Tatort: Borowski & der Himmel über Kiel - Unter Meth-Bauern

25.01.2015 - 20:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
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Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel
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Borowski und der Himmel über Kiel wird für viele Zuschauer als der "Crystal Meth-Tatort" in Erinnerung bleiben. Dabei unterlassen es Regisseur Schwochow und Autor Basedow, den filmischen Zeigefinger zu schwingen.

Irgendwann kann auch Borowski nicht mehr. "Was ist das denn für ein scheiß Dorf", entfährt es ihm in einer urkomischen Szene des Tatorts. Da haben wir schon gesehen, dass der Schädel eines Toten aus einem Fluss gefischt wird, halbe Kinder sich zudröhnen, Nacht und Tag durchtanzen, -feiern, -vögeln, -streiten. Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel gleicht dem Trip in eine Unterwelt, aber einer, die in jedem Hobbykeller, jeder Scheune lauert. Wir können dem gar nicht zimperlichen Kommissar Borowski gut und gern in seinem Fazit zustimmen: "Seid ihr alle irre?"

Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel

Crystal Meth ist der Aufhänger des neuen Borowski-Tatorts, eine günstige Modedroge, die "ganze Landstriche verwüstet", wie es einmal heißt. Genauso stellt Regisseur Christian Schwochow seine Filmwelt unter anderem mit Hilfe von Kameramann Frank Lamm und Komponist Daniel Sus dar, alle drei ein eingespieltes Team seit Novemberkind aus dem Jahr 2008. Wälder und Äcker, denen alle Lebendigkeit entzogen wurde, herunter gekommene Scheunen, leer gefegte Dorfstraßen, allenfalls ein manisch im Kreis fahrender Traktor belebt sie. Dazu ein Score, der mit steigender Spielzeit sich aufs Industrial-Stampfen verlegt. Kommen die Bewohner dieser ländlichen wie urbanen Ödnis in den Fokus, dann mangels Tiefenschärfe regelrecht in die Fläche gepresst. Warum auch nicht, scheint ihre Wahrnehmung doch ähnlich begrenzt, wenn sie "drauf sind". Drauf sind vor allem Rita (Elisa Schlott) und ihr Freund Mike (Joel Basman), deren Abgleiten in den Drogensumpf ohne viel motivierenden Ballast abgehandelt wird. Dabei bleibt das Drehbuch von Dominik Graf-Stammautor Rolf Basedow über Rückblenden ganz nah dran an der Erlebniswelt der beiden jungen Leute, die das "geilste Gefühl der Welt" zu pachten versuchen und dabei in mehrfacher Hinsicht den Kopf verlieren.

Mit den Augen der Süchtigen findet der Tatort denn auch zu vollem Nachdruck, was so manch' diabolisch grinsenden Bösewicht verzeihen lässt. Elisa Schlott verdient hier gesonderte Erwähnung. Geschickt wird auf Montage, Farbgebung und insbesondere das Sounddesign zurückgegriffen, um Rausch- und Entzugssequenzen filmisch aufzubereiten, Wahn und Wirklichkeit verschwimmen zu lassen. Meist aber fällt der Krimi auf Schlotts Gesicht zurück, bleibt nur sie im Bild übrig. Dann kommt ein Feuer in ihre Augen, wenn sie - clean - über das Gefühl der Ekstase spricht, verziehen sich ihre Gesichtszüge nach der ersehnten Spritze in eine bizarre Maske oder bleibt nur ein leerer, seelenloser Blick.

Anstatt Borowski als Oberlehrer einer drögen Weiterbildung über Crystal Meth zu unterziehen, setzen die Macher auf die atmosphärische Annäherung. Es wird in Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel kein abstraktes gesellschaftliches Problem thematisiert, am Sonntag so oft ein Fall für Langeweile. Die Suche nach der Verantwortung für die Verwüstung überlässt Autor Basedow trotz gelegentlicher Schwenks zu Eltern (darunter Borowski selbst) und Profiteuren uns Zuschauern. Da sind wir im Endeffekt wieder ganz bei dem Kommissar. Der empört sich über die verrückt gewordene Welt, in die er abgebogen ist. Sinn vermag er dem Treiben nicht zu verleihen.

Mord des Sonntags: Kopflos durch die Nacht.

Zitat des Sonntags: "Mörder kriegt man."


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