RedTube - Wie Rechtsverdreher uns Pornos vermiesen

11.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Die Bundesregierung bezieht endlich Stellung zum ewigen Streitthema “Streaming” – ein Hoffnungsschimmer in der tragisch-irrwitzigen Farce rund um die RedTube Abmahnwelle. Nur wird das unseren Spaß an Pornos so schnell nicht wieder zurückbringen.

Das Internet hat das seltene Talent, einem alles und jeden madig zu machen. Seien es Katzenvideos, Jennifer Lawrence oder jüngst Pornos. Etwas, was natürlich niemand von uns schaut, keinesfalls, pfui! Dennoch dürfte nicht wenigen bei der ersten Meldung über die RedTube Abmahnwelle das Herz ein kleines Stück gen Süden gerutscht sein. Als in den folgenden Tagen ein gewisser Brief ausblieb (zumindest pro forma), kehrte zwar wieder etwas Ruhe ein, aber irgendwie war die Lust verflogen.

Die Bundesregierung hat sich nun nicht ganz freiwillig (erst nach einem kleinen Antrag der Linken) zu diesem leidigen Thema geäußert. So ließen sie über das Justizministerium mitteilen, dass das reine Betrachten eines Videostreams für sie keine Urheberrechtsverletzung wäre. Welch Offenbarung! Da scheint jemand heimlich, im Thema Neuland gespickt zu haben. Die verantwortliche Winkeladvokatskanzlei Buhmann und Collegenschwein lässt das hingegen kalt und stellt weitere Abmahnbriefe in Aussicht, da die Bundesregierung ohnehin in diesem Fall nichts zu melden habe. Ein Aufreger der Woche aus Gründen.

“Würden Sie einem Juristen die Füße küssen?”
“Kommt darauf an, wie hoch er hängt”

Hier die bisherigen Highlights des Falles, alles Einzelheiten könnt ihr bei unserer guten alten Freundin Wikipedia nachlesen: Die US-amerikanische “Filmproduktionsfirma für Erwachsene” Combat Zone vergibt an eine dubiose, scheinbar nur auf Papier existente, spanische Gesellschaft die Verwertungsrechte von 202 Pornofilmen. Gesellschafterin ist eine gewisse Julia Reaves, in der Pornoindustrie keine Unbekannte. Im realen Leben ist sie aber besser bekannt als Julia Schilling aus dem nicht ganz so sonnigen Deutschland. Die Verwertungsrechte der Filme wanderten weiter an ein Unternehmen namens Hausner Productions aus Berlin. Wenige Wochen später wanderten die Rechte von sechs der Filme weiter an The Archive AG, eine Gesellschaft mit Sitz in der (wen wundert’s?) Schweiz. Das sind genau die sechs Sexfilmchen, die nur wenige Monate später die Grundlage für den RedTube Wahnsinn bildeten. Das Ganze passierte innerhalb weniger Monate. Wenn ihr euch für die schmutzigen Details interessiert, auf Heise.de wurde versucht, den Briefkastenfirmen und Machenschaften auf den Grund zu gehen.

Richtig interessant wird es, wenn wir berücksichtigen, dass die Zugriffszahlen von eben diesen Filmen bis Juli 2013 nicht die Rede wert waren. Erst als im Juli die von Briefkastenfirmen registrierten Domains movfile.net und retdube.net aktiv wurden, die auf die berühmt berüchtigten Pornovideos die mittlerweile auf Redtube.com geladen wurden, verwiesen, stieg der Traffic rapide. Der Grund waren sogenannte Adult-Traffic-Broker, die gezielt deutsche IPs auf eben diese Fake-URL weiterleiteten. Neben Usern, die die Videos bewusst anklickten, wurden somit viele Internetnutzer ohne ihres Wissens auf besagtes Portal und Content geleitet. Die allgemein übliche Ausrede “Pornos? Ich dachte das wären Katzenvideo” ist also in diesem Fall gar nicht so weit hergeholt…

Was folgte, ist feinste Advokatssatire, wie sie wohl nur in den USA und scheinbar auch in Deutschland zu Stande kommen kann. Eine fragwürdige Abmahnwelle auf Grundlage fragwürdig erlangter IP-Adressen mit Abmahngebühren jenseits von Gut und Böse (insgesamt 250 €, bestehend aus 149,50 € Anwaltsgebühren, 15,50 € Schadenersatz und 20 € Postpauschale). Das es nur 250 € wurden, ist übrigens einem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken zu verdanken, das fast auf den Tag genau zwei Monate verabschiedet wurde bevor die ersten Abmahnbriefe in den Briefkästen landeten.

“Was ist, wenn ein Anwalt bis zum Hals im Sand steckt?
Nicht genug Sand vorhanden.”

Die beauftragte Anwaltskanzlei U&C hatte im Dezember 2013 schwer damit zu tun, geschätzt 40.000 Abmahnungen zu verschicken. Es ist übrigens die gleiche Anwaltskanzlei, die seitdem unter Polizeischutz steht, weil unerklärlicherweise Morddrohungen eingegangen sind. Gegen ebendiese Kanzlei haben die Verbraucherzentrale Brandenburg sowie mehrere Betroffenen Strafanzeige gestellt. Selbst andere Rechtsanwälte haben zur Strafanzeige gegriffen. Gleiches geschah dem Mandanten RedTube, gegen den nicht zuletzt eine Einstweiligen Verfügung erging. Aber die Kanzlei zeigt sich von alledem wenig beeindruckt. Das Justizministerium hätte “kein wie auch immer geartetes Weisungsrecht”. Also sitzen U&C die erwirkte Einstweilige Verfügung einfach aus und planen die nächste Welle. Und warum sollten sie auch nicht, solange alle Stellen und Instanzen die Verantwortlichkeit weiterreichen, tröpfeln weiterhin schuldige Überweisungen auf das Konto der The Archive AG. Es wird geschätzt, dass 30% der Betroffenen aus Scham vor der Familie oder der Versicherung klein bei geben. Ergibt immerhin ein stolzes Sümmchen von drei Millionen Euro. Also lacht euch nicht zu früh ins klebrige Fäustchen, das nächste irrwitzige Kapitel steht Deutschland kurz bevor.

Was haltet ihr von der ganzen Abmahnwelle?

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