Beim Fantasy Filmfest 2025 hat Slanted seine Deutschlandpremiere gefeiert. Das Spielfilmdebüt von Regisseurin Amy Wang lässt mit einer Prise Sci-Fi eindringlich Jugend-Albträume eskalieren, wenn es darum geht, dazuzugehören. Denn was wäre, wenn eine OP alles richten könnte?
Sci-Fi-Horror trifft Teeniefilm: Slanted bohrt tief in Jugendängsten
Joan Huangs (Shirley Chen) Eltern emigrieren aus China in die USA, als sie selbst noch ganz klein ist. Das Mädchen selbst wächst anschließend in Amerika mit einem klaren Traum auf: einst zur Prom-Queen gewählt zu werden. Allerdings waren alle vorigen Ballköniginnen immer blond und weiß, weshalb dieser Wunsch unerreichbar scheint. Zumindest bis das mysteriöse Schönheits-Unternehmen Ethno an Joan herantritt und verspricht, in einer zweistündigen Operation all ihre Träume wahr werden zu lassen.
Unzählige amerikanische Teenie-Komödien loten Außenseitertum und Dazugehörigkeitswünsche mit Humor und Fallstricken des Erwachsenwerdens aus. Slanted lehnt sich als schwarze Coming-of-Age-Satire in diese Filmvorbilder, ordnet sich dann aber gekonnt irgendwo zwischen Mean Girls - Der Girls Club, Carrie und The Substance ein, um einen betörend eigenen Weg zu gehen.
Amy Wangs schmerzhaft lustiger Film wurde von Gnadenlos schön inspiriert, ist durch seine kulturelle Aufladung aber noch viel mehr als ein bissiger Sci-Fi-Kommentar auf Schönheitswahn und Selbstoptimierung.
Slanted: Der amerikanische (Alb)Traum ist weiß
Der "American Dream" (Amerikanische Traum) besagt als US-Lebenseinstellung, dass jeder mit harter Arbeit alles erreichen kann. Schon wenn der abgelegte "Pledge of Allegiance" (Treueschwur) ihrer Klasse
die kleine Joan an ihrem ersten Schultag umhüllt, werden unheilvoll die Weichen für die bedingungslose Liebe zum neuen Heimatland gestellt. Nachdem sie die Krönung einer Abschlussball-Königin bezeugt, nimmt auf der Bühne das ultimative Ziel ihres eigenen Amerikanischen Traums Gestalt an.
Als Einwandererkind wächst Joan zwischen zwei Polen auf: Ihre liebenden Eltern pflegen die chinesischen Wurzeln daheim mit der Muttersprache und heimischem Essen, in der Schule fühlt sich die Jugendliche aber als ganz normale amerikanische Teenagerin. Das Ausloten dieses Identitäts-Spagats gelingt Slanted ähnlich gut wie Dìdi oder Noch nie in meinem Leben ... (deren Hauptfigur Maitreyi Ramakrishnan sicher nicht zufällig Joans beste Freundin spielt). Die Herausforderungen eines Aufwachsens mit den Füßen in zwei unterschiedlichen Kulturen steigert sich schnell jedoch zum Albtraum.
Schon der auf Joans asiatische Augenform anspielende Titel Slanted verdeutlicht ihren inneren Konflikt: Sie wünscht sich, als "Amerikanerin" statt als "asiatische Amerikanerin" wahrgenommen zu werden, so wie die bewunderte Schulschönheit Olivia (Amelie Zilber). Wenn man nicht gerade Michael Jackson heißt, scheint dieser Wunsch jedoch unmöglich.
Doch die Werbung weiß bekanntlich alles über einen und erhört Joan in ihrer alternativen Sci-Fi-Gegenwart per Instagram: Nachdem sie den "Ethno-Filter" auf sich angewendet hat, um weiß zu erscheinen, erhält sie eine Privatnachricht mit einem unschlagbaren Angebot. So findet Joan sich auf einem OP-Stuhl im Hinterzimmer einer schäbigen Strip-Mall bei einem Schönheits-Unternehmen wieder, das Außenseitertum mit dem Motto beenden will: "Wenn du sie nicht besiegen kannst, dann werde zu ihnen." Wahre Gleichheit entsteht hier, wenn alle weiß sein "dürfen".
Slanted ist eine Sci-Fi-Horror-Komödie, die sich trotzdem wahrhaftig anfühlt
Der Körperhorror fällt in Slanted nicht so extrem aus wie in The Substance oder The Ugly Stepsister, aber ausgerissene Haarwurzeln für eine bleibend blonde Haarfarbe und hängende Gesichtshaut, die sich langsam ablöst, reichen aus, um das "Leiden für die Schönheit" überzeugend auf die Ekelebene zu heben.
Am eindrücklichsten kommt der Film jedoch daher, sobald er sich tief und in seine bitterböse Idee hineinlehnt, dass das Weiß-Sein alle Probleme löst. Wenn weiße Ethno-Angestellte Joan mit stolzer Überzeugung ihre früheren Ausweise mit schwarzen oder asiatischen Identitäten unter die Nase halten, möchte man gleichzeitig lachen und weinen. Ein schreiend komisches Highlight ist das während der OP-Narkose eingespielte Musikvideo "It's good to be white", das alle Privilegien einer weißen Hautfarbe hervorhebt – natürlich als Karaoke-Version, weil im Kinosaal die meisten Zuschauenden weiß sind.
Die Anpassung an den weißen Status Quo erhebt Slanted dank seines Sci-Fi-Anteils zur Teenager-Rebellion im Extrem. Beim Zuschauen schwankt man ständig zwischen einem Lachen, das einem im Hals stecken bleibt, Ekelmomenten und Unglauben. Wenn Joans Eltern sie nach der OP nicht mehr erkennen und die innige Beziehung zu ihrem Vater bröckelt, wird es zwischenzeitlich sogar richtig bewegend.
Der changierende Tonfall passt aber ideal zu dem garstigen Coming-of-Age-Film: Denn wo erlebt man die gesamte Gefühlspalette als solche Achterbahnfahrt, wenn nicht während der Jugend? Slanted ist filmgewordene Pubertät.
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Wir haben Slanted in Berlin auf dem Fantasy Filmfest 2025 gesehen. In der kommenden Woche läuft er im Rahmen des Genre-Festivals auch noch in anderen Städten. Ein deutscher Start ist darüber hinaus bisher noch nicht bekannt.