Drei Jahre nach Wunderschön setzt Karoline Herfurth ihren Millionen-Hit über Körperbilder und die Rolle von Frauen im 21. Jahrhundert fort. Wunderschöner läuft nun seit dem 13. Februar 2025 im Kino und erzählt die Geschichte um Sonja (Herfurth), Julie (Emilia Schüle), Vicky (Nora Tschirner) und andere bekannte Figuren weiter, während die Fortsetzung viele neue Gesichter und Geschichten dazugewinnt.
Wir haben Karoline Herfurth zum Kinostart getroffen, die für Wunderschöner als Regisseurin, Co-Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin fungiert und mit ihr über neue Themen in Wunderschöner, die 4-Tage-Woche, den Spagat zwischen Regie und Schauspiel und das kommende Remake von Mädchen, Mädchen gesprochen.
Moviepilot: Mit Wunderschöner setzt du Wunderschön nach drei Jahren fort. Warum war es dir so wichtig, eine Fortsetzung zu machen?
Karoline Herfurth: Mir war es eigentlich gar nicht wichtig. Ich wollte gar keine Fortsetzung machen, weil ich dachte, wir haben schon alles erzählt. Wir haben eigentlich erst mal geguckt, was für Geschichten uns jetzt als Nächstes interessieren. Und haben dann relativ schnell gemerkt, dass wir uns immer in einer logischen Fortentwicklung der Thematik befinden und dass es total spannend ist zu schauen: Was haben diese Figuren eigentlich in den letzten drei Jahren erlebt und wo setzen wir jetzt an? Und wie kann man diese Thematik, die der erste Teil behandelt hat – den Körperdruck – nochmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten?
Der Film bringt ja auch einige neue Figuren ein, die viele neue Themen aufwerfen. Vor allem die Familie um Anneke Kim Sarnaus Figur Nadine nimmt einen großen Teil des Films ein, wo dann ja auch sehr schwere Themen wie zum Beispiel Zwangsprostitution zum Tragen kommen. Warum war es dir wichtig, das Thema mit in den Film aufzunehmen und dich dazu auch am Ende sehr deutlich zu positionieren?
Wir sind ehrlich gesagt erstmal ganz naiv und offen in die Thematik eingestiegen. Wenn man sich Körperbilder oder Körperdruck ein bisschen genauer anguckt, dann merkt man, das hat viel mit dem Druck zu tun, sexy zu sein, mit sogenannter fuckability. Aber was ist sexy eigentlich heutzutage, und wer bestimmt das und warum ist es so wichtig? Daran schließen sich so Fragen an wie: Was ist eigentlich unser Begriff heutzutage von Sexualität? Wie sind wir da geprägt und wie gehen wir damit um im Alltag? Und wir kommen eben auch bei solchen Themen wie körperliche Selbstbestimmung an. Das haben wir selbst alles ein bisschen mit den Figuren und den Geschichten, die wir entwickelt haben, entdeckt.
Im ersten Teil haben wir uns einer Wahrhaftigkeit der Thematik gegenüber verschrieben. Auch da sind wir ja in sehr schmerzhafte Bereiche gegangen, was Körperdruck angeht, denn Magersucht ist natürlich auch kein leichtes Thema. Wir hatten das Gefühl, dass wir, wenn es eben um Sexualität und auch körperliche Selbstbestimmung geht oder sich dahin entwickelt, dass wir diese Bereiche nicht auslassen dürfen, weil sie tatsächlich dazugehören zu unserem Bild von Sexualität. Davon sind wir umgeben, und das verhandeln wir ja auch in unseren intimsten und persönlichsten Beziehungen miteinander.
Hier finde ich sehr interessant, wie die Geschichte von Julie weitererzählt wird und mit dem Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ein starkes Statement im Film gesetzt wird. Genauso wie der Film anhand der Anja Kling-Figur [Julies Chefin Regine] sehr deutlich zeigt, dass auch [um es mit den Worten des Films zu sagen] Frauen zu Friedrichs werden können, wenn sie in einer Welt voller Friedrichs aufwachsen oder in eine Machtposition gelangen. Was war euch daran wichtig zu zeigen?
Uns war wichtig nicht zu erzählen: “Männer verhalten sich so und Frauen verhalten sich so”. Denn das ist, glaube ich, nicht die Situation. Wir sind alle Kinder unserer Gesellschaft und sind darin groß geworden und geprägt und wir alle treffen darin Entscheidungen. Widerstand zu leisten oder etwas ändern zu wollen, hat ja auch was mit der Möglichkeit dazu zu tun.
