Unheimlich starker Zeitreisefilm: In Rose of Nevada erscheint ein verlorenes Fischerboot nach 30 Jahren wieder im Hafen

06.09.2025 - 12:45 UhrVor 15 Stunden aktualisiert
BFI Films
Rose of Nevada
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Einer der außergewöhnlichsten Zeitreisefilme der letzten Jahre entführt George McKay und Callum Turner auf ein unheimliches Fischerboot. Rose of Nevada ist ein magisches Filmerlebnis.

Vor 30 Jahren verschwand sie mit der Besatzung auf dem Meer, nun liegt sie führerlos im Hafen des Fischerdorfs. Eine Erklärung für die Rückkehr der Rose of Nevada gibt es jedoch nicht in dem Zeitreisefilm von Mark Jenkin, der sich als eines der Highlights beim diesjährigen Filmfestival in Venedig herausstellte, das heute zu Ende geht.

Jenkin entführt nämlich neben seinen beiden Darstellern George McKay (1917) und Callum Turner (Masters of the Air) auch das Publikum in eine andere Zeit, deren salzige Luft wir in Rose of Nevada regelrecht schnuppern können.

Callum Turner und George McKay reisen in Rose of Nevada 30 Jahre in die Vergangenheit

In den meisten anderen Filmen würden die Einheimischen das plötzliche Auftauchen eines verloren geglaubten Trawlers als Warnzeichen betrachten. Das Dorf in Rose of Nevada hätte aber selbst beim Besuch eines Nosferatu oder sonstiger übellauniger Gruselgestalten wenig zu verlieren.

Seitdem der unscheinbare Trawler vor 30 Jahren mit seiner Besatzung verschwand, zerfällt die Gemeinschaft. Schiffe fahren schon längst nicht mehr heraus. Die Familien der Bootsleute wurden von dem Verlust zerrüttet. Selbst die Häuser scheinen zu verfaulen, wie der junge Nick (George McKay) feststellen muss, als er beim Flicken eines Lochs in der Dachpappe direkt in die Wohnungen darunter plumpst.

Folglich sieht Seemann Mike (Edward Rowe) die Ankunft der Rose of Nevada als gutes Omen, das die Geschicke des Dorfs wenden kann. Er überredet Nick und den Drifter Liam (Callum Turner) dazu, mit einem erfahrenen Seebären hinauszufahren und einen Fang einzuholen, der das Dorf wiederbeleben könnte.

Die beiden Landratten entwickeln Gefallen an dem harten, aber ertragreichen Job. Doch dass jemand "Get off the Boat now!" in die Seitenwand des Bettes geritzt hat, jagt Schauer über Nicks Rücken.

Als sie mit vollem Lagerraum heimkehren, finden sie das Dorf wie verwandelt wieder. Im Hafen wird hart geschuftet, das Pub ist gut gefüllt, die Menschen wirken erfrischt und … jung. Wie sie schnell herausfinden, sind Nick und Liam 30 Jahre in die Vergangenheit gereist und alle halten sie für die Original-Besatzung der Rose of Nevada.

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Der Zeitreisefilm baut eine Atmosphäre auf, der man sich nicht entziehen kann

In Rose of Nevada kann man die Vision des Regisseurs mit den Fingern greifen. So dicht und kompromisslos ist die unheimliche Aura, die Mark Jenkin (Bait) seinem Fischerdorf und dem mysteriösen Trawler verleiht. Auf rauem 16-mm-Film gedreht, betrachtet die Kamera die Taue, rostigen Poller und milchigen Fensterscheiben wie Statisten, die sehnsuchtsvoll zur Rose of Nevada herüberblicken.

Unterdessen wird das Meer als harte, ihre Umgebung abwetzende Naturgewalt stilisiert, welche die Männer mit einem Fingerschnippen vom Schiff in den Tod schwappen kann. Während an Land die Ruhe wartet, verwandeln sich die Reisen auf die hohe See in eine elektrisierende (Kino-)Erfahrung, die besonders Liam verführt. Der wurzellose Zufallsseemann gewinnt durch die Zeitreise eine Identität und eine Familie. Anders sieht es bei Nick aus, der mit der Gegenwart tatsächlich einen Halt verloren hat.

Diese Spannungen kanalisiert Mark Jenkin in einen magisch anmutenden Zeitreisefilm. Gehirn verknotende Twists und ähnlichen Story-Beifang sollte man nicht erwarten, dafür ist Rose of Nevada zu sehr an der Gemeinschaft interessiert, die eine zweite Chance auf eine Zukunft erhalten könnte – wenn nur die beiden Männer ihre Rollen spielen.

Wir haben Rose of Nevada beim diesjährigen Filmfestival in Venedig gesehen, das noch bis zum 6. September läuft. Einen deutschen Kinostart hat der Film noch nicht.

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