Crashing - Lohnt sich die neue HBO-Serie von Judd Apatow?

19.02.2017 - 10:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Heute startet die neue HBO-Comedy-Serie Crashing von Produzent Judd Apatow und wir schreiben, ob sich das Einschalten lohnt.

Eine Liste mit den 13 bizarrsten Sex-Szenen wird uns die neue HBO-Comedy Crashing erstmal nicht bescheren. Dabei steht der Sex gleich am Anfang. Er ist die zweifache Ur-Sünde, nur führt die zur Vertreibung ins Paradies und zwar das der New Yorker Comedy-Szene. Hauptfigur Pete ist die Art Mensch, die keiner Fliege was zu leide tun könnte, selbst wenn die Fliege um Erlösung vom elenden Fliegendasein bettelt. Als seine Frau Jess in der ersten Folge auf dem Wohnzimmerboden liegend ein "Fuck me on the floor" keucht und der supernette Pete sich über seine wunden Knie ärgert, scheint die Ehe der beiden hinreichend skizziert. Auf den drögen Sex folgt die unschöne, aber nachvollziehbare Entdeckung: Pete fährt nach einem weiteren unbezahlten Stand-up-Auftritt nach Hause und überrascht Jess mit einem Liebhaber. Leif lautet sein Name und Leif sieht aus wie menschgewordener Hummus, relaxt, saftig, lecker. Leif lässt sich von wunden Knien sicher nicht ablenken. Um Wohnung und Brötchenverdienerin beraubt, steht Pete vor den Scherben seines Lebens. Obwohl Judd Apatow auch Lena Dunhams Girls (und indirekt zahllose Sexszenen-Listicles) produzierte, wirkt seine neue HBO-Serie im Vergleich zur Generationen definierenden Dramödie zahm. Crashing gibt sich ungewöhnlich lieb und nett im Vergleich zu Silicon Valley oder Veep - Die Vizepräsidentin, zumindest auf den ersten Blick. Das trifft aber auch auf Hauptfigur Pete zu. Der ist von nun an gezwungen, bei Comedians unterzukommen, die sich allesamt selbst spielen. Die Lebenskrise entwickelt sich zum Traum für Comedy-Nerds.

Pete Holmes, Judd Apatow, Artie Lange

Crashing basiert auf den Erfahrungen von Hauptdarsteller und Autor Pete Holmes, der vor seinem Durchbruch als Stand-up ebenfalls jung verheiratet und geschieden wurde. Nun darf man getrost bezweifeln, dass die Welt nach Seinfeld, Lass es, Larry!, Louie, Legit, Maron, Difficult People, Mulaney, The Jim Gaffigan Show und Lady Dynamite einer weiteren Serie über Comedians bedarf. Gerade in den ersten Folgen tut sich Crashing schwer, seine Existenzberechtigung im Zeitalter des Peak TV zu definieren. Manche werden berechtigterweise vor der vierten, fünften Folge abschalten, wenn die Serie mit ihrem Helden langsam zu sich selbst findet. Während Pete zunächst unter der Trennung leidet, halten die Gaststars bei Laune. Artie Lange wurde für seine Drogenexzesse mindestens ebenso berühmt wie für seine Zeit als Sidekick von Howard Stern. In Crashing entspricht er ganz diesem zerrütteten Image und kreiert einen kontrollverlustigen Kontrast zum häuslichen Pete. T.J. Miller (Silicon Valley) gibt den Comedy-Rockstar, ein charismatischer wie aggressiver Wirbelsturm auf der Bühne. Sie alle sind Profis, die einem Anfänger aushelfen und hier offenbart sich die Originalität im Ansatz von Crashing. Pete ist kein guter Stand-up. Sein "Set" wirkt zusammenhanglos und unpersönlich. Er weiß, wie man Witze schreibt, aber nicht, warum er Witze schreibt. Etwas besseres als die Trennung von Jess (Lauren Lapkus) hätte dem Comedian nicht passieren können. Auf sich allein gestellt, muss Pete seinen Traum finanzieren. Entweder er lernt oder schmeißt hin.