Ich glaube, es gibt einfach die unterschiedlichsten Menschen, die damit unterschiedlich umgehen. Manche Menschen sind total überzeugt von den Dingen, die uns umgeben, und manche haben gar nicht das Bewusstsein dafür. Und manche haben vielleicht auch gar nicht die Möglichkeit, da freie Entscheidungen zu treffen. Deswegen fanden wir es richtig und wichtig, auch von Frauen zu erzählen, die eben das herrschende System reproduzieren.
Dadurch, dass so viele neue Figuren in den Film Einzug gefunden haben, mussten ja wahrscheinlich auch welche austreten, wie Martina Gedeck und Joachim Król. Hatte das einfach organisch mit der Geschichte zu tun?
Tatsächlich ja, weil wir natürlich gemerkt haben, dass, gerade was das Thema Sexualität angeht, Joachim Króls und Martina Gedecks Erzählstrang schon der war, der am meisten da reingeragt hat aus dem ersten Teil. Wir haben diesen Teil der Geschichte schon erzählt und gemerkt, es gibt andere Aspekte der Thematik, die dann einfach diesen Platz brauchen.
Der Film knüpft in vielen Bereichen dennoch an den ersten Teil an. Gibt es besondere Referenzen, auf die du dich am meisten freust, dass sie von den Fans in der Fortsetzung gesehen werden?
Ich bin total gespannt! Wir haben beim Testscreening zum Beispiel gemerkt, dass die Geschichte auch funktioniert, ohne den ersten Teil gesehen zu haben. Aber es gibt ja wirklich Dinge, die total auf dem ersten Teil aufbauen, gerade in der Beziehung zwischen Vicky und Franz, wenn er da mit der Melone vor der Tür steht. Ich glaube, niemand versteht, warum er eine Melone in der Hand hat, wenn man den ersten Teil nicht gesehen hat. Auch die Hebefigur ist natürlich etwas, das man eben besser versteht, wenn man den ersten Teil gesehen hat. Ich liebe auch den ersten Satz im Film: Du bist wunderschön. [lacht] Das ist, glaube ich, meine Art von Humor.
Aber eben auch, warum ist das, was Julie erlebt, ein Rückfall? Im Kino gibt es jetzt erstmal ein Happy End und eine Figur hat etwas verstanden. Aber im Leben geht es ja weiter und es war ganz schön, nochmal die Möglichkeit zu haben, dass gerade mit so einer überwundenen Krankheit das Leben trotzdem erstmal Herausforderungen beinhaltet und dass da auch ein hin und her ist und ein Prozess, damit umzugehen. Weil das Leben eben weitergeht, im Gegensatz zum Film. Und es war irgendwie ganz schön, das nochmal aufnehmen zu können und zu zeigen, wie sie da mit alten Gespenstern zu kämpfen hat. Das versteht man, glaube ich, natürlich besser, wenn man den ersten Teil gesehen hat.
Auch alles, was die Figur Leyla angeht, [die im ersten Teil Baseball als Sport für sich entdeckt hat]. Der Trainer aus dem ersten Teil, der ganz am Ende von der Tribüne noch mal grüßt, ist, glaube ich, meine Lieblingsreferenz, weil es zeigt, dass er sie einfach weiter im Leben begleitet und so eine wichtige Figur für sie war. Sowas finde ich einfach schön und ich glaube, es bringt ein bisschen Herz aus dem ersten Teil mit sich, aber er steht als Film auch für sich allein.
Bei deiner letzten Regiearbeit Einfach mal was Schönes hast du ja die 4-Tage-Woche im Produktions- und Drehprozess eingeführt …
Also die Produzenten haben das gemacht. Wir haben es schon gemeinsam überlegt, aber tatsächlich kam der Impuls, familienfreundlicher zu arbeiten, eher aus der Produktion. Die Lorbeeren könnte ich mir jetzt nicht aufsetzen. Aber ja.
War das eine Überlegung, die ihr für Wunderschöner auch hattet oder war das jetzt gar kein Thema mehr?
Doch auf jeden Fall. Wir haben in einer Zeit im Jahr gedreht, wo es viele 4-Tage-Wochen gibt, daher hat sich das tatsächlich auch ein bisschen von selbst ergeben. Wir haben diesmal das Team in die Entscheidung mit hineingenommen und tatsächlich ist die Entscheidung dagegen ausgefallen. Trotzdem hatten wir eben durch den Jahresrhythmus immer wieder auch nur 4-Tage-Wochen.
Ich finde die 4-Tage-Woche großartig. Ich merke auch durch den Spagat vor und hinter der Kamera, dass es mir total guttut, immer mal wieder drei Tage dazwischen zu haben. Aber es ist manchmal beim Film nicht ganz so einfach für andere Crew-Mitglieder, weil Anschlussprojekte bestehen oder der Jahresrhythmus einfach ein bisschen anders aussieht als meiner und da muss man natürlich miteinander gucken, ob das möglich ist.
