Community

Vor 50 Jahren: Das Geheimnis der versunkenen Schnecke

19.12.2017 - 00:01 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Ehrgeizige Papageien und doppelte Lamas
Hieronymus Hölzig
Ehrgeizige Papageien und doppelte Lamas
5
8
Am 19.12.1967 startete "Doctor Dolittle" in den amerikanischen Kinos. Der tierisch kostspielige Flop sorgte für einen im besten Sinne "ungemütlichen" Eklat bei den Oscars, Milliardengewinne für George Lucas und Mythen um einen riesenhaften Mollusken.

Dieser Tage dreht sich selbstredend alles um Star Wars, kein Wunder also, dass auch die heutige Geschichte damit beginnt. Ein gewisser George Lucas handelte Ende der Siebziger Jahre mit 20th Century Fox einen genialen Deal  aus, indem er als Regisseur von Krieg der Sterne auf eine halbe Million Dollar seines Gehalts verzichtete und stattdessen Merchandising-Rechte an seinem Film erwarb. Das machte ihn zum Milliardär. Warum aber ließ sich eine große Produktionsfirma so einfach ein großes Geschäft aus der Hand nehmen? Gut, Star Wars war 1977 gewissermaßen ein Überraschungserfolg, doch die komplette Antwort führt ins Jahr 1967 zurück. Kurz vor dem damaligen Weihnachtsfest waren amerikanische Verkaufsregale voll von tierischem Firlefanz : Tier-Stifte, Tier-Puzzles, Tier-Schallplatten, sprechende siamesische Lamas, eine Mattel-Puppe des Schauspielers Rex Harrison mit Zylinderhut. Lange nach Weihnachten lag der Klimbim noch immer da. Die Merchandising-Kampagne zu dem Film Doctor Dolittle war imposant gestartet und imposant war sie gescheitert. Der Film führte 20th Century Fox in eine schwere Krise und das Wort "Film-Merchandise" hörte sich in den folgenden Jahren wie übles Zähneknirschen an.

Tierisches Drunter und Drüber

Bereits 1920 veröffentlichte Hugh Lofting seinen weltweit bekannten Roman Doktor Dolittle und seine Tiere, dessen erste Versatzstücke er ursprünglich in den Schützengräben der europäischen Kriegshölle geschrieben hatte. Doktor Dolittle, das ist der Arzt, der mit den Tieren spricht, weil er die Menschen hasst, der ein zweiköpfiges Lama besitzt und in Fortsetzungsromanen nach einer purpurnen Riesenseeschnecke sucht. 1928 gelangte das Werk erstmalig auf die Leinwand in Form von Silhouetten-Animationen der deutschen Zeichentrick-Pionierin Lotte Reiniger. Dreieinhalb Jahrzehnte später und auf der anderen Seite des Atlantik sollten Löwen und Schweinchen aus Pappe nicht mehr ausreichen - Für eine neuerliche Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers traten nun 20th Century Fox und Regisseur Richard Fleischer mit echten Tieren an. Für die Produktionsstätte sollte es der große Einstieg ins Musical-Geschäft werden - Hauptdarsteller wurde somit prompt Rex Harrison (My Fair Lady). Kaum einer der Beteiligten wird jene Strapazen geahnt haben, die am Ende vier Jahre Produktion mit sich bringen sollten. So standen mehrere hundert dressierte Tiere in Kalifornien schon bereit, doch durften für den Dreh im englischen Castle Combe nicht eingeführt werden - aus rechtlichen Gründen. Neue und mehr Tiere mussten her, sowohl in Castle Combe als auch im Karibik-Paradies Saint Lucia, den beiden Drehorten des Films. 1500 Vier-, Zwei- oder Gar-kein-Beiner  würden am Ende zum Einsatz kommen. Und nicht jedes davon war so leicht zu handhaben wie das zweiköpfige Lama Stoßmich-Ziehdich, das lediglich ein Kostüm mit zwei Personen im Inneren darstellte. Nein, zum Teil konnten einem die Tiere leidtun: Einem Rehkitz  wurde der Magen ausgepumpt, nachdem es Farbe getrunken hatte; ein Eichhörnchen wurde für seinen großen Auftritt mit Alkohol ruhig gestellt. Einige Enten, deren näheres Schicksal im Verborgenen bleibt, gingen nach Drapieren auf einem Teich prompt unter, weil sie zu jener Jahreszeit das unpassende Federkleid trugen. Eine Ziege entfloh bei laufender Kamera, schnappte das Drehbuch und gönnte sich davon einen reichen Happen. Während einer Musical-Nummer soll Rex Harrison mittendrin zu singen aufgehört haben, weil er den Ruf "Cut!" seines Papageis Polynesia für eine Regieanweisung gehalten hatte. Der Dreh verzögerte sich so sehr, dass ein Schwein mehrere Male umbesetzt werden musste - wegen des raschen Wachstums.

"Tyrannosaurus" Rex

Das widerspenstigste Wesen am Set war jedoch eines mit eigentlich großer Filmerfahrung: Rex Harrison. Bereits 1965 war er zeitweilig frustriert aus dem Projekt ausgestiegen, Christopher Plummer sprang - welch interessante Parallele zu 2017  - kurzfristig ein. Harrison überlegte es sich nochmal anders, wollte nun doch mitmachen und Plummer erhielt 300.000 Dollar, ohne einmal vor der Kamera gestanden zu haben. Der bis zu seinem Tod sechsfach verheiratete  Harrison tyrannisierte Kollegen mit cholerischen Ausbrüchen, darunter die übrigen Hauptdarsteller Samantha Eggar, Anthony Newley und Geoffrey Holder. Nicht verängstigen ließen sich einige Schafe, die mehrfach unbeeindruckt Harrisons Bein bewässerten. Und dann war da noch der Vorfall mit der purpurnen Riesenseeschnecke. Für die Dreharbeiten in Marigot Bay auf Saint Lucia, ließ Effektemacher L. B. Abbott  eine schwimmende Fiberglas-Seeschnecke herstellen, 8 Tonnen schwer und motorisiert . Die beeindruckende Requisite ist mehrfach im Film zu sehen. Problem: Einige Tage vor ihrem Einsatz hatten sich dutzende Kinder in Marigot Bay einen Magen-Darm-Infekt zugezogen, hervorgerufen durch verdorbene Süßwasserschnecken. So empfand man das imposante Weichtier als böse Provokation, einige Anwohner bewarfen es mit Steinen. Der Legende  nach schleppten Inselbewohner die unliebsame Schnecke schließlich hinaus aufs Meer, zerstörten und versenkten es. Jahrzehntelang sollte das Schicksal der purpurnen Riesenseeschnecke ein Mythos bleiben.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News