Spielfilmdebüt mit seinem eigenen Hund Indy in der Hauptrolle – was schon viel über das Einfühlungsvermögen des Herrchens/Regisseurs in seinen heißgeliebten Protagonisten verrät.
Schaut hier den Trailer zu Good Boy
Angestoßen vom Horrorklassiker Poltergeist aus dem Jahr 1982, der in der Perspektive eines Golden Retrievers startet (der als einziger merkt, dass etwas nicht stimmt), griff Leonberg diese ungewöhnliche Idee auf, um sie zu einem ganzen Film auszubauen. Seine Prämisse: Jeder Hundebesitzer hat schon einmal bemerkt, dass das eigene Haustier manchmal unerklärlich in leere Ecken starrt oder sich weigert in den Keller zu gehen. Vielleicht sollte man öfter hinterfragen, was dahinter steckt ...
Als der titelgebende "gute Junge" in Good Boy mit seinem Halter Todd (Shane Jensen) auf das entlegene Familienanwesen fährt, lauert im Schatten eine Bedrohung, die immer präsenter zu Tage tritt. Doch als bester Freund des Menschen will Indy seinen Besitzer unbedingt beschützen.
Horrortrip auf Hüfthöhe: Good Boy schenkt uns neue Blickwinkel
Meistens streift die Kamera in Good Boy knapp über Kniehöhe durch das Haus. Wir folgen Indys wedelndem Schwanz und spüren fast seine feuchte Nase, wenn sie schnüffelnd die Leinwand füllt. Der treue Blick und das weiche, rotbraune Fell sind stets zum Greifen nah. Gelegentlich nehmen wir sogar ganz die Perspektive des Hundes selbst ein, um durch seine Augen zu sehen, was er wahrnimmt. Bis hinein in seine Hunde(alb)träume.
Good Boy braucht (zum Glück) keine sprechenden Tiere, um uns als Publikum effektiv an die Leine zu nehmen und in Indys Welt zu führen. Außerdem beschränkt sich die Identifikation mit dem vierbeinigen Horror-Protagonisten nicht nur auf die Bildebene. Alle Geräusche vom Scharren der Hundekrallen auf dem Parkett bis zu klirrenden Ketten erklingen etwas lauter als gewohnt, als würden wir sie selbst mit sensibleren Hundeohren auffangen. Wenn die Erzählung, gerade am Anfang, gelegentlich vorwärts springt, finden wir uns mehr denn je in Indys Wahrnehmung wieder, der den Ereignissen zwar beiwohnt, aber nicht alles versteht, was geschieht.
Interessanterweise bleibt sein Herrchen dabei größtenteils gesichtslos. Und zwar nicht nur, damit Regisseur Ben Leonberg als Stand-in seinen eigenen Hund zu Höchstleistungen motivieren konnte. Als Bezugsperson ist Halter Todd für Indy zwar wichtig, aber nicht im Fokus. Aus der Ferne bleibt sein Antlitz schwer greifbar, aus der Nähe liegt sein Kopf im Schatten. Häufig endet das Bild auch einfach auf Kinnhöhe oder er trägt eine Kapuze. Dadurch umgibt ihn erzählerisch eine dunkle Wolke, die durch sein zunehmendes Husten und Röcheln unheilvoll wächst. Für das Erleben aus dem Hundeblickwinkel steht die Frage im Raum: Was, wenn etwas mit "deinem Menschen" nicht stimmt und die zu beschützende Person plötzlich bedrohlich wird?
Hundeliebe trifft Grusel: Good Boy besticht als emotionaler Horror
Mit seinen begrenzten finanziellen Mitteln als Independent-Filmprojekt macht Good Boy das Beste aus seinem im Dunkel lauernden Schrecken. Dieser mag sich optisch nicht mit Hochglanz-Horrorgestalten hoch budgetierter Gruselstreifen messen können, treibt sein Grauen aber trotzdem effektiv ans Ziel. Zumal die wahre Stärke des Hundefilms sowieso, bis zum letzten Twist, seine emotionale Herangehensweise an unsere Ängste ist.
Wenn Indy, treu wie Hachiko, am Fenster auf die Rückkehr seines Herrn wartet, geht einem trotz Gruselambiente immer wieder das Herz auf. Selbst Katzenliebhaber dürften hier dank Indy zu Hundefans werden. Nur einmal bricht Good Boy aus seiner Vierbeiner-Perspektive aus. Das ist für Puristen schade, aber verständlich, um die Erzählung zu ihrem ergreifenden Ende zu führen.
Weil man als Filmemacher bekanntlich nie mit Kindern oder Tieren drehen soll, wenn man einen reibungslosen Ablauf beim Dreh wünscht, brauchte Good Boy zur Vollendung außergewöhnliche 400 Drehtage (über drei Jahre hinweg), verriet Leonberg in einer Videobotschaft auf dem Fantasy Filmfest. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, da sich hier zeigt, dass Tierliebe doch mit dem Horror-Genre vereinbar ist.
Wer also einmal aus den üblichen Horrormustern ausbrechen will, ist an der richtigen Adresse: Good Boy findet eine gute Balance zwischen klassischen Schauerelementen und neuen Perspektiven, der man hechelnd hinterherlaufen sollte, wie einem besonders saftigen Stöckchen.
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Wir haben Good Boy auf dem Fantasy Filmfest 2025 gesehen. Während der Film in Berlin und Hamburg am 3. September gezeigt wurde, könnt ihr ihn auf dem FFF am 10. September noch in München, Nürnberg und Stuttgart schauen oder am 17. September in Frankfurt und Köln. Am 19. Dezember feiert der Film seinen DVD-Start. Ob Good Boy vorher auch noch einen Kinostart erhält, ist bislang nicht sicher.