Kannst du dir vorstellen, Wunderschön 3 bzw. einen dritten Teil zu machen?
Ich muss gestehen, dass ich jetzt sehr viel Zeit ins Filmemachen investiert habe. Ein sehr schöner Teil meines Lebens. Jetzt möchte ich gerne ein bisschen Zeit in den anderen Teil meines Lebens investieren und eine Pause machen und ein bisschen frei haben. Ich hab mir vorgenommen, für dieses Jahr nach dem Motto “Mal gucken” zu leben. Also das heißt, wenn ich gefragt werde, was machst du heute? Dann sag ich, “mal gucken”. Das ist sehr schön, mal die Möglichkeit zu haben zu sagen, “mal gucken, weiß ich noch nicht”.
Und so geht es mir ehrlich gesagt auch mit der Entscheidung, was ich als Nächstes mache, inhaltlich. Ich habe einige Ideen, aber ich habe erstmal große Lust, mich nicht zu entscheiden. Auch weil ich weiß, sobald ich mich für eine Sache entschieden habe, dann fängt mein Kopf an zu rattern und dann tauche ich schon wieder in die nächste Geschichte ein. Und ich würde jetzt gerne mal eine Zeit lang gar nicht über das Filmemachen nachdenken.
Also sowohl vor als auch hinter der Kamera?
Beides. Erstmal eine kleine Auszeit und dann auch erstmal wieder ein bisschen vor der Kamera sein.
Könntest du dir eigentlich vorstellen, auch mal einen Film zu machen, in dem du nicht selbst mitspielst? Du hast ja bisher fünf Filme selbst inszeniert und in allen auch eine der Hauptrollen übernommen, und eben in vielen Filmen mitgespielt, die du nicht selbst inszeniert hast. Könntest du dir diesen dritten Weg auch vorstellen?
Ja, total gerne. Das Schöne an Wunderschön 1 und 2 war ja, dass die Filme aus Episoden bestehen und deswegen viele Teile der Filmarbeit bedeutet haben, dass ich nur eine Funktion am Set hatte und mich auf diese konzentrieren konnte. Das ist für mich natürlich total schön, weil der Spagat schon eine ganz schöne Herausforderung ist. Das habe ich sehr genossen an den beiden Filmen.
Und es ist ehrlich gesagt abhängig von der Geschichte. Es kann gut sein, dass ich irgendwann eine Geschichte erzählen will, wo ich als Schauspielerin keinen Platz habe oder nicht reinpasse. Und dann definitiv ja. Aber ich folge quasi immer der Geschichte. Was die braucht, mache ich dann.
Wie anders kann man sich den Prozess vorstellen, wenn du als Regisseurin dich auch als Schauspielerin selbst vor der Kamera inszenierst?
Dadurch, dass ich die Bücher schon mitgeschrieben habe, habe ich eine sehr genaue Vorstellung von dem Moment und was ich da will. Meistens probe ich die Szene erst einmal, dann gucke ich mir die Aufnahme an und schaue: Schaff ich es, komme ich dahin? Viel geht auch nach Gefühl. Und dann ist natürlich mein Mann und Produzent Christopher Doll jeden Tag mit am Set und der übernimmt auch oft diese Funktion, mich zu spiegeln und da sind wir einfach ein sehr geübtes Team. Ich gucke dann nur ab und zu mal, ob es schon gestimmt hat.
Das Schöne ist, wenn ich nur als Schauspielerin vor der Kamera bin und eine andere Regie habe, dann kann ich ein bisschen mehr die Selbstbeobachtung ausschalten und das macht tatsächlich großen Spaß. Sonst spaltet man sich so ein bisschen wie in zwei Personen, die eine spielt und die andere guckt dabei so ein bisschen zu. Das gehört sowieso zum Spielprozess dazu, aber das kann ich ein bisschen loslassen, wenn ich nicht auch die Regie übernehme.
Eine letzte Frage: Mädchen, Mädchen bekommt ja dieses Jahr ein Remake. Ich weiß nicht, ob du verraten darfst, ob wir dich darin wiedersehen werden … Aber was hältst du von der Idee einer Neuauflage?
Ich bin total gespannt darauf und finde das sehr lustig. Ich bin total gespannt, wie eine neue Generation mit dieser Thematik umgeht. Da bin ich sehr neugierig. Ich wünsche dem Film erstmal alles Gute. Ich konnte leider nicht dabei sein, weil ich eben mitten in der sehr knappen Postproduktion von Wunderschöner war. Also ja, ich hatte nicht die Möglichkeit teilzunehmen, was ich schade finde. Aber ich bin sehr neugierig, was daraus geworden ist.