'Comedy is the new religion.' - '... You think touring comedians are like preachers?' - '... Except we're better than preachers because we're not lying.'

Crashing gelingt das Kunststück, in einer Nische die Allgemeingültigkeit zu finden. Einerseits schnieft sich die Serie durch die New Yorker Comedy-Szene wie ein junger Artie Lange durch eine Koks-Line. Man meint die vertrockneten Bierflecken in den versifften Clubs förmlich zu riechen. In wenigen Serien wird so oft auf der Bühne "gestorben" wie in Crashing. Die Stille, die Pete und anderen jungen Kollegen entgegenschlägt, erdrückt, entmuntert und trotzdem reden sie weiter. Vom Neuling, der Flyer verteilt, um eine Chance zu erhalten, bis zu Stars wie Sarah Silverman, die in ihrem High-Tech-Wohnhaus Life-Coach und Obdachlosenbetreuerin gibt, werden alle Comedy-Schichten durchgraben. Viele Sitcoms übersetzen die Persona ihrer Stars in eine homogene Seriensprache. Crashing hingegen betört durch die Vielfalt der Stimmen, ist mal vulgär, beobachtend, einfühlsam, schockierend oder warm. Zusammengehalten wird der acht Episoden lange Comedy-Almanach aus den Kellern des Big Apple von Holmes selbst. Dessen Außenseiteraugen saugen die Skurrilitäten der Szene auf und dank seiner Höflichkeit begegnet Holmes Zynikern, Erleuchteten, Losern und Genies mit einer Offenheit, die sich auf die Serie überträgt. Andererseits hat Petes Ringen mit seiner Berufung, die Zweifel über Lebensunterhalt und Job, etwas Universelles. Insofern liegt der Vergleich zu Girls nahe, nur nähert sich Crashing den Befindlichkeiten der Millennial-Generation über einen sonderbaren Berufsstand an. Selbst Prostituierte seien besser dran, heißt es weise. Die werden wenigstens für ihre Dienste bezahlt.

You gotta save my life tonight, no pressure.

Abgesehen vom Stand-up-Milieu mit seinen One-Liner-süchtigen Bekanntschaften ("You look like you work for a homeless person") kristallisiert sich einer erst in späteren Folgen heraus: Pete selbst. Das geschieht dank der Perspektive von Petes Ex-Frau Jess, deren Direktheit sich mehrmals wie ein Eimer kaltes Wasser auf einen Schlafwandler ergießt. Lauren Lapkus spielt Jess unerwartet berührend, sodass weder sie noch Hummus-Leif als Sündenböcke taugen. Wenn Pete crasht, liegt die Verantwortung zuallererst bei ihm, ob auf der Bühne oder dem Wohnzimmerboden. Aber brauchen wir Crashing? Sollten wir uns die Zeit nicht lieber mit You're the Worst vertreiben, die uns psychische Krankheiten näherbringt, in Master of None etwas über die Erfahrungen von Minderheiten lernen oder die Kleinkunstwerke eines Louis C.K. analysieren? Alles Produktionen, die wir der Serien-Blüte verdanken, die nicht zufällig mit einem zweiten großen Comedy-Boom in den USA einhergeht. Wie andere Kollegen dieser Komödianten-Generation baute Holmes seine Popularität im Internet aus (You Made It Weird ) und wie John Mulaney, Aziz Ansari oder Amy Schumer wagt er den Sprung in den Serien-Mainstream. Crashing dürfte dabei kaum für den heißen Gesprächsstoff am Montag danach sorgen, dafür fehlt es der Serie an Relevanz oder Wille zur Kontroverse. Wenn wir allerdings eines aus dem ersten Comedy-Boom gelernt haben, der Jerry Seinfeld zum Millionär machte und zig Stand-up-Clubs in den Bankrott führte, dann: Genießen wir die Nische, so lange wir noch können.

Die acht Episoden der 1. Staffel von Crashing laufen Sonntags in den USA und sind parallel über Sky Go und Sky Ticket abrufbar.

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